Kapitel 27 (Lesenacht Teil 5)

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Als ich wieder zu mir kam konnte noch nicht zu viel Zeit vergangen sein, denn die Burg stand noch. Für einen Moment wirkte alles so friedlich, dass ich mich fragte, ob ich die Schlacht nur geträumt hatte, doch dann setzten die Geräusche meiner Umgebung wieder ein. Ich lag am Boden, das besorgte und enttäuschte Gesicht der Wache über mir und sofort fühlte ich mich schlechter. Meine Kopfschmerzen setzten wieder ein und diesmal fühlte es sich an, als würde mein Kopf explodieren.

"Nein... Nein!", murmelte ich und stand auf, wobei ich ziemlich hin- und herschwankte. Ich sah auf die Festungsmauer hinab. Ein riesiges Loch klaffte in ihr und unsere Feinde strömten in Massen durch es hindurch. Eine Welle des Selbstmitleids überkam mich. Ich hatte es nicht geschafft. Was bildete ich mir eigentlich ein, zu glauben ich könnte den Lauf der Geschichte aufhalten? Ich hatte es genauso verhauen wie bei Boromir. Doch ich schob meine Selbstzweifel beiseite. Ich konnte noch etwas tun.

"Was ist passiert?", fragte ich trotzdem hektisch. Die Wache sah mich mit einem undeutbaren Blick an und öffnete den Mund, um etwas zu erwidern. Ich wedelte mit der Hand und sagte: "Wisst Ihr.. Eigentlich ist das egal. Geht es dem König gut?"

Genau als ich diese Frage stellte, brüllte einer der Befehlshaber "Rückzug! Zieht euch zurück in die Festung!"

Ich starrte auf die Massen unserer Feinde hinab. "Scheiße!", brüllte ich meine ganzen Frust in die Welt hinaus und wollte etwas tun, irgendetwas, doch meine Magie schien nicht zu funktionieren. Verdutzt versuchte ich es noch einmal, doch wieder wäre es, als würde ich gegen eine Glaswand rennen, welche mich von meiner Magie trennte. Fluchend griff ich nach meinem Schwert, doch von hier oben konnte ich nichts machen. Jetzt wusste ich, wie Legolas sich im Hobbitfilm gefühlt hatte, als er auf der perfekten Position zum Pfeileschießen stand und ihm die Pfeile ausgingen.

Die Wache hatte ich ganz vergessen, doch jetzt packte er mich am Oberarm und zog mich in Richtung Festung. Wir stolperten gemeinsam über Gesteinsbrocken, die von der Explosion hergeflogen waren und jeder dieser Steine schien mich zu verspotten. In der Festung herrschte helle Aufregung.

"Wir müssen zum Tor! Sie werden es durchbrechen, das können wir nicht zulassen, wir..." Ich fühlte mich so machtlos ohne meine Magie. Wie konnte ich vorher so leben? 

"Ihr müsst in die Kammer für die Verwundeten", verlangte die Wache und ich schüttelte den Kopf. "Nein, nein, das Tor! Das Tor!", rief ich und bemerkte dann, dass ich wahrscheinlich komplett geistesgestört wirkte. Wer erwachte denn auch schon aus einer Ohnmacht und wollte direkt weitermachen? Ich atmete einmal tief durch und packte die Schultern der Wache (ich widerstand dem Drang, ihn zu schütteln). "Sie werden jeden Moment durch das Tor brechen. Das können wir nicht zulassen", wiederholte ich mit ruhigerer Stimme. Die Wache zögerte nur kurz, nickte dann und gemeinsam rannten wir zum Tor, was weiter unter uns lag. 

Mein kleiner Tornado hatte die Uruks wahrscheinlich nur etwas verzögert, denn sie waren noch nicht durch das Tor durchgebrochen. Das erleichterte mich zwar, doch auch nicht sehr, immerhin standen unsere Chancen auf einen Sieg immer noch ziemlich niedrig. Machtlos sah ich dabei zu, wie mit jedem Schlag es Rammbocks das Tor ein wenig mehr zu brechen drohte. Frustriert versuchte ich ein weiters Mal meine Magie zu rufen, doch wieder klappte es nicht. Ich hätte anfangen können zu weinen, so nutzlos fühlte ich mich, doch jetzt war keine Zeit für Selbstmitleid. Als das Tor schließlich brach, schossen unsere Bogenschützen zwar auf die Uruks, doch dann wurden sie einfach aufgespießt oder anders getötet. Der metallische Geruch von Blut erfüllte den schmalen Gang und mir wurde übel. 

Aragorn stürmte an mir vorbei und schlitzte einige Uruks auf (mir fiel auf, dass er trotz seiner verschwitzten Kleidung und dem Dreck auf seinem Gesicht immer noch sehr gut aussah), dann befahl Theoden: "Haltet sie auf für mich!"

"Wie viel Zeit braucht Ihr?", schrie Aragorn zurück.

"Soviel Ihr mir geben könnt!"

Aragorn nickte und dabei fiel sein Blick auf mich. "Alisa! Komm mit!"

Ich nickte und löste mich mit einem Klopfen auf die Schulter der Wache von ihm. "Viel Glück!", rief ich und rannte hinter Aragorn her, der auch Gimli aufgesammelt hatte. Er erklärte uns kurz den Plan und führte uns dann durch eine Tür nach draußen. Von unserem neuen Standpunkt aus konnte man seitlich auf die Uruks sehen, welche vor dem Tor standen und versuchten hineinzugelangen. 

Gimli starrte grinsend auf die Uruks und sagte: "Kommt schon, die schaffen wir!" 

Aragorn sah ihn gespielt zweifelnd an. "Das ist ziemlich weit..." Der Zwerg warf einen Blick auf den (ziemlich tiefen) Abgrund zwischen den Felsen, auf denen wir standen, und der Brücke zum Tor, dann sah er Aragorn und mich abwechselnd an. Er schien mit sich zu ringen, bis er schließlich grummelte: "Wirf mich." Aragorn tat so, als hätte er den Zwerg nicht verstanden. "Was?", fragte er, immer so als würde er an ihm zweifeln. 

Gimli seufzte und sagte etwas lauter: "So weit kann ich nicht springen, du musst mich werfen!" Ich musste trotz unserer misslichen Lage grinsen. Aragorn nickte und bevor er Gimli werfen konnte warf dieser hastig ein: "Aber sag es nicht dem Elb!" Dann fiel sein Blick auf mich. "Du auch nicht!" Ich biss mir auf die Wange und versuchte nicht zu lachen, als ich meine Hände hob und erwiderte: "Nicht ein Wort."

Dann bekam Gimli seine erste Flugstunde und kurz darauf auch ich. Ich landete fast perfekt mit gezogenem Schwert neben dem Zwerg und als Aragorn noch zu uns stieß, metzelten wir unsere Feinde gemeinsam nieder. Es fühlte sich gut an, etwas Festes gegen seine Feinde in der Hand zu haben und so schön und praktisch Magie auch war, manchmal freute ich mich über eine andere Waffe. Es war beängstigend, auf dieser schmalen Brücke zu kämpfen - rechts und links ging es ziemlich weit nach unten - doch ich stieß einen Kampfschrei aus und stürzte mich auf den nächstbesten Uruk. 

Herr Der Ringe FF - Take Me To Somewhere ElseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt