Kapitel 35

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"Was hast du getan? " Jens Augen waren riesig vor Fassungslosigkeit.
"Du hast Cass abgewiesen!?" rastete sie vor Entsetzen fast aus.

Nach Cass' s und meinem echt super gelaufenem 'Gespräch' im Park, war ich direkt zu Jen gefahren.
Zu Sam konnte ich nicht. In Physik hatte er extra einen Platz für mich freigehalten, was echt lieb von ihm war und wir hatten auch beide versucht miteinander normal umzugehen, aber die Situation war noch leicht angespannt.
Würde er mich jetzt so am Boden zerstört sehen, wusste ich, dass er kommen würde. Nur da es sich um Cass handelte, war ich mir dann da doch nicht so sicher und hatte lieber Jen alles erzählt.

"Jen, mit mir hat er nur Probleme. Er soll sich nicht mit mir herum schlagen." seufzte ich und dachte verstört an Cass' s verletzten Gesichtsausdruck.
"Jetzt sag doch sowas nicht!"
Sie nahm mich in den Arm, denn meine Augen wurden verräterisch feucht. "Ach Süße!" Sie drückte mich einmal mitfühlend und das brauchte ich gerade echt am dringendsten. Mit Sam und meiner Mum konnte ich nicht über Cass reden, also blieb nur Jen, die meine einzige Hoffnung war.

"Denkst du ich habe das falsche getan?" jammerte ich. Jen nickte fest. "Definitiv."
Immerhin war sie ehrlich.
"Oh man..." grummelnd wünschte ich mir in Jen's Armen unterzutauchen.
"Aber Cass könnte mit mir nicht glücklich werden. Ich denke voraus...."
"Das solltest du nicht." unterbrach mich Jen.
"Irgendwann würde er mehr wollen und ich könnte es nicht...." ignorierte ich ihren Einwurf.
Sanft sah mich Jen an. "Weswegen denn nicht? Es ist über 2 Jahre her. Bei den Küssen hat doch auch alles prima geklappt. "
Fast musste ich auflachen, da ich wusste wie absurd das Gespräch für jemand klingen musste, der nicht wusste, dass Connor mich an dem einen Abend zu mehreren Sachen gezwungen hatte, vor denen ich heute deswegen immer noch Schiss hatte.

"Ja, ich habe es gut hin bekommen. Aber einmal, als fast ein Zungenkuss daraus wurde, hab ich gemerkt, dass ich an Connors brutale Lippen denken musste und das wurde mir zu viel.
Als noch kein Cass in meinem Leben war konnten die Narben verschlossen werden, aber jetzt würden sie immer wieder aufreisen wenn ich mit Cass zusammen käme, da Connor diverse Sachen mit mir gemacht hat, die mich daran erinnern werden, wenn Cass mir noch näher kommt. Obwohl ich dabei weiß dass es Cass ist, der vor mir wäre." erklärte ich, aber auch darauf hatte Jen etwas parat.
"Aber das weißt du doch gar nicht. Wenn ihr es langsam angeht-wozu Cass eindeutig bereit zu sein scheint!- werden die Erinnerungen an damals bestimmt überschattet. Du musst dich...mehr oder weniger wahrscheinlich daran ....gewöhnen....einfach."
"Einfach?" Skeptisch sah ich sie an und seufzte. "Ich hab einfach angst es bei Cass zu versauen. Keine Ahnung, alleine wenn er nur seine Hände unter meinem Pullover haben würde, bin ich mir sicher würde ich vor Angst ausrasten. Und egal was er sagt- Jungs brauchen IMMER eine gewisse Zuwendung.
Du kannst mir nicht erzählen, dass eine Beziehung, die nur aus küssen besteht ewig halten würde. Und am vertrauen liegt es mittlerweile nicht."

An Jens Blick sah ich förmlich, wie ihr Gehirn ratterte und nach eine Lösung suchte. Weil sie das gleiche Glück, das sie letztendlich doch noch bei Shawn gefunden hatte, auch für mich wünschte.
"Also geht es dir nur ums körperliche? Du kannst es einfach mal probieren....lass deine Gefühle doch zu und mach es nicht unnötig schwer. Ich meine- hallo!? Einer der heißesten Hotties hat dir gesagt, das er unsterblich in dich verknallt ist und du versuchst es nicht mal!"
"Jen..." seufzte ich und verdrehte die Augen.
"Was ich damit sagen will.....ein Cass findest du nicht an jeder Ecke!"
"Ich weiß...." murmelte ich kleinlaut.
"Denk noch mal darüber nach! Ich werde währenddessen mir etwas überlegen."
Seufzend umarmte ich meine beste Freundin und nickte.

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Am nächsten Tag hatte ich null Lust auf Schule. Lieber wäre ich grübelnd in meinem Bett geblieben. Ausnahmsweise war ich aber mal froh, dass Cass nicht auf die selbe Schule wie ich ging. Ich brauchte momentan Abstand von ihm um über alles nach zu denken. Mindestens jede halbe Stunde spukte mir der Gedanke im Kopf herum, ob ich vielleicht nicht doch das falsche getan hatte.

Ich war so mit meinen Gedanken abwesend, dass die 3+ in der Englischarbeit mich fast völlig kalt ließ.
Sam bemerkte meine Ratlosigkeit und gedankliche Abwesenheit natürlich auch und versuchte mich wo es ging aufzuheitern. Dafür hatte ich ihn echt lieb.

In der Pause saßen wir im Schatten und Sam erzählte mir gerade von seinem letzten Football Match, dass ich verpasst hatte. Er schmückte es mit ein paar komischen Details aus, sodass ich mich fragte, ob er mich damit nicht einfach nur zum Lachen bringen wollte. Jedenfalls schaffte er es.

So sah Jen uns dort unter dem Baum sitzen und eilte mit einem Grinsen in Gesicht auf uns zu.
"ICH HABS!"
Verständnisslos sahen Sam und ich sie gleichermaßen an.
"Die Lösung für dein Problem, Liz!"
Als sie bemerkte, dass Sam immer noch das Fragezeichen im Gesicht stand stöhnte sie. "Du hast es ihm noch nicht erzählt??"

Schnell klärte meine beste Freundin Sam auf. Dieser hörte gebannt zu, was gestern passiert war und warf mir dabei immer mal wieder einen kurzen Blick zu.
"Uuuunnndddd...." Jen rieb begeistert ihre Hände aneinander, als wäre es die Idee des Jahres. "....da ich gestern ja meinte, dass du einfach vielleicht ein paar Anläufe brauchst, um die bösen Gedanken während den Berührungen zu vergessen...dachte ich, dass du mit Sam üben könntest. Ihr versteht euch ja gerade wieder super!"

"Üben?" hakte Sam mit einer hochgezogenen Augenbraue nach, während ich wie ein begossener Pudel neben ihm saß und Jen mit offenem Mund anstarrte.
"Genau!" sagte Jen eifrig. "Eigentlich ist es egal ob sie mit dir oder Cass rum knutscht. Sie lernt, dass es nichts mit der Vergangenheit zu tun hat, mit dem was an dem abend passiert ist...
Vor 2 Jahren dachte sie nicht mal darüber jemals sprechen zu können, aber man gewöhnt sich an alles."

Ich starrte sie immer noch kopfschüttelnd an. War das echt ihr Ernst??
Jen betrachtete mich.
"Ja, das ist mein Ernst. Ich würde natürlich auch anbieten, dass du mal einen Zungenkuss an mir testen könntest, aber das würde nichts bringen, da ich ein Mädchen bin und Connor ein Junge war....außerdem kommt es nicht so komisch wenn ihr zwei euch küsst."

"Ich bin dabei. " stimmte Sam sofort achselzuckend zu.
Fassungslos sah ich ihn an.
"Saaaam, du stimmst da doch jetzt echt nicht zu?"
"Warum nicht. " er grinste mich verführerisch an. "Ich stehe als dein persönliches Übungsobjekt bereit. Ich als dein bester Freund mache das gerne für dich."
"Ihr seid verrückt." meinte ich kopfschüttelnd.
"Es ist mir grad erst vorhin eingefallen. Aber ihr könnt es ja einfach mal probieren. " meinte Jen zuversichtlich.

"Das war echt deine brillante Idee? stöhnte ich.
"Hast du eine bessere? Wenn du es bei Cass nicht versauen willst..."
"...kann sie es ja bei mir." lachte Sam, sah aber irgendwie verspannt aus.

"Und wie hast du dir das vorgestellt? Ich werde ihn ganz sicher hier nicht vor allen küssen. Das wirft nur Gerüchte auf. Normalerweise sind die mir egal, aber nicht bei sowas....das Missverständnis mit Marco hat mir schon gereicht...."
"Naja, ihr könntet euch auch bei Sam treffen um euch zu küssen, wenn ihr das nicht....ähm noch komischer findet."
Mit einem Blick von mir schwieg Jen.
"Auf keinen Fall."
"Nur ein Zungenkuss. Um zu testen ob es wirklich so schlimm ist. Du kannst die Erinnerungen an deine..." Sie redete nicht weiter, da sie die Vergewaltigung nicht direkt ansprechen wollte, da wir das nie taten.
"....bestimmt unterdrücken."
"Komm schon..." munterte Sam mich auf.
"Jetzt??"
"Ihr könnt euch auch heimlich auf der Toilette während dem Unterricht verbabre-"
"Ist schon gut, Jen" stöhnte ich. Dann lieber jetzt sofort, damit ich es hinter mich bringen konnte. Es war sowiso absurd.

Ich hatte Sam schon mal geküsst aber ohne Zunge und das war, bevor ich mit Connor zusammen kam. Außerdem war das nur, weil es eine alberne Aufgabe bei Wahrheit oder Pflicht damals war.

Es klingelte gerade zum Pausenende, was für uns eigentlich recht günstig war, denn keiner achtete mehr auf uns.

Sam beugte sich vor. "Komm schon. Nur ein Kuss. Damit hintergehst du auch nicht Cass. Du machst es ja wegen ihm."
Seufzend sah ich auf meine Hände.
"Sam....ich kann das nicht....du bist mein bester Freund...."
Sam legte seine große Hand an meine Wange und sah mich ernst an. "Ein Versuch ist es wert."
Ergeben seufzte ich und schloss meine Augen.

Kurz darauf spürte ich Sams Lippen auf meinen und es war einfach nur komisch. Als die Zunge dann ins Spiel kam fühlte ich mich extrem unwohl. Aber nicht, weil ich das Gefühl von früher kannte-nein, das wusste ich gar nicht mehr so genau-sonder weil ich mit meinem besten Freund so etwas inniges machte. An seiner Stelle sollte eigentlich Cass sein, den ich vertrieben hatte.

Es war nur ein Kuss, aber wir waren uns so nahe wie sonst nie und als wir uns wieder lösten merkte ich, dass es für Sam nicht nur ein Kuss war.

Ihm hatte er mehr bedeutet.

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