4. Kapitel | Aufnahmen

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And remember to laugh, cause you're living in a crazy world

Wie sehr das Wetter sich in den letzten Tagen änderte, war beinahe lächerlich. Vor einigen Tagen hatte es noch geschüttet wie aus Eimern, und jetzt ließ sich durch die Wolken tatsächlich die Sonne blicken.

Stegi riss seinem Blick vom Fenster los – den Ausblick kannte er schon zu Genüge, und graue Straßen und noch grauere Häuser waren nicht gerade ansehnlich – und sah stattdessen auf sein Handy. Es war Zehn vor Zwei – Um Drei wollten sie sich bei Tim treffen. Noch mehr als eine halbe Stunde, bis er losgehen konnte, ohne zu früh da zu sein.

Ungeduldig mit den Fingern auf seinen Schreibtisch trommelnd überlegte er, was in der Zeit noch machen konnte. In der vorherigen Stunde hatte er bereits die Kamera und alles, was sie sonst noch brauchen könnten, eingepackt, und jetzt saß er nur noch da und starrte nach draußen. Nicht einmal einer seiner Freunde war auf irgendeine Art und Weise erreichbar.

Die Langeweile würde ihn noch umbringen.

Kurzentschlossen sprang er auf, schob den Stuhl zurück und schnappte sich seine Jacke vom Haken im Flur, obwohl er sie bei dem Wetter wahrscheinlich nicht brauchen würde. Nachdem er sich noch die viel zu große Tasche mit der Kamera über die Schulter gehängt und sich sein Smartphone gegriffen hatte, öffnete er die Tür der Wohnung. „Bis heute Abend!" Und bevor er es sich anders überlegen konnte, hatte er sie hinter sich ins Schloss gezogen.

Schnell tippte er eine kurze Nachricht an Tim – „Bin schon früher da" – und versuchte, die Treppe hinabzukommen, ohne dabei über seine eigenen Füße, die Stufen oder die Tasche zu stolpern.

Zehn Minuten später hatte er das Haus (er würde es eher einen Betonklotz mit Fenstern nennen) verlassen und den Weg zur Haltestelle hinter sich gebracht. Hier hielt nur eine einzige Bahn, und die war so relativ weit außerhalb der Innenstadt meist nicht mehr besonders voll. Mit anderen Worten – Es war einfach, einen Platz am Fenster zu finden, aus dem er nicht besonders spannende Gegend um ihn herum beobachten konnte.

Während die Häuser vor seinen Augen vorbeirauschten, lehnte er den Kopf gegen den Sitz. Genau drei Stationen. Das war nicht unmöglich zu merken.

Im Grunde genommen hatten sie noch gar nichts geplant oder irgendeine Ahnung, was genau sie filmen wollten, aber sie würden das schon irgendwie hinkriegen. Es war eigentlich auch nicht wirklich wichtig – Sie hatten einen Text und mussten nur noch irgendwas finden, dass dazu passte.

Im Grunde genommen freute Stegi sich mehr darauf, Tim wiederzusehen.

Er konnte nur hoffen, dass das ein gutes Zeichen war.

~ * ~

Stegi bemühte sich um ein Lächeln, als er klingelte.

Tim wohnte in einem relativ kleinen Reihenhaus mit unordentlichem Vorgarten und weißer Fassade. Von den anderen Häusern unterschied es sich höchstens dadurch, dass die Tür komplett schwarz war anstatt braun wie bei den meisten und man, wenn man sich zu ihr bewegte, an mindestens vier riesigen Blumensträuchern vorbeimusste und das Unkraut schon lange seinen Weg durch die Steinplatten gefunden hatten, die eigentlich durch diese führen sollten.

Hinter der verdunkelten Scheibe im oberen Teil der Haustür konnte er unscharf jemanden erkennen, der sich auf ihn zubewegte und ihn wenige Sekunden danach leicht verwirrt musterte. „Stegi? Was machst du denn schon hier?", fragte Tim, nachdem er die Tür geöffnet hatte, und zog ihn nach drinnen.

„Ich hab dir geschrieben, dass ich etwas früher komme."

„Wieso?"

„Mir war langweilig."

Tropfen im Meer  [Stexpert]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt