Lass die Leute redenund hör ihnen nicht zu, die meisten Leute haben ja nichts besseres zu tun
An sich war es Stegi wirklich egal, was die Leute von ihm hielten. Er hatte es geschafft, sich über die letzten Monate absolut im Hintergrund zu halten und kannte mit Glück die Namen aller Leute in einem Kurs – und bis zu seiner neuen Schule würde ihn das nie im Leben verfolgen, so sehr würden sich die Schüler hier nicht auf ihn einschießen. Was die Leute über Tim dachten, nun, das machte ihm wesentlich mehr Sorgen.
Immerhin war der schon seit Jahren hier und würde wahrscheinlich bis zum Abi hierbleiben, und er hatte ja Recht, auch, wenn Stegi sich das ungerne eingestand – Eigentlich hatten sie keine Ahnung, wie tolerant die Schule wirklich war. Zwar pries sie sich, wie vermutlich fast alle Schulen, als sehr weltoffen und absolut gegen Diskriminierung an, aber Jan und Mo waren ja schon mal ein Beweis des Gegenteils.
Als er an diesem Morgen also den Klassenraum betrat, warf er Tims alten Freunden einen wütenden Blick zu und ließ sich dann neben seinen Freund fallen. „Morgen."
„Hi", meinte Tim und grinste schief. „Bevor du fragst: Mich hat noch niemand angesprochen oder sonst was. Nicht mal irgendwelche fragenden Blicke. Keine Ahnung, wahrscheinlich haben's gar nicht so viele Leute mitbekommen und ich mache mich völlig umsonst verrückt."
„Ich sage, Jan hat einfach Angst, dass er sofort homosexuell wird, wenn er das Wort schwul in den Mund nimmt", behauptete Stegi.
„Du weißt ja, genau so funktioniert das." Kopfschüttelnd lehnte Tim sich in seinem Stuhl etwas nach hinten und zog sein Handy aus der Jackentasche. „Drei Minuten vor Acht. Gleich beginnt die Hölle bei Frau Wart."
„Du hättest auch einfach auf die Uhr schauen können."
„Laut der Uhr ist es viertel nach zwei. Klingt ein bisschen unrealistisch."
„Wo du Recht hast, hast du Recht." Er gähnte. „Und ich weiß echt noch nicht, wie ich zwei Stunden Filmtheorie überleben soll. Das war schon letzte Woche absolut ätzend langweilig."
„Zu wenig Schlaf? Ach, sag erst gar nichts", meinte Tim augenrollend und zog ein paar Zettel aus der letzten Stunde Kunst nach draußen. „Hattest du wenigstens deinen Kaffee?"
„Säße ich sonst hier, ohne dich anzuschnauzen?" Stegi versuchte, sich möglichst bequem hinzusetzen – nicht gerade einfach auf den Stühlen, die sie in der Schule hatte – und musterte Tim. „Wirkt auch nicht so, als hättest du besonders viel geschlafen diese Nacht", bemerkte er. „Augenringe und so."
„Ich bin eben gut darin, mir zu viele Sorgen zu machen. Und dazu noch die Tatsache, dass die Jungs alle meine ehemaligen Freunde sind... Ist nicht ganz einfach, wenn die sich alle langsam von ihrer beschissenen Seite zeigen."
„Warte, die haben diese ganzen Kommentare nicht gemacht, wenn du bei ihnen warst? Früher, meine ich." Darüber hatte er noch gar nicht nachgedacht – wenn sie schon dann so gewesen wären, als Tim noch Zeit mit ihnen verbracht hatte, hätte er doch bestimmt nichts mehr mit ihnen zu tun gehabt, oder? Regelmäßig Menschen wie du sind scheiße ins Gesicht gesagt zu bekommen, konnte doch nur wehtun.
„Nein. Ich mein', sie haben das Thema eigentlich nie erwähnt, warum auch? Gab nie wirklich Anlass dazu. Obwohl ich es natürlich hätte ahnen können, oder es mal irgendwie beiläufig fallen lassen, aber..."
„Und? Was hättest du gemacht?"
„Mich wahrscheinlich schlechter gefühlt und trotzdem nichts geändert, denn wenn ich dann nicht mehr mit ihnen gesprochen hätte, hätten sie eh nach dem Grund gefragt, und den wollte ich ja doch eher für mich behalten. Die Betonung liegt auf wollte – Wenn ich Pech habe, könnten sie's ja dem ganzen Jahrgang erzählen, aber vielleicht haben sie ja noch sowas wie Ehre."
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Tropfen im Meer [Stexpert]
FanfictionStegi - seit einem halben Jahr immer noch der Neue in der Klasse. Und eigentlich ist das auch in Ordnung so, denn er wird bald wieder wegziehen. Also alles kein Problem - Bis er gezwungen ist, für ein Schulprojekt mit Tim zusammenzuarbeiten, und der...