31. Kapitel | Ferien

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I like to make myself believethat planet earth turns slowly


Noch eine Woche.

Während die Leute um ihn herum es nicht eilig genug haben konnten, den Raum zu verlassen, packte Stegi langsam sein Buch weg, schulterte den Rucksack und schob seinen Stuhl quasi in Zeitlupe an den Tisch. Er mochte die Schule nicht besonders (wer tat das schon?), aber das war wohl das erste Mal in seinem Leben, dass er auf die Ferien hätte warten können.

„Stegi?"

Bei der Stimme seiner Lehrerin fuhr er herum und bemühte sich um ein Lächeln. Auch, wenn er die Frau nie wiedersehen würde, so ein Maß an Höflichkeit konnte er sich noch erlauben. Obwohl er sich ziemlich sicher war, dass es nur darum ging, dass er jetzt auch endlich mal nach draußen ging, schließlich war der Raum bis auf ihn und Frau Menke komplett leer.

„Kann ich Sie kurz sprechen?"

Anscheinend doch nicht. Stegi nickte zögernd und ging zu dem Schreibtisch, wo Frau Menke ihm einen Zettel hinschob. „Ich hatte das hier von der Schulleitung erhalten. Sie verlassen uns nach den Ferien?"

„Ja." Und?

„Sind Sie nicht gerade erst in diesen Kurs gekommen?"

„Letztes Schuljahr, ja." Er seufzte und überflog einmal kurz den Zettel. Sehr förmlich, mit Unterschrift der Schulleitung und der seiner Eltern, dem Logo der Schule aufgedruckt und sehr vielen Worten für einen sehr einfachen Umstand. „Wir ziehen viel um." Das war nicht das erste Mal, dass er dieses Gespräch führte, und es würde auch nicht das letzte sein. (Vielleicht konnte er seine Eltern ja überzeugen, wenigstens die Zwölfte in der gleichen Stadt verbringen zu dürfen. Abiprüfungen und so.)

„Ich wollte mich nur noch einmal vergewissern, dass da kein Fehler der Schulleitung vorliegt." Sie packte den Zettel wieder weg, lächelte ihm zu und lief dann zur Tür. Stegi folgte ihr. „Auf Wieder... Schöne Ferien."

„Schöne Ferien", murmelte Stegi leise und eilte an ihr vorbei die Treppe nach unten. Er hätte nicht so trödeln und sich schneller aus dem Gespräch rauswinden sollen. Ein kurzer Blick auf sein Handy sagte ihm, dass die Bahn vor einer Minute losgefahren war. Gott, er war so ein Idiot.

Immerhin wartete Tim an der Station noch auf ihn und schien nicht wütend zu sein, weil er sich verspätet hatte. Stattdessen war er unerträglich gut gelaunt und winkte Stegi zu, als dieser durch den Nieselregen zu ihm stapfte. „Ferien, ey. Zwei Wochen pures Nichtstun."

„Für dich vielleicht."

Tim sah zu ihm herab und schien langsam ebenfalls zu realisieren, was Ferien noch bedeutete. „Oh." Nach kurzem Schweigen hängte er noch dran: „Jetzt hast du die Stimmung wirklich ruiniert."

Schief grinsend stellte Stegi seinen Rucksack auf den Boden und warf einen Blick auf den Fahrplan. Noch 18 Minuten. Super. „Sorry, dass ich zu spät bin. Frau Menke wollte sich nochmal vergewissern, dass ich wirklich umziehe."

„Es ist ja auch bescheuert. Du bist erst seit letztem Frühjahr oder so hier, das ist ein halbes Jahr."

„Gab es da nicht diesen Film, der so heißt? Ein Ganzes Halbes Jahr?"

„Wir sollten ihn mal angucken", meinte Tim. „Auch, wenn das irgendwie sehr kitschig klingt."

„Ich google", bot Stegi an und zog sein Handy aus der Tasche. Ein Ganzes Halbes Jahr. Stegi scrollte sich im Wikipediaartikel an der Darstellerliste vorbei und las sich einmal die Handlung durch. „Es klingt wirklich sehr kitschig. Gott, ich will den sehen und mich ein bisschen drüber lustig machen."

Tropfen im Meer  [Stexpert]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt