14. Kapitel | Später

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The truth is that I can't imagine living without you


Stegi atmete tief durch und sah noch einmal an dem Haus hinauf. Ja, er war richtig. Noch ein letztes Mal warf er einen Blick über die Nachbargärten – Niemand schien ihn gesehen zu haben. Er konnte sich immer noch vom Acker machen, ohne, dass Tim jemals von dieser absolut lächerlichen Aktion erfahren würde (denn lächerlich war wegen einer verdammten Nachricht durch den Regen laufen ganz sicherlich).

Kurzentschlossen drückte er die Klingel, ohne, dass irgendetwas passierte. Erst beim zweiten Klingeln konnte er hinter der Scheibe eine Silhouette erkennen (hoffentlich war das auch Tim und nicht seine Mutter – Wie lange arbeitete die eigentlich?), dann schwang die Tür auf.

Es war Tim. Er starrte ihn für einige Sekunden einfach nur vollkommen verblüfft an, und es hätte nur noch gefehlt, dass ihm wie in einem Film die Kinnlade nach unten klappte. „Was machst du denn bitte hier?"

Kommentarlos hielt Stegi ihm ihren letzten Chatverlauf hin. „Komm doch vorbei, wenn du so furchtbar neidisch bist", zitierte er dann. „Also, hier bin ich."

„Die Bedeutung des Wortes Witz muss dir auch noch jemand erklären, oder?", murmelte Tim mit einem Grinsen und öffnete die Tür ein Stück weiter. „Gut. Komm rein. Ich will dich ja nicht nochmal im Regen stehen lassen, oder?"

„Ich hoffe mal darauf, sonst werde ich hier echt ungemütlich." Stegi streifte sich die inzwischen komplett durchnässte Jacke von den Schultern und schob seine Schuhe neben die restlichen in den Flur. „Was jetzt?"

„Du bist hier aufgetaucht, darum dachte ich, du hättest vielleicht einen Plan oder sowas."

„Ich habe grundsätzlich nie einen Plan." Nachdem er seine Jacke notdürftig aufgehängt hatte, drehte er sich zu Tim um. „Aber du hast bestimmt noch Platz auf dem Sofa?"

„Haben ja. Ob du ihn haben kannst? Nun..." Tim ließ den Satz unbeendet und machte sich vor Stegi auf den Weg ins Wohnzimmer, wo er sofort die Couch beschlagnahmte und für seinen Freund maximal 20 Zentimeter Platz ließ.

Stegi rollte mit den Augen. „Rück mal." Als Tim keine Reaktion zeigte, setzte er sich einfach davor und lehnte seinen Hinterkopf gegen Tims Beine.

Er konnte ihn nicht sehen, aber es fiel Stegi dennoch nicht besonders schwer, sich Tims Gesichtsausdruck bei seinen nächsten Worten vorzustellen. „Brauchst du noch ein Kissen da unten oder reicht das so?"

„Faggot", murmelte Stegi und hob den Arm, um das Kissen abzuwehren, das Tim gleich darauf zu ihm herunterwarf. „Ich kann alternativ auch einfach wieder gehen. Der Regen da draußen wird mich schon nicht umbringen."

„Das klang vor ein paar Tagen aber noch ganz anders."

Stegi stand demonstrativ auf, drückte Tim das Kissen wieder in die Hand und ging in den Hausflur, diesmal darauf bedacht, nicht über das Kabelchaos vor der Küche zu stolpern wie bei seinem letzten Besuch, sondern sich daran vorbeizudrücken. Tim würde schon nachkommen – Jedenfalls vertraute Stegi stark darauf, dass er das tat.

(Lust, nach draußen zu gehen, hatte er dann doch nicht – Im Wohnzimmer hatte er den Regen immer noch gegen das Fenster trommeln hören und er war so schon nass genug.)

Gerade, als er das Warten auf seinen Freund aufgeben und wieder ins Wohnzimmer zurückkehren wollte, erschien der im Flur und grinste ihn an. „So viel also zu Thema Ich kann auch gehen."

„Würdest du jetzt rausgehen?"

Tim zuckte mit den Schultern, schlüpfte neben Stegi in ein Paar Schuhe und stieß die Haustür auf. Ein unangenehm kalter Windzug fuhr in den Flur, der Tim aber nichts weiter auszumachen schien – Er trat einfach nach draußen und ließ sich auf die Stufen fallen, die zur Tür hinaufführten und von der Hauswand halbwegs vom Regen geschützt waren. „Und wo bleibst du?"

Tropfen im Meer  [Stexpert]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt