Doch bist du mit mir an Bord, bin ich gerne durchgeknallt
Stegi ließ sich mit der Stirn auf den Mensatisch sinken und seufzte. „Wer auch immer sich das Konzept von Freistunden ausgedacht hat, gehört bestraft." Das Abschreiben der Mathehausaufgaben hatte sich letzten Endes tatsächlich als reichlich sinnlos erwiesen, denn ihr Lehrer war krank geworden und somit hatten sie jetzt offiziell zwei Stunden Freizeit, in denen sie absolut nichts tun konnten außer Hausaufgaben in anderen Fächern erledigen – Womit er jetzt, nach nicht einmal zwanzig Minuten, auch schon fertig war.
„Jap", murmelte Tim abwesend und als Stegi den Kopf hob, um zu schauen, warum er irgendwie nicht ganz bei der Sache wirkte, blätterte er gerade die Seite von irgendeinem Buch um. Nach einigem Kopfverrenken erkannte Stegi auch den Titel – „Romeo and Juliet".
„Im Ernst? Du bevorzugst dieses jahrhundertealte Ding, von dem eh schon jeder das Ende kennt, meiner Gesellschaft?"
„Ich muss das noch für Englisch lesen und die Gelegenheit ist geradezu perfekt. Außerdem komme ich da sonst nie zu." Mit einem Schulterzucken senkte er den Blick wieder auf die Seiten. „Ich kann dir natürlich etwas daraus vorlesen."
„Au ja." Stegi rollte mit den Augen. „Das wollte ich doch schon immer mal hören."
„I will bite my thumb at them", begann Tim mit verstellter Stimme, „Which is a disgrace to them, if they bear it."
„Das war eigentlich Ironie."
Er ließ sich davon nicht beirren. „Jetzt bitet er hier seinen thumb. Also, der Typ." Wieder verstellte Stimme, aber diesmal wesentlich höher. „Do you bite your thumb at us, sir?"
„I do bite my thumb, sir", sagte verstellte Stimme Nummer 1 und das wurde von verstellte Stimme Nummer 2 mit einem „Do you bite your thumb at us, sir?" gekontert. Zwei hatte echt nicht besonders viel Dialog drauf.
Gerade, als er zum nächsten Satz springen wollte – „Is the law of our side -" hatte er bereits –, wurde er von Stegi unterbrochen: „Stopp. Bitte. Da muss man ja furchtbar viel in seinem Kopf übersetzen."
Schnell schob Tim ein Stück Papier zwischen die Seiten, bei denen er gerade war, und lachte. „Denken kannste auch nicht, oder?"
„Ne." Stegi grinste. „Worum ging's eigentlich in der Szene?"
„Na, diese zwei Gruppen da beleidigen sich gegenseitig. Du weißt schon, die zwei Familien, aus denen Romeo und Julia sind, wegen denen sie dann am Ende absolut unsinnig Selbstmord begehen."
„Ach, die Geschichte." Für einen Moment Schweigen. „Stell dir das mal in der modernen Zeit vor, wie da zwei Leute stehen und auf ihren Daumen beißen oder was auch immer die korrekte Übersetzung davon ist."
„Das ist doch ein normaler deutscher Schulhof, oder?"
„Quasi. Warum regen die sich denn alle so auf?"
„Sind wahrscheinlich alles geistig auf dem Stand von aggressiven Sechstklässlern und fühlen sich dann cool, wenn sie alle anderen Leute beleidigen und danach sagen können, Hey, Digga, ich hab heute die Montagues voll fertig gemacht!"
„Oh ja." Stegi lachte. „Das kann ich mir echt so richtig gut vorstellen."
„Vielleicht ist Romeo und Julia ja gar nicht so furchtbar dramatisch, es handelt einfach nur von Sechstklässlern, die ihre erste, wahrhaftige, einzige Liebe gefunden haben. Mit... Wie alt ist man in der Sechsten denn nochmal?"
DU LIEST GERADE
Tropfen im Meer [Stexpert]
FanfictionStegi - seit einem halben Jahr immer noch der Neue in der Klasse. Und eigentlich ist das auch in Ordnung so, denn er wird bald wieder wegziehen. Also alles kein Problem - Bis er gezwungen ist, für ein Schulprojekt mit Tim zusammenzuarbeiten, und der...