34. Kapitel | Abschied

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Und ich lehn an der Scheibe und du stehst draußen am Gleis und der Zugzieht mich langsam an dir vorbei


Es fühlte sich ein bisschen so an, als hätte er von dem Gespräch mit Tobi nur geträumt. Keiner von ihnen sprach es an und sie benahmen sich, als hätten sie überhaupt nie darüber geredet, so dass Stegi langsam wirklich anzweifelte, ob das ganze echt gewesen war.

Obwohl Stegi wirklich größere Probleme hatte. Da war nicht nur die ganze Sache mit Tim (mit dem er nur über seine Leiche auch nur ein Wort darüber wechseln würde), sondern auch noch die Tatsache, dass der siebte November unaufhörlich näher rückte, und das auch noch viel zu schnell.

„Das Max zu erzählen, war so unangenehm, ey", erzählte Tim ihm am einen Tag noch. „Ehrlich. Mal versucht, so ein Gespräch anzufangen? Warum solltest du, aber lass dir eins gesagt sein, es ist furchtbar."

„Aber?", fragte Stegi und lehnte sich näher zu ihm. „Was sonst?"

„Er hat mich umarmt, mir gesagt, ich soll mir endlich einen Freund zulegen, und dann meinte er noch, er schlägt jeden zusammen, der mich wegen meiner Sexualität scheiße behandelt."

„Aw", kommentierte er nur. „Das ist schon niedlich."

„Aber er ist so klein, ich hab Angst um ihn, wenn er das macht."

Stegi lachte. „Max macht das schon, der ist stark."

Und dann stand plötzlich die Wohnung voller Umzugskartons und Koffer und sie verbrachten die letzte Nacht in einer bis auf die Möbel leeren Wohnung. Für den letzten Tag hatte Stegi Tim eingeladen, denn man musste ja die Zeit ausnutzen, die einem blieb. Und viel Zeit hatten sie jetzt wirklich nicht mehr.

„Das sieht echt gespenstisch aus." Tim öffnete Stegis nun leeren Schrank und deutete auf die leeren Regalbretter. „Was ist mit den Möbeln? Lasst ihr die hier?"

„Wir ziehen so häufig um, es wäre sinnlos, die jedes Mal abzubauen und wieder aufzubauen. Wir mieten möbilierte Wohnungen. Gibt sogar extra Wohnungen, die man nur für bestimmte Zeit mietet, die sind dann voll ausgestattet und so. Wir nehmen immer nur den persönlichen Kram mit."

„Keine peinlichen Kinderzeichnungen an den Wänden?"

„Die sind noch irgendwo in Berlin. Gott, der arme Vermieter. Damals konnte ich echt noch nicht zeichnen." Er hatte nur Fotos davon gesehen, was er mit der Tapete angestellt hatte, als er vier Jahre alt gewesen war, aber das reichte schon, um es witzig zu finden. „Wo sind denn deine peinlichen Kinderzeichnungen?"

„Gut versteckt hinter meinem Kleiderschrank", lachte Tim. „Eine simple Lösung."

„Und ich dachte schon, ich könnte sie sehen, aber ich will das Ding dann doch nicht verschieben. Hab ja eh keine Zeit mehr."

„Aber du kommst noch mal vorbei, richtig? Ostern oder so."

„Weihnachten kommst du vorbei. Bei mir!"

„Ich hab's versprochen." Lächelnd ließ Tim sich aufs Bett fallen und griff nach Stegis Handy. „Musik? Ein letztes Mal? Was ist dein Code?"

„Ein letztes Mal? Du überdramatisierst."

„Musst du grad sagen, Mister Dramaqueen."

„Gib schon das Handy her", verlangte er und schnappte Tim sein Smartphone aus der Hand, um es zu entsperren.

„Fingerabdruck? Das ist unfair, da muss ich dir ja die Finger abschneiden, um dein Handy zu knacken."

„Erstens gibt es einen normalen Code, den du nie erfahren wirst, und zweitens können iPhones angeblich registrieren, ob ein Finger lebt oder nicht."

Tropfen im Meer  [Stexpert]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt