40. Kapitel | Einfach Reden

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Ijust need to get it of my chest, yeah, more than you know


Gerade, als Stegi dem Mann vor ihm einen Fünf-Euro-Schein hinschob, klopfte ihm jemand von hinten auf die Schulter. Erschrocken fuhr er zusammen und drehte sich um – nur, um einen grinsenden Oskar vor sich zu sehen. „Na, gut erholt von der Party?"

Stegi nickte bloß.

„Kaufst du mir nen Kaffee mit? Hab kein Geld dabei."

Seufzend drehte er sich zu dem Mann um, der gerade angefangen hatte, das Rückgeld herauszusuchen. „Noch einen entkoffeinierten Kaffee, bitte." Stegi steckte die fünfzig Cent, die der Mann ihm hinschob, in die Box für das Trinkgeld, nahm seinen eigenen Kaffee und setzte sich schonmal an den Fenstertisch, der irgendwie ihr Stammtisch geworden war.

Er hatte es erstaunlich gut geschafft, der Gruppe für die erste Hälfte des Tages aus dem Weg zu gehen. Okay, er hatte ein paar Fächer mit ihnen, aber er war immer noch erstaunlich gut darin, einfach schnell aus dem Raum zu verschwinden. Und die Pausen verbrachte er halt in den Ecken, in denen kein vernünftiger Mensch sich aufhielt. (Also überall, wo große Gruppen Fünftklässler anwesend waren.)

„Hey, danke für den Kaffee." Oskar setzte sich vor ihm him. „Tim also, hm?"

Genau deswegen hatte er sie nicht sehen wollen. Vielleicht konnte er lange genug Kaffee trinken, um einer Antwort aus dem Weg zu gehen. Wenigstens der Versuch war es wert, fand Stegi, obwohl Oskar die Tatsache, dass er nichts sagte, wohl genügte.

„Woher kennst du ihn?"

Stegi setzte den Kaffee ab und verfluchte seine beschissene Idee, weil der echt heiß gewesen war. „Schule."

„Ernsthaft? Witzig."

Warum genau das witzig war, erschloss sich Stegi nicht ganz, aber er verstand Oskar generell öfter nicht. Schließlich trank der Typ gerade Kaffee ohne Koffein. „Eigentlich so ein bescheuertes Filmprojekt in so nem Medienfach. Wir haben gezwungenermaßen zusammengearbeitet. Das Thema war Einsamkeit."

„Und dadurch seit ihr Freunde geworden? Ist ja noch witziger", fand Oskar.

„Ich hatte davor quasi gar keine Freunde." Er grinste schief. „Bin nicht so der soziale Mensch. Und Tim hatte schon Freunde, aber die waren halt irgendwie scheiße. Aber er war immer relativ beliebt. Ohne dieses Fach hätten wir uns nie kennengelernt."

„Mauerblümchen und cool Kid? Das ist fast zu klischeehaft."

„Na ja." Lachend lehnte Stegi sich in seinem Stuhl zurück. „Aber ich hab ihn ehrlich für cool gehalten. Diesen gottverdammten Nerd."

„In den du verknallt bist."

„Leider", murmelte er. „Ich könnte doch auch einfach so zufrieden sein, oder? Wir sind Freunde. Verdammt gute Freunde. Und wenn wir mal ignorieren, wie weit er weg wohnt, dann wäre es doch perfekt so. Aber nein, irgendein Idiot musste sich ja verlieben und fuck." Irgendwie wusste er auch nicht, warum er so offen mit Oskar war. Vielleicht, weil Oskar Tim nicht kannte und selbst nicht hetero war und er darum ja quasi nichts zu verlieren hatte, richtig? „Ich hab ja eh keine Chance."

„Er ist hetero, was?" Oskar lächelte mitfühlend. „Ich weiß, dass ist scheiße."

„Er ist schwul."

Für ein paar Sekunden starrte Oskar ihn an. Dann lachte er. „Das ist doch ideal? Und du hast keine Chance warum?"

„Weil wir echt gute Freunde sind. Freunde. Und Tim eh nichts anderes als mit mir befreundet sein will, weißt du? Ich hab ja auch nicht ne Chance mit jedem Mädchen, dass ich kenne."

Tropfen im Meer  [Stexpert]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt