49. Kapitel | Merry Christmas

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You don't have to say I love you to say I love you

Im Radio spielten sie Last Christmas.

„Irgendwie absurd, dass ausgerechnet das der beliebteste Weihnachtssong ist", fand Stegi, der auf der Küchentheke saß, während Tim am Tisch lehnte. „Der Text ist jetzt ja nicht unbedingt, nun ja, positiv."

Tim zuckte mit den Schultern. „Ich meine, irgendwie schon. Aber man kann es eben gut mitsingen."

Seufzend schaltete Stegi das Radio aus, dass rechts von ihm stand. Neben dem Toaster. Warum auch immer sie das beim Einrichten für eine gute Idee gehalten hatten. „Wenn man nicht gerade unfassbar genervt davon sind."

„Last Christmas I gave you my heart", stimmte Tim grinsend an (und er konnte wirklich nicht singen), „But the very next day, you gave it away. This year, to save me from tears, I give it so someone special, speeeciaa-"

„Alter." Stegi warf ihn mit ein paar Toastkrümeln ab, die noch neben dem Toaster lagen. „Halt die Fresse. Ich hatte eh schon einen Ohrwurm."

Tatsächlich brachte das Tim zum Schweigen. Stattdessen nahm er sich ein Glas aus dem Schrank. „Auch was trinken?" Stegi zuckte mit den Schultern. Anscheinend interpretierte Tim das als Nein, denn er füllte nur sein Glas. „Was machen wir heute so?"

Das war tatsächlich eine verdammt gute Frage. Es war Weihnachten. Beziehungsweise, es war Heiligabend. Noch war es aber nicht Abend, sondern viel mehr Heilignachmittag, und damit mit die merkwürdigste Zeit des Jahres. Um wirklich raus zu gehen, war es eigentlich schon zu spät, schließlich war das hier eigentlich eher so ein Familientag.

Um nichts zu tun, war die Zeit, die sie noch hatten, bevor sie mit dem Weihnachtsessen beginnen würden, aber auch wieder zu lang. Außer saßen sie in der Küche und hatten sich über die Songs unterhalten, jedenfalls, bis Stegi das Radio ausgeschaltet hatte.

„Bei wem aus deiner Clique da feiern wir eigentlich Silvester?", fragte Tim schließlich.

„Von einem Feiertag gleich zum nächsten, oder was?", schmunzelte Stegi. „Bei Oskar. Keine Ahnung, wo der Typ wohnt, aber er hat mir eine Adresse geschickt und es fährt wohl ein Bus hin. Oh, und wir dürfen da pennen, ich hab schon gefragt."

„Ich hätte auch echt keine Lust, um die Uhrzeit noch nach hause zu fahren. Also – zu dir."

Vielleicht war das ja auch so etwas wie zuhause für Tim. Am liebsten hätte Stegi gefragt – aber das war dann doch etwas zu kitschig. Stattdessen sprang er von der Küchentheke und grinste Tim an. „Hey, Timmi – Was hältst du davon, wenn ich dir Kinderfotos zeige?"

„Was?"

„Kinderfotos. Ich dachte, du willst vielleicht mal sehen, wie hässlich ich da aussehe, und meine Mutter hat die eh rausgesucht, weil sie sich an Weihnachten immer nochmal alte Fotos anschaut."

„Oh Gott." Tim grinste unfassbar breit. „Und wie ich dich als kleinen Hosenscheißer sehen will anstatt als, nun ja, nicht mehr ganz so kleinen Hosenscheißer."

„Nicht mehr ganz so klein? Was soll das denn jetzt heißen?"

Tim antwortete nicht, sondern stützte einfach nur seinen Arm auf Stegis Kopf ab. (Zugegeben, dafür musste er sich auf die Zehenspitzen stellen und es sah nicht gerade nach einer natürlichen Armhaltung aus, aber er hätte ihn trotzdem dafür umbringen können.)

Seufzend duckte Stegi sich unter Tim weg, was den zum Stolpern brachte, und machte sich auf den Weg ins Wohnzimmer. Die Couch war ziemlich unordentlich, weil Lucy dort schlief (für irgendwas hatten sie ja ein Schlafsofa), aber Stegi schob die Decke beiseite und legte die Bücher auf den Boden, ehe er die Fotoalben nahm und sich hinsetzte.

Tropfen im Meer  [Stexpert]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt