24. Kapitel | Da Sein

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Kapitel 24. | Da sein
I believe that youfell so you would land next to me


„Und es ist offiziell, ich habe Französisch verhauen." Tim schloss leise die Tür des Klassenraums hinter sich und gesellte sich zu Stegi, der im Flur auf ihn wartete. „Ganz im Ernst, ich konnte Sprachen noch nie, aber so schlecht..."

„Wir haben echt zu wenig gelernt", bemerkte Stegi und machte sich auf den Weg aus dem Gebäude. „Aber es ist ja nicht so, dass grad nicht genug Scheiße in deinem Leben los wäre."

„Vielen Dank auch."

„Hey, wir stecken da zusammen drin, du nur ein bisschen tiefer." Er grinste schief. „Kaffee?"

„Weißt du was?", murmelte Tim. „Ich hatte so wenig Schlaf heute, ich nehme das Angebot sogar an."

„Warum schläfst du eigentlich nicht die letzten Tage? Du belehrst mich doch immer, ich solle mehr schlafen."

„Musste lernen. Nicht, dass es was gebracht hätte, aber..." Er zuckte mit den Schultern. „Was willst du machen?"

„Meintest du nicht vorhin noch, du wärst so dumm gewesen, dir den Stoff gestern überhaupt nicht anzuschauen? Wirklich alles okay?" Stegi musterte seinen Freund – Er sah müde aus, ja, aber vor allem erschöpft. Oh verdammt, er wünschte, er wüsste, was man in solchen Situationen sagte. Und ob es überhaupt gut war, Tim darüber auszufragen, aber ob er ihn lieber alleine lassen sollte.

„Ja, ist alles gut, außer, dass ich mir viel zu viele Sorgen um nichts mache. Kennst das ja, vielleicht."

„Über was genau?"

„Das fragst du noch?" Tim lächelte, aber es war nicht wirklich überzeugend. „Ist ja nur so, dass mein ehemaliger Freundeskreis mich jetzt hasst, und das spätestens, seit ich ihnen gesagt habe, ich wäre schwul, so, dass sie es jetzt der ganzen Schule erzählen können, wenn sie wollen. Dazu kommt noch, dass mir diese Leute ja schon irgendwie wichtig sind, verdammt, auch, wenn das dumm ist. Immerhin hatte ich jahrelang mit ihnen zu tun – Sie sind mir nicht egal. Ich aber ihnen, anscheinend. Und eigentlich wäre es nur logisch, sie auch zu hassen, aber das... Es geht nicht, weißt du? Es geht nicht und das macht mich verrückt."

„Weil es keinen Sinn ergibt."

„Genau. Es ergibt ja auch keinen Sinn, verdammt! Und eigentlich kann ich Jan und Mo ja echt nicht leiden, aber irgendwo in mir ist da halt noch dieser kleine Teil, der sie mag und die ganzen Leute, meine Mutter und so, die dazu auch noch fragen, warum sie die vier denn nicht mehr sieht, und ich kann's ihr nicht vernünftig erklären, weil es keine vernünftige Erklärung gibt."

„Doch." Stegi blieb eine Straßenecke vor dem Bäcker stehen und wartete darauf, dass Tim es ihm gleichtat. „Hey, wenn es eine Person auf dieser Welt gibt, die du nicht nach Rat über deine Freundschaften fragen solltest, bin ich das, aber du weißt ja, was für eine furchtbar nachtragende und unfreundliche Person ich sein kann, aber... Es gibt auch Leute, die mir wichtig sind, ja? Natürlich, das ist nicht dasselbe. Nicht einmal ansatzweise. Aber ich habe einigen Leuten schon zig Nachrichten geschickt und sie tausendmal angerufen und bis spät in die Nacht wachgelegen, um auf Antworten zu warten, und nie kam irgendwas. Ich habe sie dafür gehasst und trotzdem nicht damit aufgehört, denn natürlich waren sie mir wichtig. Besonders, wenn ich in einer neuen Stadt war, wo ich niemanden kannte und... Na ja. Was ich damit sagen will, ist eigentlich nur, dass ich dich verstehen kann. Und dass es normal ist, weißt du? Nicht unlogisch."

„Natürlich ist es unlogisch, dieser ganze Gefühlskram ergibt ja generell eher wenig Sinn."

„Aber es ist okay", meinte Stegi. „Solange du einsiehst, dass sie eben scheiße sind, geworden sind, wie auch immer. Mach dir da nicht so viele Gedanken darüber."

Tropfen im Meer  [Stexpert]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt