32. Kapitel | Weihnachtsbäckerei

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Wir meinten immer nureinander, wenn wir Glück sagten

Am nächsten Morgen stand Stegi vor Tims Haustür und betrachtete nur so halb interessiert die unzähligen Pfützen im Garten. Wobei Morgen eher relativ war – Für Stegis Verhältnisse war es schon noch früh. Aber nachdem er gestern Abend noch ewig mit Tim geschrieben hatte, freute er sich wirklich darauf, ihn wiederzusehen, und dafür konnte er dann auch mal etwas früher das Haus verlassen.

Als Tim die Tür öffnete, sah er zu Stegis Überraschung auch noch ziemlich verpennt aus. „Morgen", murmelte er, als Stegi den Flur betrat, „Hätte noch nicht mit dir gerechnet."

„Man muss die Zeit nutzen."

„Ja", stimmte Tim ihm zu. „Muss man vermutlich."

„Und? Irgendwelche Pläne für heute?"

„Wollten wir nicht diesen Film da gucken?"

„Keinen Bock." Gähnend schälte Stegi sich aus seiner Jacke und stellte seine Schuhe in den Flur. „Der wird eh furchtbar kitschig und das Ende viel zu traurig, und, ich weiß auch nicht, Filme gucken kann ich auch alleine."

„Aber keinen durchgängigen Audiokommentar dazu abgeben."

„Du hast offensichtlich noch nie gesehen, wie ich alleine Filme gucke."

„Und werde ich tragischer Weise auch nie. Also? Was dann?"

Er zuckte mit den Schultern. „Müssen wir den Scheiß da nicht irgendwann noch zu Ende filmen?"

„Es sind Ferien."

„Okay, dann eben nicht", antwortete er augenrollend. „Aber irgendwas Anderes? Vielleicht?"

„Das Wetter ist okay, aber nicht gut genug, um draußen irgendwas zu machen, oder?"

„Nicht wirklich", gab Stegi zu, und dann, ein paar Sekunden später: „Backen!"

„Backen?", fragte Tim und zog eine Augenbraue hoch.

„Ja. Backen. Backen kann ich auch. Ein bisschen jedenfalls."

Tim zuckte mit den Schultern. „Also Backen."

„Also Backen!", bekräftigte Stegi, auf einmal absolut begeistert von der Idee, die eigentlich nur ein spontaner Einfall gewesen war. Sowas machten Menschen doch, wenn ihnen langweilig war, oder? Einen Film schauen. Oder rausgehen. Oder eben backen. Und bei letzterem konnte man sich sogar noch unterhalten. „Aber irgendwas so richtig furchtbar Weihnachtliches, weißt du? Vanillekipferl oder so. Es gibt schon die ersten Schokoweihnachtsmänner in den Läden, dann darf man das, okay?"

„Es ist Anfang November?" Ein wenig irritiert wirkte Tim ja schon, aber Stegi lachte nur und griff nach seiner Hand, um ihn in die Küche zu ziehen.

„Was habt ihr denn so an Zutaten da? Kannst du mal ein Rezept googlen?"

Während er die Schränke durchsuchte, obwohl er sich in Tims Küche wirklich nicht auskannte, tat Tim also genau das. „Weißt du, wie du dich manchmal in Sachen so reinsteigerst, das ist schon irgendwie süß", meinte er und scrollte dabei durch irgendeine Seite, die Stegi nicht erkennen konnte.

Für Bruchteilsekunden blieb Stegi mit dem Mehl in der Hand stehen und stellte es dann ein wenig zu stark auf den Tisch. „Ich bin nicht süß", sagte er einfach das erste, dass ihm durch den Kopf schoss. Allein schon, weil er nicht wusste, was er darauf bitte sonst antworten sollte.

„Kannst du mal gucken, ob wir gemahlene Mandeln dahaben?", ging Tim einer Antwort darauf aus dem Weg.

Ein wenig zweifelnd sah er sich in der Küche um. Wo bewahrte diese Familie denn sowas auf? Auf gut Glück öffnete er einfach die erstbeste Schublade – Und ausnahmsweise schien das Schicksal mal auf seiner Seite zu sein. „Gefunden!" Er lehnte die Tüte gegen das Mehl und suchte dann gemeinsam mit Tim noch die restlichen Sachen zusammen. Es grenzte an ein Wunder, aber tatsächlich mussten sie nichts einkaufen.

Tropfen im Meer  [Stexpert]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt