Kapitel 7

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Der nächste Tag begann wunderbar. Ich hatte verschlafen. Als ich dies dann endlich realisiert hatte sprang ich aus dem Bett stolperte und fiel geradewegs hin, wobei ich mir anscheinend mein rechtes Handgelenk verletzt hatte. Und das als Rechtshänder, am zweiten Schultag. Ich schimpfte einige Flüche vor mich hin und lief, mir das Handgelenk reibend, ins Bad, diesmal mit einer etwas gemäßigteren Geschwindigkeit.

Da die Zeit nicht mal mehr zum Frühstücken gereicht hatte, saß ich nun reichlich angepisst, mit schmerzendem Handgelenk und knurrenden Magen in meinem Polo, auf dem Weg zur Schule.

Als ich auf dem Schulgelände ankam, es hatte gott sei dank noch nicht geklingelt, stieg ich langsam aus dem Wagen aus, knallte aber dennoch die Tür fester zu als nötig.
Hochgradig gereizt machte ich mich auf den Weg ins Schulgebäude, wobei mich die gaffenden Blicke meiner Mitschüler heute noch mehr nervten, als am vorherigen Tag. Und als ich dann noch sah wie Mike auf mich zugerannt kam, mit breitem Grinsen im Gesicht, gab ich die Hoffnung auf, dass heute vielleicht doch noch ein guter Tag werden könnte. "Hey Nina! ... Nina!" Wiederholte er sich, als ich beim ersten Mal nicht reagierte. Wütend drehte ich mich zu ihm um und blieb stehen. Tief ein- und ausatmen dirigierte ich mich selbst. "Hallo Mike. Was gibt es denn so Wichtiges?!" Fragte ich dennoch mit gereiztem Unterton. Dies schien sein ohnehin schon sehr kleines Selbstbewusstsein noch mehr schrumpfen zu lassen. Er kratzte sich am Kopf und zögerte: " Also eigentlich, ich meine, ich wollte nur fragen ob du vielleicht, also nur wenn du Zeit hast und ähm bock hast, also..." Als er immer noch nicht mit der Sprache rausgerückt war unterbrach ich ihn ungeduldig: "WAS? Mike! Jetzt rück endlich mit der Sprache raus!" In meinem Kopf warf ich ihm dabei sämtliche Flüche an den Kopf, die ich in Deutsch, Englisch, Spanisch und Latein kannte, und das waren viele. Sehr viele. Ich hörte ein unterdrücktes Lachen, das schon fast in ein Grunzen überging und als ich mich umgedreht hatte, um das Geräusch zu lokalisieren, sah ich Edward Cullen an seinem Auto gelehnt breit grinsen. Seine restlichen Geschwister sahen ihn allerdings genauso ratlos an wie ich. Nachdem ich mich wieder zu Mike umgedreht hatte, schien dieser seinen Mut wieder gesammelt zu haben und fragte: " Ich wollte nur fragen ob wir beide nicht mal was zusammen machen wollen? Also ausgehen oder so..?" Ich seufzte innerlich, und wenn er der letzte Mensch auf diesem Planeten wäre, nein, nein und nochmals nein. Ich drehte mich von Mike weg und lief weiter auf die Schule zu, ihn ignorierte ich bewusst. Wie kann man bloß nicht bemerken dass eine Person einen so offensichtlich nahezu überhaupt nicht leiden kann? Mike schien allerdings noch nichtmal mein offensichtliches Ignorieren als einen Hinweis zu verstehen und lief mir nach. "Und? Was meinst du?" Was ich meine? Das wollte er bestimmt nicht hören. Ganz bestimmt nicht. Ich blieb also abermals stehen und drehte mich zu Mike: "Hör zu Mike, ich hab einen Freund. Also nein. Ich möchte nicht mit dir ausgehen. Hab ich mich klar genug ausgedrückt?" Er fuhr sich durch die Haare und seine Wangen nahmen den Ton einer überreifen Tomate an: " Du hast... achso naja, ähm.... ich mein, kein Problem! Nicht schlimm...". Als ich mich dieses Mal umdrehte, um endlich die Schule zu betreten, sah ich aus dem Augenwinkel, dass Edward mir stirnrunzelnd nachsah. Und auch die Blicke seiner Geschwister schienen an mir zu haften.

Ich hatte richtig vermutet. Ich konnte mit meiner rechten Hand nur noch unter Schmerzen schreiben, so dass ich nur spärlich im Unterricht mitkam.
Als es zur 3. Stunde klingelte verspürte ich freudige Aufregung, da ich das erste Mal Psychologie hatte. Und ich liebte Psychologie, obwohl es das Fach leider nicht auf meiner Schule in Deutschland gegeben hatte. Dafür besaß ich aber eine Reihe an Büchern über Körpersprache und die Motive von Kriminellen, wie Massenmördern etc.. Ich hatte mich schon früh für die Körpersprache interessiert, weil, so schien es mir zumindest, es die einzige Sprache ist, in der die Menschen nicht lügen, beziehungsweise lügen können. Die Bücher halfen mir herauszufinden wer mich anlügt und wer sich mir gegenüber wohl oder unwohl fühlt. Es faszinierte mich schon immer, mehr über die Menschen zu wissen, als diese mir preisgeben.
Nachdem ich mich beim Lehrer kurz vorgestellt hatte, setzte ich mich an den leeren Tisch ziemlich weit rechts im Raum, welcher zu meinem Leidwesen meilenweit vom Fenster und somit der einzigen natürlichen Lichtquelle entfernt stand. Und ich bin ein Mensch, der Licht braucht, um gute Laune zu haben, weil Tageslicht eine so natürliche Wärme ausstrahlte und künstliches Licht hingegen mich immer an ein Arztzimmer erinnerte. Ich schauderte leicht bei dem Gedanken. Als sich der Stuhl neben mir bewegte stellte ich fest, dass ich tatsächlich wohl sehr tief in Gedanken versunken war.
Das Gesicht, das ich gemacht habe, als ich festellte, dass niemand anderes als Jasper Hale neben mir saß, musste wohl sehr komisch ausgehen haben, denn ein belustigtes Grinsen schlich sich auf sein Gesicht. "Hallo, ich bin Jasper Hale." Er hielt mir seine Hand hin und ich schüttelte sie überrascht, denn trotz der offenen Geste, war mir seine versteckte Distanzierung nicht entgangen. Er hatte sich zurückgelehnt und saß auf der äußersten Kante seines Stuhles. "Nina Balvert." Stellte ich mich auch kurz vor. Er runzelte sofort die Stirn und schien zu überlegen: "Darf ich fragen woher du kommst?" Jetzt war es an mir die Stirn zu runzeln. Er war, anders als der größte Teil meiner Mitschüler, sehr aufmerksam. Ihm hatten zwei Wörter gereicht, um zu erkennen, dass ich nicht von hier kam. "Ist mein englisch so schlecht?" Fragte ich leicht schmunzelnd, um vom Thema abzulenken. Allerdings ohne Erfolg, er sah mich immer noch durchdringend an. Als mir sein Blick zu unwohl wurde, drehte ich mich nach vorne, um den Unterricht zu folgen, der gerade begonnen hatte. "Deutschland." Sagte ich leise, ohne meinen Kopf zu ihm zu drehen.
Zu meinem großen Glück hatten wir momentan in Psychologie das Thema Menschen und ihre Motive. Ich mochte das Thema. Für mich waren die meisten Menschen mit ihren Beweggründen leicht zu durchschauen. Deshalb und wegen meinem verletzten Handgelenk, entschied ich mich deshalb, dass ich auf das Mitschreiben verzichten könnte. Ein Fehler, wie sich herausstellte. "Miss Balvert langweile ich sie?" Fragte mich plötzlich der sehr gereizte Lehrer mit bösem Blick. Ich runzelte die Stirn: "Ich denke gerade über ihre Motive nach, weshalb sie zu solch einem Schluss geraten könnten." Ich hörte einige meiner Mitschüler kichern, der Lehrer hingegen schien dies allerdings überhaupt nicht lustig zu finden: "Vielleicht fällt es Ihnen leichter meine Motive beim Nachsitzen zu verstehen und dazu haben sie auch bald die Chance, wenn sie jetzt nicht anfangen mitzuschreiben." Wow, der hatte eindeutig Agressionsprobleme oder einen Minderwertigkeitskomplex. Aber da ich auch keine Lust auf Nachsitzen hatte, nahm ich meinen Kugelschreiber in die Hand und drückte die Miene raus, immer noch den Lehrer ansehend. Dieser tat dies mit einem missmutigen Nicken ab und fuhr mit dem Unterricht fort.

Nach 10 Minuten schreiben, tat mir mein Handgelenk abartig weh und ich hätte ernsthaft heulen können, allerdings wollte ich mir vor diesem Arsch von Lehrer nicht die Blöße geben. Meine Hand zitterte immer mehr und ich wurde immer unruhiger, da ich in einer verzwickten Situation war. "Was ist los? " Fragte mich da plötzlich eine leise aber sanfte Stimme. "Nichts." Zischte ich, halb verzweifelt, halb wütend. Plötzlich nahm er mir den Kugelschreiber aus der Hand und drehte sich nun auch mit dem Oberkörper zu mir. Ich spürte seinen eindringlichen Blick auf mir und da er meinen einzigen Stift in der Hand hatte blieb mir nichts anderes übrig als ihn ebenfalls anzusehen. "Also?" Fragte er wieder, diesmal mit mehr Nachdruck. "Gib mir meinen Kugelschreiber zurück." Sagte ich zähneknirschend. Er streckte den Kugelschreiber zu mir aus und als ich ihn gerade entgegennehmen wollte hielt er meine Hand fest. Er legte den Kugelschreiber ans andere Tischende und hielt immer noch meine Hand fest, die er nun skeptisch betrachtete. "Dein Handgelenk ist angeschwollen. Was ist damit?" Er schien schon fast wütend zu sein, obgleich ich den Grund dafür nicht verstand. "Ist doch egal." Zischte ich und wollte ihm die Hand entziehen, doch er hielt sie fest. Er schien nun wirklich wütend zu sein. "Mr. Mason, Miss Balvert geht es nicht gut, ich werde sie an die Luft begleiten." Sagte er plötzlich laut und in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. Der Lehrer nickte nur irritiert und auch die anderen Schüler schienen überrascht davon, dass Jasper etwas gesagt hatte und vor allem wie er es gesagt hatte. Jasper stand auf und mir blieb nichts anderes übrig als auch aufzustehen und den Raum zu verlassen. Er legte seine eine Hand, wie zur Bestätigung, dabei auf meinen Rücken und schob mich sanft aber bestimmt aus dem Raum und raus auf den Pausenhof. "Was ist mit deiner Hand passiert?" Fragte er wieder, er schien immer noch über irgendetwas verärgert zu sein. Ich seufzte leise: "Ich bin hingefallen und hab mir ein bisschen an der Hand wehgetan. Halb so schlimm. Und kein Grund um so ein Drama abzuziehen." Er runzelte die Stirn: "Kein Grund um so ein Drama abzuziehen?! Du sitzt mit starken Schmerzen im Unterricht obwohl du eigentlich bei einem Arzt sein solltest. Ich denke es ist durchaus berechtigt dann ein 'Drama' abzuziehen, wie du es nennst!" Ich sah ihn mit offenem Mund an. "Und was geht dich das bitte an?! Wir kennen uns doch gar nicht!" Jetzt war ich auch sauer, obwohl ich es zugleich ja auch irgendwie süß von ihm fand. "Mehr als du glaubst. Und jetzt komm." Jetzt verstand ich gar nichts mehr. "Vergiss es!" Sagte ich wütend und drehte mich um, um zu meinem Spind zu gehen. Ich öffnete die Spindtür, nahm meine Jacke und meine Autoschlüssel. Ich hatte genug für heute. Ich würde einfach schwänzen. Am zweiten Schultag. Nichts auf das man stolz sein konnte, aber ich hatte die Nase wirklich gestrichen voll. Ich erschrak leicht als ich mich umdrehte und Jasper vor mir sah. Mein Gott kann der mich nicht einfach in Ruhe lassen. "Was hast du vor?" Fragte er skeptisch mit Blick auf den Autoschlüssel in meiner Hand. Nein er konnte mich anscheinend echt nicht in Ruhe lassen. Zu meinem Glück klingelte es aber genau dann und alle Schüler stürmten in die Flure. In diesem Moment des Chaos verschwand ich leise von meinem abgelenkten Gegenüber.

Tatsächlich hatte ich es bis zu meinem Auto geschafft und stieg nun schnell ein. Als ich losfuhr konnte ich noch im Rückspiegel sehen wie Jasper mit einigen seiner Geschwister durch die Türen nach draußen trat. Sein Blick fand direkt meinen im Rückspiegel. Ich sah wie der große muskulöse Mann, Emmett glaube ich, ihn mit einer Hand zurückhielt.

Als ich Zuhause ankam überkam mich Erleichterung. Tatsächlich hatte ich gedacht, dass die Oberflächlichkeit meiner Mitschüler das Schlimmste war, allerdings war die Genauigkeit von Jaspers Analysen weitaus schlimmer für mich als alles andere. Sonst hatte ich immer alle das glauben lassen können, was sie glauben sollten. Sie waren leicht zu manipulieren. Aber ER, er sah direkt durch meine Augen im meine Seele und es war unnötig ihn anzulügen, da er eh immer die Wahrheit zu kennen schien.

Ich hatte es mir den restlichen Morgen auf der Couch bequem gemacht und wollte gerade beginnen mir mein Mittagessen zu kochen, als es klingelte. Ich zog eine Augenbraue hoch, niemand wusste wo ich wohnte, nur die Angestellten der Schule hätten es meiner Schulakte entnehmen können. Ich runzelte die Stirn und schlürfte zur Tür, darauf bedacht die Tür mit meiner linken Hand zu öffnen. Aber hätte ich diese Tür bloß nicht geöffnet, denn vor mir erschien ein wirklich wütend und zugleich abgrundtief besorgt aussehender Jasper. Und noch bevor ich die Tür wieder zuknallen konnte, hatte er bereits seinen Fuß in der Tür: "Denk. Nicht mal.dran." Sagte er langsam und leise, nahezu bedrohlich und drückte die Tür wieder weiter auf.

Die Deutsche in Forks (Twilight, Jasper Ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt