57| ❝Ich wollte nie derjenige sein der weint...

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57|Ich wollte nie derjenige sein, der erbitterlich weint, ich bin doch der Held, der keine Tränen zeigt...❞ - Nolan.


Leany|,,Erzählt mir etwas über Euch, Liebste." Das Strahlen in Harolds Augen schien greller als jedes noch so helle Licht. Konzentriert hob er eines der schweren Blöcker in die Höhe, die vom Bunker geblieben waren. Der Schweiß rann von seiner Stirn hinunter, während ihm seine Locken wirr im Gesicht hingen. ,,Du kennst mich besser als ich mich kenne, Harold. Was willst Du wissen, was Du nicht schon weißt?" Lachend trug ich eines der schweren Blöcker hinter Harold her, stellte ihn schweratmend auf die Seite. Kalt-heißer Schweiß rann mir die Stirn runter, während mein Körper vor Belastung und Kälte bebte. Ich war mir sicher, dass sowohl Harold als auch ich uns eine Erkältung holen würden, sobald wir wieder das Innere des Schlosses betreten würden, denn wir arbeiteten seit fünfeinhalb Tagen an dem Schutt der von dem Bunker zurückgeblieben war und trugen den Rest der Erinnerungen davon. Harold hätte abgeschlossen, so meinte er, und würde das zurückgebliebene aufeinanderstappeln um all das was von seiner Familie übrig gewesen war zu beerdigen. Einunddreizig Tage vergingen seit unserem letzten Gespräch und es schien, als würden die Lasten auf Harolds Schultern ihn nicht mehr in den Abgrund stießen wollen, beinahe so, als wäre der Schmerz von ihm gegangen, seitdem wir das Rätsel gelöst hatten. Harold begann zu Essen, er nahm sich den benötigten Schlaf und die Ruhe, die er aufgrund all der Jahre nicht mehr hatte. Sein Herz schlug wild gegen seine Brust und selbst die Ruhe und der Frieden in seinem Innern kehrte zurück, so meinte er mit vollem Glanz in seinen Augen und dem tiefstrahlendem Grün seiner Augen, dass er nun den Schmerz verspürte, wenn er sich verletzt hatte. Und was für manch andere absurd kling, war für Harold Jahre lang ein Wunsch, der vor genau einunddreizig Tagen in Erfüllung gegangen war - er schien wieder sterblich zu sein, so als wäre er aus den Fängen des Hasses und dem Fluch entkommen. Was für manche unerträglich schien, war für Harold solch ein schönes und zugleich fremdes Gefühl, denn er begann einen anderen Schmerz zu verspüren und die vielen verschiedenen Emotionen die er verspürte, tobten wild in seinem Innern umher, zeigten ihm all das, was er vergaß, weil der Hass und der ständig selbe Schmerz sein Herz umfingen und ihn nicht losließen. Lachend schüttelte er den Kopf. "Stimmt, Liebes." Erschöpft wischte er sich den Staub von der Stirn, ehe er mir grinsend beim tragen eines Blockes half. ,,Erzähl Du mir etwas, Harold." Schweratmend trugen Harold und ich den Block in die entgegengesetzte Richtung. ,,Was wollt ihr hören, Liebes?" Den Dreck von der Hose wischend, blickte er fragend zu mir. ,,Etwas, was ich nicht schon weiß.", sagte ich. ,,Etwas worüber du gerne zurückdenkst. Ein Ereignis zum Beispiel oder Personen an die Du dich gern zurückerinnerst." ,,Damals", begann er, den Blick konzentriert auf den Boden gerichtet, Mundwinkel minimal in die Höhe gehoben. ,,Da waren Schwester und ich in den Wald gegangen. Wir hatten uns eine Art Hütte gebaut, in der wir lebten wie bedürftige Kinder. Schwester und ich verabscheuten das Reichtum von Mutter und Vater, er machte uns zu Menschen, die wir nicht waren. Die endle Kleidung die Mutter und Vater uns täglich bereit legten wechselten wir durch wertlose Kleidung, die wir einst stehlten - Mutter hätte uns gefesselt in den Kerker gesetzt, hätte sie gehört, welch wertlose Kleidung, so würde sie meinen, Schwester und ich in der Öffentlichkeit gekauft hätten." Ein Lächeln formte seine spröden Lippen, ehe er seinen Kopf leicht schüttelte und erneut das Wort ergriff. ,,Wisst Ihr, Liebes, die Hütte war meine Freiheit, denn im Anwesen meines Vaters, da herrschten Regeln, die mir die Freiheit raubten. Mutter und Vater hatten uns ein zweites Gesicht gegeben - unser wahres hatten wir nicht zeigen dürfen, es war ihnen nicht gehoben genug. Eines Tages, da folgte uns der Nachbarsjunge, durch dessens Verrat unsere Hütte in Schutt und Asche gelegt wurde und nur mehr in unseren Erinnerungen Existenz war. Trotz der Tatsache, dass unser Zuhause -außerhalb das von Vater und Mutter- vernichtet wurde, war es eine von wenigen Erinnerungen, bei dem der Gedanke zurück nicht schmerzt." Tief atmete er die Nachtluft in seine Lungen, den Schmerz in seinen Gelenken drückten seine Augen aus, während er schwieg und die letzten großen Blöcke auf den Stapel legte. "Ich gedenke, es wäre soweit, die Trauer fortzuführen." Nervös wanderte sein Blick auf den Haufen, den wir zusammen gelegt hatten, denn das war alles was übrig blieb, etwas was für Harold Bedeutung trug, worin manch andere nur etwas kaputtes sinnloses sahen. Nickend stieß ich die Luft aus meiner Kehle, schloss für den Bruchteil einer Sekunde meine Augen, um mich für den nächsten Schritt vorbereiten zu können. Die Flamen der Kerzen, die Harold und ich zum Leben erweckt hatte, warfen Schatten in die Dämmerung, gaben uns einwenig Licht in der eisernen Dunkelheit, die uns umgab. "Okay", flüsterte ich leise in die Stille, studierte Harolds Gesicht, auf dessen pure Nervosität und Unsicherheit zusehen waren und kniete mich neben dem Haufen voller Erinnerungen auf den Boden. Harolds Hände zitterten, die Emotionen tobten in dem giftigen Grün seiner Augen, während sein Körper vor Anspannung bebte. "Du schaffst das, Harold", flüsterte ich ihm leise zu, entzog meine Hand aus der seinen, die er vor purer Aufregung und dem Unwissen ergriffen hatte. Sein Atem schlug wilde Wolken in den Himmel, dessen unregelmäßigen Stöße seine Emotionen preisgaben, die dem Engegefühl, welches in Harolds Brust entfachtet wurde, nicht mehr standhalten konnten. Seine Herzschläge brachten den Boden unter uns zum Beben, als er auf die Knie ging, seine Hände ineinander faltete und seine Lider aufeinander fallen ließ. "Gott bewahre den Fehler den ich für richtig empfinde", seine Stimme klang rauh und kratzig, seine Worte drangen leise, beinahe tonlos durch seine Lippen. "Verzeiht mir meine Sünden, Mutter, Vater und Schwester. Vergebt mir meine vollbrachten Taten, ich war nicht bei Verstand als der Hass, den ihr mich einst lehrtet, die Vernunft in mir ergriff." Die Kerzen erlischen, als ein Windzug die Flamen mit sich zog, die dunklen Wolken über uns zogen an uns vorbei, während die Kälte meinen Körper betäubt hatte. "Ruhet in Frieden", war der letzte Satz, der durch seine Lippen drang, ehe er sich erhob, den Blick jedoch eisern auf die Kerzen gerichtet, deren Flamen erloschen waren. Es war Still um uns. So verdammt still, dass nur unser beider Atem die Stille unvollkommen ließ. "Wie geht es Dir?, unterbrach ich die Klänge unserer Atemzüge, die angespannt und Hilflos durch unsere Münder drangen. Tief sog Harold die eiserne Nachtluft in seine Lungen, seine Nasenflügel blähten sich auf, als er sie wieder hinaus stieß und die Worte sammelte, die sein Wohlbefinden am ehesten hätten beschreiben können. "Gut, gedenke ich." Zwischen seinen Brauen, die er verwirrt und konzertiert zugleich zusammen gezogen hatte, bildete sich eine Falte, die seiner Mimik ein stärkeres Bild der Konzentration und der Verwirrheit verleihte. Schwere Atemzüge hingen in der Dämmerung,  die Harold immer und immer wieder durch seine Lippen stieß und ihnen erstaunt gar erfreut zusah, wie sie nach dem Bruchteil dreier Sekunden zerbrachen und sich auflösten. "Es erscheint mir beinahe so als wären die Lasten auf meinem Brustkorb gefallen." Ein anstrengendes Lächeln verformte seine, davor zu Strichen gezogenen, Lippen. "Es ist ein mir unbekanntes Gefühl. Ein mir solch befreiendes und fremdes Gefühl, denn ich hatte mich an dieses beklemmende Gefühl gewohnt." Ich bildete mir ein, dass die Farbe in Harolds Augen stärker und intensiver zum Vorschein kam, als sie es in den davorherigen Tagen schon war. Bildete mir ein, das Leben auf meiner Haut gespürt zu haben, dass in jede Faser von Harold eindrung und ihn mit neuer Energie und Lebensfreude lud. "Gedankt sei dem Herren, welcher mich dem Leben neu beschenkte und mir seinen Engel auf Erden schickte." Sein Blick empor gerichtet, die Hände fest ineinandergeflochten, während er sein Dank aussprach und mich zum Strahlen brach. Die Gefühle, die Harold mit seinem Satz 'Und mir seinen Engel auf Erden schickte' in mir auslöste, raubten mir den Verstand und benebelten meine Sicht, weil mir einer der schönsten Sätze, welcher  Harolds Lippen verließ, den Atem raubten. Es schien, als würde ich mich ein weiteres Mal in dieselbe Person verlieben. Als wären selbst die kleinsten und feinsten Berührungen seinerseits so intensiv, dass die Gefühle, die in meinem Innern tobten, mir das Gefühl von wilden Schmetterlingen gaben, die gegen meine Bauchdecke flogen und dieses Kribbeln verursachten, das mich innerlich erzittern ließ. "Du bist jetzt vollständig erlöst, Harold - ein freier Mann", lächelte ich mit purer Freude in der Stimme und so viel Glanz in den Augen, dass die vielen Emotionen drohten aus mir raus zu quillen. "Ein freier Mann", wiederholte er meine Worte und drückte mich fest an seine Brust, die sich rapide auf -und ab hob. "Ich bin ein freier Mann", flüsterte er ein letztes Mal, ehe er seine Stirn an meine lehnte und mir voller Lebensfreude in die Augen sah. Ich vernahm das Rascheln der Bäume, das Sausen des Windes und spürte die kalten Tränen des Himmels auf meiner Haut, als er zu weinen begann und doch schien es, als stünde die Welt still, als gäbe es nur Harold und mich in der stillen Welt, in der die Zeit still stand und die Erde aufgehört hatte ihre Runden zu drehen, während ich alles und doch gar nichts mehr in meiner Umgebung wahrnahm, außer Harolds Atem, der stoßweise gegen meine Lippen prallte und seine Herzschläge, dessen Klänge ich zu lieben begann, als sie laut gegen seine Rippen schlugen. Ich verspürte die brennende Wärme, die von ihm ausging und die Kälte aus meinen Körper jagte, alles schien so schön und perfekt zu sein in diesem Moment, dass ich begann ihn in meinem Kopf festzuhalten, um diese Erinnerung mit in den Tod nehmen zu  können. "Du schaust so verdammt glücklich aus, Harold", hauchte ich leise. "Ich liebe den Anblick", flüsterte ich und hob meine Mundwinkel in die Höhe, als die Freude in Harolds Augen aufblitzte. "Ich danke euch, Leany, ihr lehrtet mich eines besseren", flüsterte er leise, den Blick auf meine Lippen gesenkt, was mich verrückt machte. "Ich liebe Dich-", flüsterte ich. Seine Augen brannten Narben in meine Seele, als er mir so intensiv in die Augen blickte, aber es war kein erdrückendes gar beklemmendes Gefühl, wie ich es damals hatte, als seine Augen in meine Seele blickten. "so verdammt sehr", beendete ich meinen Satz und ehe ich einen Atemzug nehmen konnte, lagen Harolds Lippen auf den meinen und bewegten sich federleicht auf ihnen, als würde er nicht wissen, wie ich reagieren würde. Und wieder schien es, als würde ich mich erneut in ihn verlieben, während sich mein Bauch von dem starken Kribbeln verkrampfte und mein Herz rapide gegen meine Brust schlug. Meine Mundwinkel schossen in die Höhe, als ich Harolds Arm auf meiner Taille spürte, die mich näher an seine Brust zog, während seine eine Hand auf meiner Wange ruhte. Ich nahm seine wilden Herzschläge wahr, die in einem schnellen Takt gegen meine Hände schlugen, die auf seiner Brust lagen. Und während die Welt dort draußen ihre Runden drehte, stand unsere still und alles was zählte, war dieser Moment, denn er war perfekt, so verdammt perfekt, dass er mir so  surreal erschien und trotz der Tatsache ließ ich alles in meinem Kopf Revue passieren, um den schönsten Tag in den vergangenen Jahren in meinem Kopf festhalten zu können.

Don't play with me, Darling! h.sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt