Gedankenlesen und Erinnerungen

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Wütend blicke ich ihm nach. Am liebsten würde ich ihm einen Fluch in den Rücken schleudern.

Als ob er meine Gedanken lesen könnte, hält er plötzlich inne. "Sie wären tot, ehe auch nur ein Buchstabe ihre Lippen verlassen hätte."

Fassungslos mustere ich ihn. Snape kann Gedanken lesen? Kein Wunder hasst er mich! Beschämt denke ich an die schrecklichen Dinge, die ich über ihn gedacht habe. Vielleicht ist er ja so verbittert und gemein, weil er weiß, wie schlecht alle von ihm denken.

Stumm betrachtet er mich. Wahrscheinlich liest er meine Gedanken immer noch! Schnell versuche ich an etwas zu denken. Der einzige Gedanke, der schrecklich genug ist, um den Schock zu übertrumpfen, ist der Gedanke an meine Mutter.

Gequält zucke ich zusammen, vergesse alles um mich herum. Bin gefangen in meinen schrecklichen Erinnerungen. Unaufhaltsam prasseln die Erinnerungen auf mich ein. Meine Mutter, die sich schreiend auf mich stürzt. „Stirb Hexe, STIRB!" Meine Mutter beim Versuch, mich mit einem Plastikmesser abzustechen. Stirb. Stirb. Stirb. Die Hexe soll sterben! Voller Abscheu funkelt sie mich an. "Bastardin, Monsterbrut!", kichert sie gehässig.

Sein wütendes Brüllen reißt mich aus meiner Trance. "Aufhören!", kreischt er schrill.

Ich blinzele und sehe Snapes Gesicht, verzerrt vor Wut und Panik. Er wirkt plötzlich viel weniger bedrohlich und viel mehr... verletzlich? Ein flüchtiger Gedanke schießt durch meinen Kopf: Hat Snape ähnliche Erinnerungen? Aber der Gedanke verflüchtigt sich schnell, als Snape wieder zu sprechen beginnt.

"Warum bist du so fixiert auf diese Erinnerungen?" faucht er. "Du denkst, du bist die Einzige, die Leid erfahren hat?"

Sein plötzlicher Ausbruch überrascht mich. "Ich... ich weiß nicht, was Sie meinen."

"Natürlich nicht", schnaubt er. "Du bist blind vor Selbstmitleid und Wut. Denkst du, ich habe das nicht gesehen? Jeden deiner Gedanken, jeden deiner verzweifelten Schreie nach Hilfe und Rache. Du bist ein offenes Buch."

Sein Gesichtsausdruck wechselt von Wut zu etwas, das fast wie Mitleid aussieht. "Aber du verstehst nicht, dass es noch andere gibt, die genauso leiden wie du. Andere, die genauso allein sind."

Ich stehe still da, unfähig, etwas zu sagen. Die Worte bleiben mir im Hals stecken. Was will er mir damit sagen? Dass er auch leidet? Dass er mich versteht?

"Du bist nicht die Einzige, die verlorene Eltern hat", murmelt er, fast zu sich selbst. "Aber du bist die Einzige, die sich in ihrem Schmerz suhlt und nichts dagegen unternimmt."

Seine Worte treffen mich wie ein Schlag ins Gesicht. "Nichts dagegen unternehmen? Was soll ich denn tun?"

"Das ist nicht meine Aufgabe, dir das zu sagen", antwortet er kühl. "Aber du solltest anfangen, darüber nachzudenken, anstatt dich selbst zu bemitleiden."

Er dreht sich abrupt um und verlässt den Raum, mich in einer Mischung aus Schock und Verwirrung zurücklassend. Was auch immer gerade passiert ist, es hat etwas in mir ausgelöst. Ein Funke von Erkenntnis vielleicht. Vielleicht hat Snape recht. Vielleicht muss ich aufhören, mich in meinem Schmerz zu verlieren und anfangen, nach vorne zu schauen.

Aber wie?

Theodore Nott - Sie gehört zu mir Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt