22. Kapitel

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Auf der Fahrt dachte ich über Javen nach. Irgendwas hatte er heute Abend, aber ich wusste nicht was. Statt sich wie sonst immer über mich lustig zu machen, hatte er mich ignoriert. Diese Erkenntnis traf mich ins Herz. Auf meiner linken Seite begann es plötzlich schmerzhaft zu pochen und ich krümmte mich.

"Alles okay, Maus?" Um ein Lächeln bemüht nickte ich und so drehte sich Mummy wieder um. Als wir in die Einfahrt fuhren, erzählte Daddy begeistert über die Arbeit von Javen's Vater. Konnte auch sein, dass er von seiner Arbeit erzählte. Ich war von meinen Schmerzen abgelenkt. Hab ich etwa einen Herzinfarkt?! Aber.. Ich bin doch noch so jung! Mir war einfach nur nach heulen zumute. Ich stieg aus und sagte meinen Eltern, ich würde jetzt ins Bett gehen. Dann schleppte ich mich die Treppen hoch. Meine Hand am Herz. "Aua!" Ein heftiger Stoß ging durch meine Brust. Ich fing an zu weinen. Ich weinte alles Wasser aus mir heraus, so fühlte es sich zumindest an. Sogar als ich mich wusch, wollten die Tränen nicht versiegen. Durch das Weinen ebbte aber der Schmerz ab, der meine linke Körperseite beansprucht hatte. Ich legte mich mit meinem Kuschelschaf ins Bett und weinte noch weiter. Wieso hast du mich ignoriert? winselte ich in meinen Gedanken. Und wieder überkam mich eine Welle Tränen aus meinen Augen. Irgendwann mussten meine Augen ganz trocken sein. Ich bemühte mich nicht weiter zu heulen, doch es gelang mir nicht. Immer wieder spielte sich in meinen Gedanken der Abend ab. "Warum hast du dich so verhalten?" flüsterte ich. Und leider wurde mir dann bewusst, dass ich um jemanden weinte, der mir anscheinend sehr viel bedeutete. Mit gequollenen Augen schlief ich dann eine Stunde später ein.

Ich erwachte. Es war ein dunkler Tag heute. Ich hörte wie Regentropfen gegen meine Fenster prasselten. Als ich meine Augen öffnen wollte, dröhnte es in meinem Kopf so laut, wie 'ne Schiffshupe. Naja, vielleicht nicht ganz genau so laut, aber es fühlte sich echt beschissen an. Schließlich schaffte ich es doch und stand auf. Was ist heute für ein Tag? Hoffentlich Samstag. Doch ein Blick auf mein Handy verriet mir, dass es leider erst Freitag war. Ich wollte gerade ins Bad gehen, als mein Handy piepste. Ich entsperrte es und sah eine Nachricht von Zane.

Sorry, ich kann heute noch nicht. Hab noch Fieber.

Stöhnend warf ich mein Handy aufs Bett. Und heute regnete es auch noch! Mit einem Gang, der einem Betrunkenen ähnelte, stolperte ich ins Bad. "AHH! Mein... Gesicht... Scheiße!" Ich hatte mich vor meinem eigenen Gesicht erschreckt! Ich sah einfach zum Kotzen aus. Meine Augen verquollen und rot. Meine Haut war rot gesprenkelt und ich sah einfach scheiße aus. "Warum mag mich das Schicksal nicht?!" Wieder kamen Tränen in meine Augen. Hatte ich die nicht schon alle ausgeheult?! Ich wusch mein Gesicht um die Hundert Mal, entschied mich aber dann doch noch zu duschen. Danach ging es mir zwar immer noch nicht besser, doch meine Augen waren nicht mehr so rot. Ich schob mir meine Zahnbürste in meinen Mund und schritt damit zum Kleiderschrank. Ich nahm meine schwarze Hose heraus und einen schwarzen Pulli. Hm... Vielleicht etwas zu dunkel. Entspricht aber besser meiner Stimmung. Trotzdem entschied ich mich für einen blauen Pulli. War zwar immer noch dunkel, aber besser als schwarz - schwarz. Nachdem ich die Zahnpasta-Brühe ausgespuckt hatte, zog ich mich an und lief nach unten. Auf der letzten Treppenstufe knickte ich um und es gab einen kleinen Knacks. "Aua!" Schnell hielt ich mir eine Hand vor den Mund. Ich wollte meine Eltern nicht aufwecken und ihnen unnötig Sorgen bereiten. Ich stand auf, sackte aber sofort wieder zusammen. Der Knöchel tat doch ganz schön weh.

Ich schloss hinter mir die Tür und humpelte mit Schirm in der Hand über die Straße. Es war gar nicht so leicht, aber ich wollte mir keine Krücken mitnehmen. Das ginge außerdem mit dem Schirm gar nicht. Es war sehr windig heute und ich musste den Schirm festhalten, damit er nicht umklappte. Plötzlich kam ein so heftiger Windstoß, dass ich den Schirm nicht mehr halten konnte und er folg davon. "Scheiße", rief ich dem Himmel entgegen. Ich setzte die Kapuze meines Pullis auf den Kopf und humpelte weiter. Es goss wie aus Eimern und durch den Wind peitschte mir der Regen ins Gesicht. Ich weinte ein wenig, aber es fiel durch den Regen sowieso nicht auf. Dann stolperte ich und fiel auf den nassen Boden. Nun konnte ich die Tränen nicht mehr halten. Ich saß als kleines Häufchen Elend auf dem Bürgersteig und heulte. Hinter mir hörte ich ein Auto rasen, dass mit einer plötzlichen Vollbremsung neben mir hielt.

Nein. Nein, bitte nicht jetzt! Doch ich hörte trotz meines Flehens Schritte.

"Bist du verrückt? Was machst du da?!" schrie Javen mich an. Ich konnte ihn nicht ansehen. Es war so demütigend. "Steh auf!" Als ich mich nicht rührte hockte er sich vor mich. "Warum sitzt du hier?!" Ein Schluchzen schüttelte mich. "Sam?" Seine Stimme wurde ruhiger. Ganz unerwartet stand er auf und ging zum Auto. Ich dachte schon er würde einfach davon fahren, doch er fuhr nur zu der Seite, wo ich saß und hielt dort. Er stieg aus und kam auf mich zu. "Komm. Steig ein!" Er musste rufen, weil der Wind so laut war. Ich machte Anstalten aufzustehen fiel aber wieder, da mein Knöchel so schmerzte. "Was ist?" fragte mich Javen. "Mein... Knöchel." stammelte ich. Wir beide waren vollkommen durchnässt und trieften. Trotzdem kniete sich Javen zu mir und besah sich den Knöchel. "Bist du so dumm oder tust du nur so?" Dann hob er mich hoch und legte meine Arme um seinen Hals. Während ich weinte, wie der Regen prasselte, trug mich Javen zum Auto und setzte mich hinein. Kräftig schlug er die Tür zu. Ich wünschte mir so sehr, er hätte mich nicht gefunden oder wäre einfach weiter gefahren. Dann müsste ich mich jetzt nicht so schämen. Er ging ums Auto herum und stieg ebenfalls ein. Er wischte sich durchs Gesicht und sah nach vorne. "Warum hast du da so gesessen?" Als ich nicht antwortete, sondern nur versuchte meine Tränen zu stoppen, drehte er sich zu mir um. Ich konnte ihn nicht anschauen. Es war mir sowas von unangenehm, aber in diesem Moment konnte ich noch nicht einmal rot werden. "Weinst du?" Jetzt konnte ich es nicht mehr halten und ich schluchzte. Javen sah mich erst eine Weile an, bevor er sich zu mir beugte und mich umarmte. Er umarmte mich und ich lies es zu. Ich schlang meine Arme um seinen Körper und weinte in seine sowieso schon nasse Jacke. Er streichelte mir über meine nassen Haare. Es tat so gut von jemandem umarmt zu werden auch wenn es derjenige war, wegen dem ich Herzschmerzen hatte. Als ich endlich aufhörte zu weinen, lies Javen mich los. "Was ist mit deinem Knöchel passiert?" fragte er. Da ich endlich wieder reden konnte, erzählte ich ihm wie ich umgeknickt war, mein Schirm verloren ging und ich gestolpert war. "Ja, das passt zu dir", lachte Javen mich aus. Beleidigt schaute ich aus dem Fenster.

"Also die ersten beiden Stunden haben wir verpasst." bemerkte Javen.

"Oh nein!"

Javen kratzte sich am Kopf. "Also ich hätte nichts dagegen noch die anderen zu verpassen."

"Ich schon, wir schreiben nächste Woche Italienisch." Er sah mich mit großen Augen an. "Was?" "Du bist echt komisch." sagte er und warf den Motor an.

"Wie hab ich denn das jetzt zu verstehen?" Er lachte leise. "Nimm es einfach als Kompliment."

"Wenn du das so sagst, ist es eine Beleidigung." Er beugte sich nah an mein Gesicht heran. Zu nah. "Denk das, was du denken möchtest." Das verwirrte mich sosehr, dass ich die Autofahrt kein Wort mehr sprach, sondern nur über das Gesagte nachdachte. Das war wirklich ein interessanter Morgen.

Als wir an der Schule ankamen, war gerade Pause. Als die Schüler unser... ähm, Javen's Auto sahen, kamen sie auf den Parkplatz gestürmt. Javen stieg aus und ich tat es ihm gleich. Plötzlich verstummten alle Gespräche und es wurde getuschelt. Dass ich daran nicht gedacht habe! Javen ist der beliebteste Junge hier und ICH fahre mit ihm in seinem Auto. Javen ging zu seinen Freunden und nach wenigen Sekunden war ich vergessen. Die Aufmerksamkeit galt jetzt vollkommen Javen. Es regnete immer noch, aber längst nicht mehr so stark wie vorher. Ich setzte mich in Bewegung und humpelte zur Schule. Manche Mädchen schauten mir noch böse hinterher. Wahrscheinlich schwärmten sie alle für Javen. Es schellte und ich ging zur dritten Stunde.

Caught In The Crossfire *On Hold*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt