40. Kapitel

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Mom kam ins Wohnzimmer und brachte mir meine Verdauungs-heiße-Schokolade. Nein, ich hatte keine Verdauungsprobleme, ich musste den Schock verdauen.

"Kind, du bist einfach... einfach unmöglich", sagte sie kopfschüttelnd und setzte sich neben mich auf das Sofa.

"Gut, dass ich gerade rausgekommen bin, um einkaufen zu fahren! Ich hätte dich sonst nicht gehört." Sie nahm einen Schluck aus meiner Tasse. Anscheinend hatte sie sich auch ziemlich erschrocken.

Sie nippte und gab die Tasse an mich weiter, wo ich erstmal einen großen Schluck nahm.

"Ich wusste gar nicht, dass wir einen Teich haben. Blöd nur, dass dieser Riesenbusch im Weg war, sonst wäre ich schneller bei dir gewesen."

Ich hatte ihr nichts von dem Durchgang erzählt. Es war mein Geheimnis und ein Ort, an den ich mich zurückziehen und wo mich keiner finden konnte, wenn ich allein sein wollte.

"Als du da 30 Centimeter über der Wasseroberfläche hingst, hab ich einen totalen Schrecken bekommen! Ich wäre beinahe reingefallen, als ich dich da hoch wuchten musste."

Sie fasste sich mit zusammen gekniffenen Augen an den Rücken. "Und jetzt hab ich mir den Rücken verknaxt."

"Tut mir leid", murmelte ich kleinlaut. "Ich wollte nur wissen, wie tief der Teich ist."

"Wenn du das nochmal machst, schütten wir den Teich zu, Samantha Greet!" Drohend hob sie den Zeigefinger.

"Es war doch gar nicht schlimm. Wäre ich reingefallen, wäre ich ja nur nass geworden..."

"Du kannst dich aber nicht vernünftig bewegen! Du hättest ertrinken können!"

Sie übertrieb, aber so war das mit Eltern nun manchmal. Kamst du eine Viertel Stunde zu spät, schon malten sie sich die schlimmsten Sachen aus.

"Aber genug. Wie viel Uhr haben wir?" Unsere Köpfe gingen gleichzeitig zur Uhr. "Zehn vor sechs, also mit einkaufen wird das jetzt nichts mehr."

Jake! Den hatte ich ja total vergessen!

"Mom, ich bin noch verabredet, ich mach mich mal fertig, okay?"

Ich stand schon auf, bevor sie etwas sagen konnte, aber sie kicherte nur. Moment... Sie kicherte??

"Mom, ist alles gut...?", fragte ich gedehnt. Da kam das Gruseligen von heute Mittag wieder zum Vorschein.

"Ja, alles bestens. Ich glaube ich gönne mir jetzt ein Schlückchen Wein und schaue mir eine Schnulze an." Sie stand auf und tänzelte dann in die Küche.

"Okayyy..."

Eigentlich gönnte sich Mom dieses spezielle Programm nur, wenn sie sich auf etwas freute, jemanden aus früheren Zeiten wieder getroffen hatte oder ziemlich verzweifelt war. Das mit dem verzweielt sein, konnte ich schonmal ausschließen. Kichern hieß schließlich nicht verzweifelt zu sein. Vielleicht freute sie sich einfach, dass ich mal ausging, da ich bisher nur zwei richtige Freunde gewonnen hatte, Zane und Holly, und jetzt dachte, dass hier noch mehr nette Leute waren.

Mit dieser Begründung ließ ich das Wohnzimmer hinter mir und ging die Treppen hoch in mein Zimmer.

Eine der schwierigsten Fragen stand jetzt sozusagen in meinem Zimmer: Was.Ziehe.Ich.An.

Auch wenn ich eigentlich nicht so viel Lust hatte mit Jake auszugehen, konnte ich ja trotzdem nicht mit normalen Sachen rausgehen. Ich brauchte also etwas, was nicht zu schick war und nicht zu schlicht.

Ich öffnete den Kleiderschrank und erschrak ein wenig, als ein kleines schwarzes Kneul raus sprang und auf mein Bett raste.

"Lily!"

Die kleine Katze miaute verängstigt, irgendwo war auch noch ein Entschuldigungs-Ton wahrzunehmen. Sie ist wohl rein gehuscht und kam nicht wieder raus. Die Tür war jedenfalls ein wenig zerkratzt.

Ich schüttelte den Kopf und schaute wieder in den Schrank.

"Lily!"

Sie hatte tatsächlich in den Schrank gepinkelt! Auf meine Sachen! Okay, die Blusen konnte ich jetzt vergessen, sie waren vollkommen durchnässt. Aber was hätte Lily auch tun sollen? Sie konnte ja schlecht aufs Katzenklo laufen. Und verdrängen hatte wohl nicht funktioniert.

Ich sah durch die Fächer meines Schrankes und entschied mich für einen langen grün-türkisen Rock. Dazu nahm ich ein schwarzes Top heraus und einen braunen Gürtel, den ich mir um die Hüfte legen würde.

Ich zog eigentlich nicht gerne Röcke an, aber dieser hier hatte es mir damals so angetan, dass ich ihn einfach kaufen musste. Mit einem blauen Jeansrock war er der einzige im Schrank.

Außerdem war es mit dem Rock recht praktisch, dass man so die Schienen nicht sehen konnte.

Fertig angezogen, schnappte ich mir noch eine kleine braune Tasche und stopfte Handy und Geld rein.

Die Treppe hinter mir, zog ich noch schwarze Ballerinas an und setzte mich mit einem Glas Wasser in die Küche.

Als das kalte Wasser meine Speiseröhre runter rauschte, fiel mir auf, dass Jake meine Adresse gar nicht wusste.

Aber wenn er sie nicht wusste, warum hat er gesagt, dass er mich abholt?

Vielleicht wollte er nicht als Looser da stehen und nochmal nach meiner Adresse fragen. Oder er hatte sich im Sekretariat eingeschleimt und nach meiner Adresse gefragt. Oder...

Genau in dem Moment, als ich einen weiteren Zweig eines Wahrscheinlichkeitsbaumes entwerfen wollte, klingelte es an der Tür.

Caught In The Crossfire *On Hold*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt