39. Kapitel

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Zu Hause angekommen flüchtete ich sofort in mein Zimmer, um meiner zurzeit gruseligen Mutter zu entfliehen.

Treppensteigen funktionierte mit den Schienen, nur sah ich dabei aus wie ein Pferd mit Hüftproblemen.

Als ich dann schließlich in meinem Zimmer war, beschloss ich, mir einen Plan für heute Abend zu schmieden. Nicht, dass ich einfach so dasitzen würde und nicht wissen sollte, was ich sage. Also setzte ich mich auf mein Bett und streichelte Lily, die mir die Treppe hoch gefolgt war und sich in meinen Schoß kuschelte. So knuffig Jake auch war, desto komischer war es, dass er mit mir so vertraut umging.

Vermutlich würden wir essen gehen. Freizeitpark war ausgeschlossen mit meinen Knien und ich hatte so ein Gefühl, dass wir essen gehen würden.

Ich musste ihm einfach sagen, dass ich ihn ja ganz nett fand, aber auch etwas aufdringlich und mich, außer in der Schule im Fotokurs, nicht mehr mit ihm treffen wollte.

Okay, ein wirklich einfallsreicher Plan. Er ist zwar klein, aber oho!

Ich sah nach draußen. Es war drei Uhr und die Sonne stand hoch am Himmel. Das Licht brach ein wenig in dem Panorama Fenster, dass das ganze Zimmer gleißend hell beleuchtet wurde. Meine Augen schlossen sich automatisch, um dem unangenehmen Blickkontakt der hellen Flächen im Zimmer etwas zu umgehen.

Ich hatte noch drei Stunden, bevor Jake mich abholen würde, also genug Zeit um ein wenig durch den Garten zu gehen und die Frühlingswärme auf der Haut zu spüren.

Bevor ich aufstand, um nach draußen zu gehen, packte ich noch mein Handy ein, damit ich einen Blick auf die Uhr werfen konnte, um noch rechtzeitig ins Haus zu gehen und mich fertig zu machen für das Date.

Oh man, hört sich das komisch an.

Hatte ich jemals ein Date gehabt? Ich war mit Zane schon öfter mal aus, im Freizeitpark zum Beispiel, aber das war kein Date, wir hatten uns ja nur freundschaftlich getroffen.

Mit Javen hatte ich auch keins, was mich in diesem Moment ein wenig verärgerte. Immer war meine Familie dabei oder wir trafen uns zufällig, wie an dem Tag, wo ich shoppen war und mir das Kleid gekauft hatte.

Mit wirren Gedanken um bie gehabte Dates stapfte ich -so gut es mit den Schienen ging- die Treppe runter, durch die Tür und in den Garten.

Ich setzte mich auf die morsche Bank an der Hausmauer und blickte auf den Rhododendron und die hohe Wiese. Meine Eltern machten noch nicht mal anstalten zu mähen oder Blumen zu pflanzen.

Sobald die Schienen weg sind, geht's ran hier!

Die Sonne des Spätsommers stand am Himmel und ließ nicht nur mein Zimmer heller werden, sondern auch den Garten. Das Licht spiegelte sich auf dem feuchten Gras, das der Regen der Nacht hinterlassen hatte.

Hab ich letztes Mal nicht hier gesungen?

Ich wollte gerade aufstehen und meine Stimmbänder starten, als mir die Situation vor die Augen kam. Javen hatte mich gesehen. Und ich wollte im Boden versinken. Bin ich aber leider nicht. Wäre ich einfach versunken, hätte ich mir den Scham sparen können und die Knie und das Date mit Jake... Aber leider war es nicht so gekommen. Tja, ein andermal vielleicht.

Mich störte es, dass mein erstes richtiges Date mit einem Typen war, den ich kaum kannte und nicht wirklich mochte. Also, was heißt nicht mögen, ich kannte ihn ja gar nicht, aber ich liebte ihn nicht und freute mich dadurch auch nicht ungemein auf den heutigen Abend.

Ich stellte mir vor, wie Javen im Anzug an meiner Haustür klingelte und meiner Mutter eine Blume aus dem Blumenstrauß schenkte, den er für mich mitgebracht hatte. Dann hätte ich meinen großen Auftritt und würde die Treppe hinunter schweben. (Das war mit der unwirklichste Teil, da ich alles andere als schweben konnte.) Javen würde mich mit einem erstaunten Blick mustern und mir sagen, dass ich wunderschön aussähe. Dann würde er mir einen Kuss auf die Wange geben und mir den Arm anbieten, um zurück in seine Kutsche zu gehen, die von einem weißen Ross gezogen werden würde. In meinen Vorstellungen steckte ich plötzlich in keinem Cocktail Kleid mehr, sondern in einem Prinzessinnengewand mit langer Schleppe, die über den mit Rosenblättern bedeckten Weg zur Kutsche strich.

Dann würde Javen sagen: "Du bist so heiß! Oh mann, ich liebe dich" und alles würde mit dem Ring am Finger enden und einem heißen Kuss.

Nun war es Zeit aus meinen Träumen zu erwachen, bevor aus dem heißen Kuss noch etwas anderes wurde...

Ich erhob mich und ging auf den gewaltigen Busch zu, um die Blätter zur Seite zu schieben und den inneren Weg zum Teich zu gehen. Am Ende schob ich die Blätter wiedrr zur Seite und starrte in den Teich.

Der blaue Himmel spiegelte sich darin und man konnte hier und da eine einzelne Wolke erkennen. Mit einem Blick in den richtigen Himmel bestätigte sich mir das Bild. Ich schaute wieder in den Teich, wo ich mein Spiegelbild entdeckte.

Meine braunen Haare fielen dem Teich entgegen und ließen mein Gesicht ziemlich klein wirken. Meine braunen Augen konnte man dort kaum erkennen, sie waren einfach dunkel, fast schwarz.

Eigentlich ein schöner Anblick. Man sieht die ganzen Narben und Pickel nicht. Mein schiefes Lächeln sieht man auch nicht, dachte ich, als ich dem Teich zu lächelte.

Der Sommer war fast vorbei und ich wünschte es wäre einmal so richtig heiß gewesen, damit ich den Teich mit den Füßen erforschen konnte. Ich wusste ja noch nichtmal wie tief er war!

Ich sah mich um und entdeckte einen langen Stock direkt neben dem Ende des Rhododendron. Ich nahm ihn in die Hand und ging so nah wie möglich an das Ufer heran. Ich steckte den Stock weiter in Richtung Mitte, um ein genaueres Ergebnis zu erzielen. Der Uferrand ging nämlich schräg zur Mitte hinein, wie man mit einem Blick sehen konnte.

Der Teich war nicht sehr tief, er ging mir ungefähr bis zur Mitte der Oberschenkel.

Ich stützte mich ziemlich mit dem Stock auf den Boden und es wirkte, als würde er in den Boden eintauchen und weiter runter gehen.

Plötzlich erkannte ich, dass es nicht nur eine "Wirkung" war, sondern eine Feststellung! Ich hielt langsam aber sicher mit dem Stock auf den Boden des Teiches zu.

Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich schon schräg über dem Teich stand. Mein Spiegelbild wuchs und man konnte jetzt meinen Körper vom Kopf bis zu den Oberschenkeln erkennen.

Verdammte ...

"Was soll ich machen?", quiekte ich. "Mom?", fragte ich in den Raum. Es war ziemlich leise, man konnte das Wort nur hören, hätte man ein übersinnliches Gehör und über dieses verfügte -außer in Büchern- kein Mensch der Welt.

Ich setzte nochmal an.

"MOM! HILFE!"

Caught In The Crossfire *On Hold*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt