Prison / h.s

19-Jetzt

„Darf ich euch etwas fragen?", spricht Harry, nachdem er den Haferbrei hinuntergeschluckt hat. Er wirft einen Blick in die Runde, die diesen Morgen nicht nur aus den drei Frauen, sondern auch aus seinen zwei Mitbewohnern besteht. Niall sieht ihn abwartend an und deutet ihm mit einem Nicken, fortzusetzen.

„Weshalb sind alle hier im Knast gelandet? Samira, du siehst aus, als könntest du keiner Fliege etwas zu Leide tun und auch Anita hat harmlos ausgesehen", fragt er und deutet auf die dunkelhäutige Frau sowie auf die Blonde, die ein paar Tische entfernt sitzt.

Ian, der mit vollem Mund leise auflacht, kontert schnell: „Anscheinend ist deine Menschenkenntnis echt im Arsch. Das kleine Püppchen mit den bandagierten Unterarmen hat fünf Männern die Schwänze abgeschnitten und sie verbluten lassen.", „Man muss dazu sagen, dass sie psychisch nicht ganz stabil ist und diese Bastarde sich zuvor an ihr vergriffen haben", verteidigt Tessa sie und wirft dem Orangehaarigen einen bösen Blick zu.

„Mit einem Messer? Einfach so?", keucht Harry ungläubig und verschluckt sich fast an einem Schluck Wasser. Laut hustet er los und spürt kurze Zeit darauf, wie eine Hand kräftig auf seinen Rücken klopft. Mit einer Geste deutet er der hilfreichen Alice, dass sie aufhören soll, was sie auch sofort macht.

Tessa hält diabolisch grinsend das stumpfe Plastikmesser hoch und zerschneidet mit einer flinken Bewegung die Luft vor sich. „Einfach so. Sie bereut es bis heute nicht, dieses Püppchen ist echt knallhart", bestätigt sie ihm und deutet anschließend auf Samira, die noch immer in aller Ruhe ihr Frühstück zu sich nimmt.

„Du weißt ja bestimmt, wie verdammt unfair die Vereinigten Staaten von Amerika sind, oder?", fragt die Orangehaarige, wodurch sie endlich die Aufmerksamkeit der kleinen Frau neben sich auf sich gezogen hat. Samira legt das Plastikbesteckt auf ihr Tablett und verzieht ihr Gesicht zu einer wütenden Grimasse.

Den linken Zeigefinger hält sie in die Höhe und erzählt: „Ein einziges Mal hatte ich Marihuana in meinem Rucksack. Ein einziges, verdammtes Mal und was machen die Bullen? Klagen mich an wegen versuchten Drogendealens und Besitz von illegaler Substanz. Hätte ein weißer, heterosexueller Mann, der bevorzugt noch regelmäßig zur Kirche geht, eine ganze Tasche voller Koks bei sich gehabt, hätte er weniger Strafe bekommen als ich. Alles nur, weil ich schwarz bin."

„Beruhige dich wieder, Black Beauty", meldet sich Ian zu Wort und schenkt ihr ein einfühlsames Lächeln. Schnell nickt Samira und nimmt das Besteckt wieder in ihre Hände, bevor sie murmelt: „Von uns allen bin ich am harmlosesten."

„Das tut mir schrecklich leid, dass du diese Ungerechtigkeit am eigenen Leibe erfahren musst", lässt Harry sie wissen und lächelt sie ebenfalls entschuldigend an. Sie wehrt mit einer Geste wortlos ab und widmet sich wieder ihrem Essen. Der Mann dreht seinen Kopf nach rechts, sodass er zu Alice sehen kann und fragt diese: „Weshalb bist du hier?"

„Ich war Samiras Dealerin. Bis vor fünf Jahren habe ich Marihuana durch ganz Nordamerika transportiert und wurde dann von meiner Ex verpetzt", erzählt sie kurz und knapp, bevor sie mit der Plastikgabel in eine der Waffeln auf ihrem Tablett sticht. Ihr Gesichtsausdruck verfinstert sich, als sie hinzufügt: „Mittlerweile kriecht sie auf allen vieren zurück zu mir und will Frieden schließen. Aber bei mir hat sie ihre Chance verspielt, als sie den Bullen den Weg zu meiner Lagerhalle gezeigt hat."

„Redest du von Alex?", mischt sich nun eine Person ein, die sich soeben neben den Tisch gestellt hat. Sofort wenden sich sämtliche Augenpaare zu der Frau, deren dunkelrote Haare heute zu zwei Zöpfen geflochten wurden.

Vorsichtig nickt Alice und fragt nach: „Woher kennst du sie?" „Harry und ich haben sie vor drei Jahren ungefähr, kurz bevor ich verhaftet wurde und dieses Arschloch mich im Stich gelassen hat, in einem Stripclub getroffen. Sie wollte irgendetwas mit uns verhandeln, aber an die Details kann ich mich nicht mehr erinnern, ich war hacke dicht", antwortet Maya und klopft dem Lockenkopf auf die Schulter.