10 Jahre später
Nach einem letzten Stoß auf seinen Rücken sowie einem scherzenden „Lass dich hier nie wieder blicken, Styles", tritt Harry durch die Gitter, die ihn all die Jahre von seiner Freiheit ferngehalten haben. Als würde das Wetter seine Laune wiederspiegeln, ist keine einzige Wolke auf dem endlos scheinenden Blau zu sehen, die Sonne strahlt auf seine kürzeren Locken. Sein Blick gleitet über die Umgebung, die plötzlich voller Leben erscheint durch die strahlend grüne Wiese mit Blumen, die an dem kleinen Parkplatz angrenzt.
Harry kneift die Augen zusammen in einem Versuch, die Frau mit dem roten Haarschopf zu finden, die ihm noch vor zwei Wochen versprochen hat, ihn abzuholen. Doch alles, was er sieht, ist ihr Stiefbruder, der nun auf den Lockenkopf zukommt.
„Wo ist Maya?", fragt er, sobald Zayn nur mehr wenige Schritte entfernt von ihm ist. Sein Gegenüber seufzt ergeben und zieht einen weißen Umschlag aus der linken Tasche seiner Lederjacke.
„Ich soll dir das hier von ihr geben", teilt der Stiefbruder mit und streckt den Brief in Harrys Richtung aus. Mit zitternden Fingern greift dieser nach dem Papier, während Zayn sich ein „Es tut mir leid" nicht verkneifen kann. Der Lockenkopf öffnet den Umschlag und sofort erkennt er ihre saubere Handschrift, als seine Augen über die geschriebenen Zeilen gleiten.
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Harry,
Ich kann mir fast deinen verwirrten Gesichtsausdruck vorstellen, jetzt, da nur Zayn vor dir steht und alles, was von mir übrig ist. Dieser verdammte Brief soll, um es kurz zu fassen, unserer Beziehung ein Ende setzen. Sieh dir jetzt bitte nicht meinen Stiefbruder an und frag ihn auch nicht 'Was diese Scheiße soll'.
Du hast richtig gelesen. Es ist vorbei zwischen uns.
Der Grund ist ganz simpel und wurde dir während der Besucherzeiten sowie der Telefonate von deinen Eltern gepredigt. Leider muss ich ihnen zustimmen, dass die Tochter einer Hure und eines Drogenbosses nicht gut genug für dich ist.
Wehe, dir kommen jetzt die Tränen, wenn ich schreibe, dass du eine andere, eine bessere Frau verdienst. Eine, die eine Ausbildung hat, vielleicht ein auch abgeschlossenes Studium und daran arbeitet, die Karriereleiter hinaufzusteigen. Eine, die dir von Anfang an ihre Gefühle gesteht und keine Geheimnisse vor dir verbirgt. Vielleicht wirst du mit dieser Frau eine Familie gründen, nachdem ihr geheiratet und ein Haus gebaut habt.
Im Nachhinein betrachtet, ist es ok, dass du weinst. Schließlich mache ich das auch und verbrauche zu viele Taschentücher, indem ich sie mit meinem Rotz verschmutze. Also weine. Lass es ruhig raus, aber achte darauf, dass du nicht gleich wieder in das Gefängnis eingewiesen wirst wegen eines Wutausbruches.
Nachdem du deinen Gefühlen freien Lauf gelassen hast, lies diesen Brief fertig.
Ich werde für den Rest deines Lebens auf dich aufpassen. Damit du nicht wieder an eine selbstsüchtige, gefährliche Frau wie mich gelangst. Vielleicht wirst du dir eines Tages einbilden, einen roten Haarschopf auf der Straße zu sehen, der dich an mich erinnert. Vielleicht wirst du mir nachlaufen, dennoch wirst du mein Gesicht nicht mehr sehen. Du sollst loslassen können, ohne, dass du an mich erinnert wirst.
Ich werde dich für immer in meinem Herzen behalten, deine reine und selbstlose Seele. Bleib bitte so, wie du warst.
- Maya
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„Wo ist sie jetzt?", fragt Harry, sobald er den Brief zu Ende gelesen hat. Sein Blick hebt sich von dem dünnen Papier zwischen seinen Fingern. Wie geschrieben haben Tränen seine Augen gefüllt und drohen nun, seine Wangen hinunterzurollen.
Zayn holt aus der rechten hinteren Hosentasche eine Packung Zigaretten hervor und zieht eine kleine Stange aus dem Karton, nimmt sie zwischen die Lippen. Gekonnt zündet er das herausstehende Ende an und verstaut anschließend wieder alles an seinem rechtmäßigen Platz. Er entfernt die Zigarette von seinem Mund und bläst den Rauch aus, bevor er antwortet: „Das darf ich dir nicht sagen. Sie hat geschrieben, dass es vorbei zwischen euch ist."
„Weißt du überhaupt, was für eine Scheiße hier abläuft?", zischt Harry wütend. Er macht einen Schritt auf den Stiefbruder zu und setzt fort, bevor dieser überhaupt den Mund öffnen kann: „Ich habe acht Jahre ohne Maya in diesem verfickten Gefängnis verbracht, habe meine Augen nur geöffnet, weil ich wusste, dass sie auf mich warten würde. Wir hatten jeden Monat ein Telefonat, auf das ich gespart habe, damit ihre Stimme so lange wie nur irgendwie möglich hören kann. Und nach all dem willst du mir ernsthaft erzählen, dass sie mich nie wieder sehen will, dass es vorbei ist?"
Abwehrend hebt Zayn die Hände neben den Kopf und murmelt: „Ich führe nur ihre Anweisungen aus."
„Dann sage ich dir jetzt, dass ihre Anweisungen beschissen sind und du mich jetzt sofort zu ihr bringst", raunt Harry mit tiefer, bedrohlicher Stimme. Mit einem Ruck entreißt er seinem Gegenüber die Zigarette und wirft sie auf den Boden. Er zerstampft die Stange und fügt hinzu: „Setzt sofort und wenn du mir widersprichst werde ich wohl oder übel wegen versuchten Mordes wieder in das Gebäude hinter mir gehen."
„Du glaubst allen Ernstes, dass ich meine Schwester hintergehen würde, nur, weil du mir drohst?", lacht Zayn humorlos auf. Er schüttelt den Kopf und zeigt auf die zerstampfte Zigarette: „Außerdem war diese Aktion gerade sehr unnötig."
Abrupt spürt der Stiefbruder eine Hand um seine Kehle, die ihm die Luftzufuhr abschnürt. Er will den Griff lösen, indem der das Handgelenk umschlingt und versucht, es von sich wegzuziehen. Doch Harry ist stärker und drückt nur noch mehr zu.
„Meine Drohungen werden nur ausgesprochen, wenn zu hundert Prozent die Wahrheit dahintersteckt. Ich kann dich jetzt auch einfach erwürgen, mir deine Autoschlüssel nehmen und Maya suchen. Du entscheidest über dein Schicksal", kontert der Lockenkopf und stößt sein Gegenüber von sich weg.
Sofort zieht Zayn die Schlüssel hervor und deutet auf seinen schwarzen Range Rover. Ohne jeglichen Widerstand steigt er in der Fahrerseite ein und startet den Motor, wartet darauf, dass auch Harry sich in dem Beifahrersitz niederlässt.
Die Fahrt scheint endlos lange, da niemand es wagt, den Mund zu öffnen und auch das Radio keine Musik abspielt. Harry starrt angespannt aus dem Fenster, sieht Häuser und Straßen, die von zahlreichen Menschen belebt werden. Mit der Zeit verwandelt sich die Gegend von schlichten, billig wirkenden Gebäuden zu nobel aussehenden. Die Gärten werden immer größer, immer gepflegter und die Bürgersteige immer leerer. Immer wieder kann er teure Autos vor den Einfahrten erkennen.
Schließlich bleibt das Fahrzeug, in dem sich die zwei Männer befinden, vor einer breiten Einfahrt aus Schotter stehen, dessen Gatter bereits geöffnet ist und an deren anderem Ende sich ein Haus ähnlich einer Villa befindet. Die Außenwände sind in einem hellen beige, das beinahe weiß erscheint, gestrichen und als Harry den Weg zu der Eingangstür bestreitet, sieht er links und rechts von sich große, grüne Flächen sowie einen Pool.

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Prison / h.s
Fiksi PenggemarHarry hat sie seit drei Jahren nicht mehr gesehen. In dieser Zeit war er auf der Flucht vor dem Rechtsstaat, den illegalen Geschäften, in die er von ihr hineingezogen wurde, und vor allem vor seiner Vergangenheit mit ihr. Nach all er der Zeit hat e...