Seit der lautstarken Auseinandersetzung von Maya und Harry inmitten eines Ganges ist er vorsichtiger. Es mag sein, dass er dieses eine Mal von ihren Kräften verschont geblieben ist, doch dass sich dies wiederholt ist unwahrscheinlich. Auf der Wiese, die man als Park bezeichnen kann, exakt zwei Tage danach, hört er von allen Ecken und Enden Gruselgeschichten von Menschen, die sich gegen Maya widersetzt haben.
„Ich kann mich noch erinnern, als sich Enrique in ihrer ersten Nacht im Gefängnis auch an ihr vergreifen wollte. Wie er zu den Zellen der Frauen gelangt ist, ist mir bis heute noch ein Rätsel. Jedenfalls hatte er einen Tag später ein Messer im Magen stecken, keiner weiß, woher dieses gekommen ist und wer ihn erstechen wollte."
„Kannst du dich noch an den Wärter – ich glaube, er hieß Steve – erinnern? Der, der sie eine Woche lang in der Einzelhaft verrotten ließ? Es gibt Gerüchte, dass er jetzt in der Klapse sitzt, weil er auf einem Drogentrip hängengeblieben ist und Schizophrenie entwickelt hat. Natürlich hat Maya etwas damit zu tun, sie hat früher Drogen durch die ganze Welt geschmuggelt."
Sie alle reden über die mächtige Maya, durch die Harry sich in eine Gefahr begeben hat, weil er sich vor Jahren in sie verliebt hat, obwohl er keine Gefühle haben sollte.
Trotz der ständigen Angst sowie seinem angeknacksten Herz muss er ihr lassen, dass sie sein Leben spannend gemacht hat. Ohne sie würde er noch immer langweilige Comics für eine Zeitung zeichnen und schreiben. Ohne sie hätte er niemals richtig gelebt, hätte niemals sein Blut in den Ohren rauschen hören vor lauter Adrenalin. Harry hätte nie gewusst, wie es sich anfühlt gegen das System zu arbeiten, zu rebellieren. Niemals hätte er Banken ausgeraubt, damit er sich seine heiß ersehnten Stiefeletten und viel mehr kaufen kann, sich seine Haare abgeschnitten, um sich als eine andere Person auszugeben, oder Drogen von Staat zu Staat, von Kontinent zu Kontinent transportiert. Wenn Maya nicht in sein Leben getreten wäre, hätte er sich nie so sehr verliebt, dass es gefährlich für ihn ist.
Doch schlussendlich hat er ihr auch zu verdanken, dass er in einem Gefängnis festsitzt, in dem sich niemand um ihn kümmert und er sich andauernd vor diversen Schandtaten fürchten muss. Mittlerweile sieht auch Harry ein, dass er für seine Vergehen bestraft werden muss und ist bereit, seine Zeit friedlich abzusitzen. Dies ist ihm aber dank Maya nicht mehr gegönnt. Denn in den Gängen und dem Speisesaal wird nicht mehr von ihr geredet, sondern von ihm. Er ist wie ein berühmter Musiker, der in viel zu viele Skandale verwickelt ist, und somit andauernd Gesprächsthema Nummer eins ist. Über ihn werden Gerüchte erzählt. Spekulationen, wie und weshalb sie ihn verhaftet haben, gehen ins Lächerliche, als einige Insassen behaupten, dass er in einem Tretboot vor der Polizei geflüchtet ist und sie ihn erst schnappen konnten, als ihm die Puste ausging.
Außerdem wird über die sagenhafte Beziehung zwischen Maya und Harry getuschelt.
Manche denken, dass sie lediglich Arbeitskollegen waren, Partner, die illegale Geschäfte der Meisterklasse vollbracht haben. Denn niemand konnte ihnen das Wasser reichen, wenn es um Drogenhandel, Identitätsräube, sehr lukrative Kasinobesuche und viel mehr ging. Keine anderen zwei Menschen sind so flink und geschickt, wie die zwei es waren. Keiner kann den Rest der Welt so gut täuschen, wie Harry und Maya es getan haben.
An anderen Ecken wird davon geredet, dass sie Bonnie und Clyde des 21. Jahrhunderts sind und in die Geschichte eingehen würden dank ihrer zahlreichen Verbrechen. Man redet von der großen Liebe, durch die die Beiden erst so dynamisch miteinander agierten, und von Untrennbarkeit. Mayas Verhalten winken sie mit dem Argument ab, dass sie lediglich viel zu viele Emotionen innerhalb der drei Jahre ohne ihn aufgestaut hat und nun überfordert ist.
Es wird auch gemunkelt, dass sie schon verheiratet sind, die Hochzeit soll in Las Vegas stattgefunden haben, im Hotel Bellagio, einem der luxuriösesten und teuersten Unterkünfte in diesem Gebiet. Dieser Ort würde auch zu dem Duo passen, denn niemals haben sie eine Gelegenheit, in der Welt der Reichen mitzumischen, ausgelassen.
Doch auch wie die Geschichte von Bonnie und Clyde hatte auch Mayas und Harrys Beziehung, romantisch oder doch nur kollegial, kein gutes Ende. Zwar hat das Schicksal sie wieder zusammengebracht, aber sie sind weit von einer Versöhnung entfernt. Wann auch immer sie ihm begegnet, stellt sie sicher, dass er ihre Abneigung ihm gegenüber spürt. Sei es ein gestelltes Bein oder ein scheinbar unabsichtlicher Rempler. Keinen einzigen Moment hat Harry den Frieden und die Ruhe, die er sich wünscht. Er wartet auf den großen Knall, die Rache an ihm.
Maya wird ihn büßen lassen und das so sehr, dass er sich wünschen wird, sie niemals getroffen zu haben, da ist er sich sicher. Nur er weiß noch nicht, was sie vorhat und wann sie ihren Plan durchführen wird. Jetzt, während er über die große Fläche, bewachsen mit dürr wirkendem Gras, spaziert und die Sonnenstrahlen genießt, fühlt es sich wie die Ruhe vor dem Sturm an.
Jeder lässt ihn in Ruhe, lediglich das Getuschel und die gelegentlichen, minimalen Handgreiflichkeiten erinnern ihn wieder und wieder daran, dass sie ihn niemals so leicht davonkommen lassen würde. Denn Maya hat noch niemanden, der sich in irgendeiner Hinsicht gegen sie gestellt hat, verschont. Niemals.
Ein kleiner Funken Hoffnung in Harry ist trotz alldem noch immer vorhanden und bringt ihn dazu, zu denken, dass Maya vielleicht eines Tages ihre Gefühle für ihn gestehen würde. Auch, wenn sie ihm ins Gesicht geschrien hat, dass sie niemals etwas für ihn empfinden wird, sagt ein kleiner Teil von ihm, dass sie lügt. Er kennt sie schon gut genug, um zu wissen, wann sie eine Maske aufsetzt und wann sie ihre echte Persönlichkeit zeigt.
Und während dieser Auseinandersetzung vor zwei Tagen war sie in ihrer Rolle als Blenderin.
Schon von weitem sieht er ihren kleinen, schmalen Körper, der sich ihm nähert. Ihre Beine bewegen sich schnell und lassen sie förmlich über den kargen Rasen fliegen. Noch bevor er sich umdrehen kann und, so peinlich es auch aussehen würde, vor ihr wegrennen kann, steht sie schon direkt vor ihm und krallt ihre Finger in seinen Unterarm.
„Hast du mich vermisst?", grinst Maya ihn an, als würde sie ihn nicht verabscheuen. Sie löst ihre Hand von seiner Haut und streckt beide Arme zur Seite aus, während sie fortsetzt: „Ich bin aus der Einzelhaft. Endlich wieder den Geruch von ungewaschenen Sträflingen und ekeligem Kantinenfraß nach 48 Stunden wieder einatmen zu können ist schon etwas Schönes."
Trotzdem Harry mehr als genervt von ihrem gekünstelten Verhalten ist, zwingt er sich ein halbherziges Lächeln auf die Lippen und klopft ihr, scheinbar freundlich, auf die Schulter. „Freut mich, dass du mich wieder tyrannisieren kannst. Ein Gefühl, das ich in den letzten drei Jahren unglaublich vermisst habe.", spottet er, Sarkasmus trieft förmlich aus seinem Mund.
„Genau das habe ich mir gedacht.", spielt Maya mit und macht mit dem rechten Arm eine ausladende Geste. Sie bewegt sich einen Schritt nach vorne und bietet dem Mann an: „Wir können doch ein Stückchen gemeinsam in der Sonne spazieren gehen. Der alten, tyrannischen Zeiten wegen."
Doch Harry dreht sich abrupt um und beginnt, in die entgegengesetzte Richtung zu gehen. Über die Schulter ruft er ihr, hörbar für sämtliche Insassen, die ebenfalls die Sonne genießen, zu: „Fahr doch zur Hölle, wo du hingehörst!"
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Prison / h.s
FanfictionHarry hat sie seit drei Jahren nicht mehr gesehen. In dieser Zeit war er auf der Flucht vor dem Rechtsstaat, den illegalen Geschäften, in die er von ihr hineingezogen wurde, und vor allem vor seiner Vergangenheit mit ihr. Nach all er der Zeit hat e...