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Unsanft werden Harry sowie die anderen drei Männer in der Zelle aufgeweckt, indem eine Wache mit seinem Knüppel die Gitterstäbe entlangfährt. „Aufstehen, ihr Dreckskerle. Ein neuer Tag in diesem Loch steht für euch an", ruft er, wodurch der Lockenkopf sich stöhnend mit beiden Händen über das Gesicht reibt.

„Du hast das Weichei, das sich ohne Prügelstock nicht zu uns traut, gehört. Also schwing deinen winzigen Hintern aus dem Bett.", ertönt nach einigen Sekunden, in denen Harry zugehört hat, wie die anderen scheinbar aufgestanden sind, eine Stimme direkt neben seinem Ohr. Erschrocken zuckt er zusammen und reißt die Augen auf. Er blickt in die Gesichter von Ian und Carl, die ihn verschlafen, aber dennoch einigermaßen fröhlich ansehen.

Während Harry sich aufrichtet und beide Beine über die Bettkante schwingt, murmelt er: „Wieso seid ihr so gut gelaunt?" „Der Kleine bekommt heute Besuch und ich werde die Wachen heute ein wenig aufmischen.", erklärt Ian und klopft zeitgleich dem jungen Mann neben sich auf den Kopf.

„Dominique kommt heute zu mir.", freut sich Carl breit grinsend und streicht sich über die Haare. Schlagartig verändert sich seine Miene und er fügt todernst hinzu: „Ich muss diese Cornrows loswerden, sie hasst solche Frisuren. Laut ihr tragen nur weiße Möchtegern-Gangster so etwas."

„Du bist ja auch ein weißer Möchtegern-Gangster.", mischt sich nun auch Niall ein, der sich mittlerweile die Schuhe sowie eine graue Weste über das weiße Unterhemd angezogen hat. Die Hände in die Taschen des warmen Kleidungsstückes gesteckt, steht er am Gitter, durch das er in den Gang zu den anderen Insassen sehen kann.

Er wird spielerisch von Carl angerempelt, der sich das Grinsen und die Vorfreude auf seine Frau nicht mehr aus dem Gesicht wischen kann. Schnell greift Harry, nachdem er seine Schuhe zugeschnürt hat, nach seiner ebenfalls grauen Weste.

„Sind wird alle bereit, den Kantinenfraß wieder hinunter zu würgen?", fragt Ian sarkastisch, als Antwort bekommt er halbherzige Zustimmung. Niall öffnet die Gittertür, die zuvor von einer Wache aufgeschlossen wurde, und tritt in den Gang hinaus.

Er ist gerade im Begriff, einen Schritt in Richtung der Kantine zu machen, da wird er plötzlich von einem Vorbeigehenden zurückgeschubst. Glücklicherweise fängt Ian ihn auf, bevor sein Hintern unsanft in Berührung mit dem Boden kommen kann.

„Aufpassen, wohin du rennst, Blondie!"

Niall verdreht lediglich die Augen und tritt erneut auf den Gang, die anderen drei folgen ihm sofort. „Maya hat etwas gegen mich.", lässt er Harry nach einigen Metern wissen, woraufhin der Angesprochene verwirrt die Augenbrauen zusammenzieht.

„Als ich in dieses Gefängnis gekommen bin und mit ihr gemeinsam in diese Anti-Aggressionen-Gruppe gehen musste, wollte sie mich als Bodyguard haben. Laut ihr könnte man meine Probleme perfekt ausnutzen, damit ich sie beschütze.", erzählt Niall, am Ende lacht er leise auf, um nicht die Aufmerksamkeit der anderen Insassen auf sich zu ziehen. Er lehnt sich im Gehen leicht zu Harry und flüstert: „Ich habe diese Bitch von Anfang an durchschaut."

„Ganz im Gegensatz zu Dimitrij Wesselow.", neckt Carl den Lockenkopf, indem er ihn bei einem der falschen Namen nennt, von denen er gestern erzählt hat. Peinlich berührt lacht Harry auf, hört dem weiteren Gesprächsverlauf jedoch nicht mehr zu.

Denn in seinen Gedanken ist er bei seiner Familie. Er kann und will sich nicht vorstellen, was sie mittlerweile von ihm denken. Wahrscheinlich ist er für sie eine Schande. Er sitzt in einem Gefängnis fest, wird bestraft für die zahlreichen Vergehen gegen die Gesetze und den Staat. Er hat Dinge getan, die er nie wieder machen wollen würde und am liebsten wieder ungeschehen machen würde, damit er bei seiner Familie sein kann.

Prison / h.sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt