06-Jetzt

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„Du solltest dich vielleicht waschen, dein Geruch ist echt ekelerregend.", lässt ihn ein Mann mit blond gefärbten Haaren wissen, der sich soeben die Hände in einem Waschbecken säubert. Aus seiner Schockstarre gelöst zuckt Harry zusammen, sein Kopf schnellt in die Richtung der Stimme. Mit einem sympathisch wirkenden Lächeln auf seinen Lippen stellt der Unbekannte sich vor: „Ich heiße Niall, wir schlafen in der gleichen Zelle. Du warst gestern ein wenig durch den Wind, deswegen wollte ich dich in Ruhe lassen."

„Harry", nennt der Lockenkopf knapp seinen Namen und nickt ihm zu, bevor er auf den Gang rennt, auf der Suche nach Maya. Dessen unverkennbarer, dunkelroter Haarschopf verschwindet soeben hinter einer Ecke und Harry beginnt sofort, ihr hinterher zu sprinten. Auf seinem Weg muss er zahlreichen Insassen ausweichen und überholen, da sich alle scheinbar gerade zur Cafeteria begeben.

„Maya, warte doch!", ruft er und erweckt somit die Aufmerksamkeit eines Wärters. Dieser packt Harry an einem Arm und zischt ihn an: „Wenn du noch einmal wie ein Mädchen, das seinem Schwarm nachrennt, herumschreist, kommst du in die Einzelhaft."

Schnell nickt Harry und entschuldigt sich hastig: „Wird nicht noch einmal vorkommen." Anschließend setzt er seinen Weg wieder mit eilenden Schritten fort, woraufhin er endlich bei der Frau ankommt.

Er dreht sie an ihrer rechten Schulter zu sich um, bevor Maya augenverdrehend seufzt: „Was willst du denn schon wieder?" Sie will sich wieder von ihm entfernen, doch Harry hält sie an ihren Oberarmen fest. So fest, dass sie schmerzerfüllt die Luft einzieht und nach ihren Begleitern ruft: „Mitch, Will! Schafft ihn weg von mir!"

„Höre mir doch zu und lass dieses kindische Getue.", fährt Harry sie so wütend an, wie er es zuvor noch nie getan hat. Da sie stumm bleibt, überrascht von seiner Reaktion, setzt er fort: „Ich habe nie gemeint, dass du mir mein Leben zur Hölle machen sollst. Ich finde, dass wir einfach friedlich nebeneinander in diesem Gefängnis existieren, unsere Zeit absitzen können. Nicht mehr und nicht weniger." Er schüttelt sie sanft, als müsste er sie von einem Albtraum aufwecken und fügt hinzu: „Wir müssen uns nicht hassen, früher hast du mir sogar vorgespielt, das genaue Gegenteil zu tun. Mich zu lieben."

„Ich habe keine echten Gefühle für dich", kontert Maya emotionslos und bewirkt somit, dass er sie fassungslos loslässt. Er tritt einen Schritt zurück, als wäre sie giftig für ihn, und schüttelt ungläubig seinen Kopf. Wissend, dass sie mit diesem Thema seinen wunden Punkt, seine Achillesferse trifft, redet sie weiter: „Ich hatte noch nie welche. Du hast dir das alles, unsere sogenannte Liebe, nur eingeredet, weil du dachtest, dass ich dein Verlangen nach Zuneigung erwidere. Aber ich habe in dir immer nur einen Arbeitskollegen gesehen, der mit illegale Geschäfte verrichten muss. Ab und zu waren du und dein Schwanz auch eine gute Ablenkung."

Harry hält sich kindisch mit beiden Händen die Ohren zu und kneift die Augen zusammen, um zu verhindern, dass sich Tränen ihren Weg über die Wangen bahnen können. „Du lügst, Maya. Das sagst du nur, weil ich dich damals im Stich gelassen habe.", will er die Wahrheit verleugnen und als er ihre eiskalten Finger auf seiner Schulter spürt, schlägt er diese weg und schreit sie an: „Du lügst! Schaue mir in die Augen und sage mir, dass ich dir nie etwas bedeutet habe. Du kannst mich doch nicht angelogen haben, als ich dein Leben gerettet habe. Als ich dich immer wieder beschützt habe und du mir gesagt hast, dass du mich auch liebst."

„Ich habe dich nie geliebt. Du warst immer nur mein Arbeitskollege sowie eine Ablenkung", raunt sie, während sie ihm tief in die Augen sieht. Sie nimmt sein Gesicht in beide Hände und wischt mit den Daumen seine Tränen weg, die endlich aus seinen Augen fließen. Mit eindringlicher Stimme wiederholt sie, hörbar für alle, die sich dieses Spektakel neugierig ansehen: „Ich liebe dich nicht, Harry Edward Styles. Niemals würde ich so etwas wie Liebe für dich, geschweige denn, für irgendeine Person auf dieser verfickten Welt empfinden."

Verbittert stößt er sie von sich weg, sodass sie beinahe nach hinten auf den Boden fällt, wenn ihre Begleiter sie nicht aufgefangen hätten. „Du bist feig.", zischt Harry und deutet mit einem Zeigfinger auf die Frau vor sich. „Du hast einfach nur Angst davor, deine Gefühle zuzulassen. Du könntest dadurch verwundbar werden und das wolltest du noch nie sein. Scheinbar hast du vergessen, dass ich dich besser als jeder andere Mensch auf diesem Planeten kenne."

Er wischt sich über die Wangen, über die dennoch vereinzelt Tränen gerollt sind und fügt mit herablassender Stimme hinzu: „Besser als deine Eltern, die dich nicht einmal kennenlernen wollten im Gegensatz zu mir."

„Lasse meine Eltern aus dem Spiel!", schreit Maya ihn an und will auf ihn losgehen, doch sie wird von den zwei Männern, die wie Bodyguards an ihrer Seite sind, zurückgehalten. Einer von ihnen schlingt beide Arme um ihre Taille, während sie mit den Händen nach Harry greifen will. Wieder ruft sie: „Meine Eltern haben mit dem Ganzen nichts zu tun."

„Wie du meinst, Maya", lacht er abwertend und sarkastisch. Er schüttelt den Kopf und wendet sich von ihr ab. Um sie Schmerzen fühlen zu lassen, die er dank ihrer unerwiderten Liebe spürt, spottet er: „Vielleicht werden sie dich ja bald von mir wegholen, falls sie sich jemals für dich interessieren sollten."

So schnell, dass Harry nicht realisieren kann, reißt sie sich von ihren Beschützern los, indem sie ihnen gekonnte Tritte versetzt, und nähert sich ihm. Da sie viel kleiner, viel schmäler als er ist, erwartet er nicht, dass sie ihn gegen eine Wand drücken kann und nur wenig später eine Hand mit seiner Wange in Berührung kommt. Sein Kopf schnell durch die feste Ohrfeige zur Seite und er fasst sich perplex an die gerötete Haut. Bevor er sie fragen kann, ob sie noch bei Verstand ist, schreit Maya ihm ins Gesicht: „Ich habe gesagt, dass du sie aus dem Spiel lassen sollst! Nur weil ich deine kindischen Gefühle für mich zunichtegemacht habe, denkst du, dass du mich nun ebenfalls verletzen musst. Aber weißt du was?"

Sie wartet einen Moment und sieht sich in der Menschenmenge, die sich mittlerweile um sie gebildet hat, um, als würde sie nach einer bestimmten Person suchen. Schließlich blickt die Frau Harry wieder mit Rage in ihren Augen und lässt ihn mit lauter Stimme wissen: „Du kannst meine Gefühle nicht angreifen, weil ich keine mehr habe."

Anschließend packt Maya ihr Gegenüber am Kragen seines weißen T-Shirts und schüttelt ihn gewaltvoll, während sie laut wiederholt: „Ich habe keine Emotionen und du wirst niemals etwas daran ändern."

„Sofort voneinander entfernen!", ertönt eine Stimme und wenig später wird Maya von zwei Wärtern weggezogen. Der Glatzköpfige hält beide ihrer Arme hinter ihren Rücken und platziert Schellen auf ihren Handgelenken. „Das werden für dich einige Stunden in der Einzelhaft bedeuten, Fräulein Delaro", raunt er ihr zu und zieht sie an dem Metall an ihren Unterarmen unsanft weg von Harry.

Dieser wird mittlerweile von dem anderen Wärter mit dem Bauch gegen die Wand gedrückt. Im Gegensatz zu der Frau leistet er keinen Widerstand und sieht zu, wie sie vor zahlreichen anderen Insassen weggeführt wird. Auch um seine Handgelenke werden Schellen angebracht, der Mann hinter ihm tadelt ihn vorwurfsvoll: „Du bist nicht einmal 24 Stunden in diesem Dreckloch und streitest dich schon übertrieben laut mit deiner Ex. Wenn du so weitermachst, kannst du deinen letzten Funken Freiheit vergessen und dich in der Einzelhaft mit dir selbst zanken."

„Es tut mir leid, ich bin kein gewaltsamer Mensch, weder verbal noch körperlich, das müssen Sie wissen. Daher wird es nicht mehr vorkommen, dass ich mich mit dieser Frau streite.", verteidigt Harry sich, während er von der Wand weggezogen wird. Der Wärter führt ihn durch die sich langsam auflösende Menschenmasse, zurück zu den Zellen und lacht kurz auf.

„Das sagen alle. Aber wenn du nicht gewaltsam wärst, wärst du ja auch nicht hier gelandet, Mr. Friedliebender Mörder.", verspottet er Harry und öffnet die Handschellen wieder. Der Lockenkopf reibt sich sanft über die gereizte Haut und sieht sein Gegenüber fassungslos an.

Er öffnet den Mund, um nachzufragen, woher der Wärter seine Akte kennt, da teilt dieser ihm mit: „Du wirst dein Frühstück alleine zu dir nehmen, das sollte als erste Strafe genügen."

Anschließend lässt er die Gittertür zufallen, begleitet von einem lauten Knall, und sperrt das Schloss ab. Harry schlingt seine Hände um zwei Metallstäbe und lehnt seine Stirn gegen diese. „Ich verdiene das, wenn ich mich auf diese Bitch einlasse", murmelt er zu sich selbst und schließt erschöpft die Augen.

Prison / h.sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt