„Na, Frischling, Lust auf einen Deal?", ertönt eine Stimme hinter Harry, von der er bis jetzt gedacht hat, nie wieder in der Lage zu sein, sie zu hören. Er dreht sich ruckartig um und blickt in diese Augen, die in einem hellen Braun erstrahlen, welches ihn an Bernstein erinnert. Ihre Lippen sind zu einem hämischen, schiefen Grinsen verzogen, noch immer sind sie hellrosa gefärbt. Sie hat ihre Arme vor der Brust verschränkt und hat das Gewicht auf den rechten Fuß verlagert, sie strahlt mit jeder Faser ihres Körpers Macht aus. So wie schon immer.
Harry räuspert sich und reißt sich eigenhändig aus seinen intensiven Beobachtungen. Trotz seinen Lebenserfahrungen, die er dank ihr über die letzten Jahre gesammelt hat, fällt es ihm schwer, sich nicht von ihr einschüchtern zu lassen. Er fährt sich nervös durch die Haare und steigt von einem Fuß auf den anderen. „Erkennst du mich noch?", fragt er vorsichtig, bereit, von ihr wegen solch einer dummen Frage angeschrien zu werden.
Doch sie lacht nur laut auf. Sie stützt sich an einem ihrer zwei großen und breiten Begleiter ab, der sie schmunzelnd anblickt. Ihr Bauch krümmt sich vor Lachen und wenige Momente später hat sie dadurch die Aufmerksamkeit aller Insassen auf sich gelenkt. Dies hat sie schon immer gut gekonnt. Sie konnte schon immer jeden, der sich in einem Raum mit ihr befand, in ihren Bann ziehen. In seinen Gedanken bemerkt Harry, dass sie diese Fähigkeit nach all den Jahren nicht verlernt hat. Auch, wenn sie ihn nur übertrieben fröhlich auslacht.
„Wie könnte ich dich vergessen, mein Lieber?", hallt ihre Stimme schließlich durch den ganzen Raum und sie wischt sich mit einem Handrücken über die Augen. Grinsend setzt sie sich langsam in Bewegung und deutet ihren Begleitern mit einer Geste, still stehenzubleiben. Mit jedem Schritt, dem sie ihm näherkommt, verrät sie eine Information über ihn, hörbar für alle: „Harry Edward Styles. Spitzname Harold oder Hazza. Geboren am ersten Februar 1994, sechs Minuten nach Mitternacht. Geburtsort Redditch, Vereinigtes Königreich oder auch einfach nur England genannt. Deine Eltern heißen Anne Twist und Desmond Styles, du hast einen Stiefvater namens Robin Twist und eine Schwester namens Gemma Styles. Aufgewachsen in Holmes Chapel, Cheshire, ebenfalls Vereinigtes Königreich."
Endlich ist sie direkt vor ihm angekommen und streichelt mit einer Hand über seine Wange. Harry traut sich nicht, von ihr wegzuzucken oder einen Schritt nach hinten zu machen, denn dies hat noch nie gut geendet. Sanft lächelnd neigt sie ihren Kopf nach links und fragt mit lauter Stimmer: „Habe ich noch etwas vergessen?" „Wieso so ein kleines, hübsches Bürschchen in so einem Drecksloch ist.", ruft irgendjemand im Raum, woraufhin Raunen und neugieriges Geflüster entsteht.
„Also, jetzt bin ich überfragt. Harry, wieso sagst du uns nicht, weshalb du hinter Gitter gesteckt wurdest?", fordert sie ihn auf und ihr Mund verzieht sich zu einem breiten, gehässigen Grinsen. Er wendet sein Gesicht von ihr ab und schließt die Augen, da er keine Lust hat, über so ein Thema zu reden. Am Liebsten würde er ja sofort wieder verschwinden, in eine Freiheit ohne diese Frau, die sein Leben zur Hölle gemacht hat.
Als er nach wenigen Sekunden nicht antwortet, packt sie sein Kinn und drückt ihre Finger fest gegen seine Haut, sodass er schmerzerfüllt aufzischt. Sie dreht seinen Kopf so, dass das Grün seiner Augen auf ihr Braun trifft, welches ihn eindringlich anstarrt. „Ich habe dir eine Frage gestellt, die du auch beantworten wirst.", raunt sie und durch eine fast unbemerkte Geste ihrerseits beginnen die zwei Begleiter, sich ihr langsam zu nähern.
„Was willst du machen, wenn ich dir keine Antwort gebe?", provoziert Harry sie absichtlich mithilfe einer Welle des Mutes, die ihn plötzlich überkommt, seine Lippen verziehen sich zu einem Schmunzeln. Überrascht von seiner Aussage öffnet sie ihren Mund, doch es kommt kein Ton heraus. „Hm? Ich habe deine Drohung nicht gehört, könntest du sie für mich wiederholen?", fügt er hinzu und zieht beide Augenbrauen abwartend nach oben. Doch weiterhin steht sie starr da, ohne ein einziges Wort zu verlieren.
Gerade, als er denkt, dass er sie zum ersten Mal in seinem ganzen Leben sprachlos zurücklassen kann, hält sie ihn mit einer Hand auf seiner Brust auf der Stelle, an der er steht, fest und beginnt, nachzuforschen: „Weswegen wurdest du verhaftet und angeklagt? War es der internationale Transport von Drogen? Der Identitätsraub zahlreicher Personen? Deine Geschäfte auf dem Schwarzmarkt, vor allem mit illegalen Gewehren und anderen Waffen? Oder doch die Banküberfälle? Warte, wie viele waren es?"
Gekünstelt tippt sie sich mit ihrem Zeigefinger auf die Lippe und täuscht vor, zu überlegen. Schließlich zeigt sie wieder auf ihn und setzt fort: „Oh ja, ich kann mich wieder erinnern. Es waren insgesamt sechs, jeder auf einem anderen Kontinent. Das waren noch Zeiten. Gute, alte Zeiten." Sie blickt in die Luft, driftet für wenige Augenblicke in diese Erinnerungen ab, bevor sie Harry wieder mit gespielter Neugierde anschaut.
„Oder haben sie dich doch endlich wegen des Mordes erwischt?", fragt sie scheinbar unwissend nach. Beschämt blickt Harry zu Boden, da er sich nur ungern an dieses Kapitel seines Lebens erinnert. Ein Raunen geht durch den großen Raum und gelegentlich schnappt er einige Satzfetzen, wie „der Bursche kann doch niemanden ermordet haben, dafür wirkt er viel zu brav", auf.
Seufzend schüttelt er den Kopf, um die düsteren Gedanken zu verscheuchen. „Es war Notwehr und das weißt du auch. Du hast es ja gesehen, dass er mich umbringen wollte. Vor allem, dass er uns beide umbringen wollte.", verteidigt er sich, hörbar für alle, damit sie wissen, dass er nicht wahllos einen Menschen umbringen würde. Wieder blickt er in ihr Gesicht und setzt fort: „Vergesse nicht, dass du ohne diesen Mord nicht mehr am Leben sein würdest."
„Dafür werde ich dir ja auch bis in alle Ewigkeiten dankbar sein.", grinst sie und lässt eine Hand durch seine langen Haare fahren. Da sie weiß, wie sehr es ihn wütend macht, wenn seine braunen Locken durcheinander sind, wuschelt sie ihm durch diese, sodass sie wenig später wie ein Nest auf seinem Kopf aussehen. Gereizt versucht Harry, das Chaos zu richten, während wieder ihre klare, helle Stimme ertönt: „Die Neulinge kommen meistens nicht ungeschoren davon, sie können ruhig wissen, wie hart das Leben im Gefängnis ist. Aber dich verschone ich."
Sie dreht sich abrupt um und deutet ihren Begleitungen, ihr zu folgen. Ohne sich noch einmal ihm zuzuwenden, ruft sie: „Zumindest vorerst."
„Soll ich dir dafür dankbar sein?", kontert Harry, wodurch er die Frau abrupt zum Stehen bringt. Selbst durch das locker an ihrem Oberkörper liegende T-Shirt erkennt er, wie sich ihre Schultern anspannen, ihre Hände ballen sich zu Fäusten.
Wie in Zeitlupe dreht sie sich wieder um und starrt ihm in die Augen, Rage ist in ihren bernsteinfarbenen zu erkennen. Ihre zwei Begleiter drängen sich augenblicklich an ihr vorbei und marschieren auf ihn zu. Sie sind beide mindestens noch einen Kopf größer sowie beinahe doppelt so breit wie Harry und schaffen es, ihn allein mit ihrer sich nähernden Präsenz einzuschüchtern.
„Du solltest mir dafür dankbar sein, dass ich Dick und Doof nicht hier und jetzt auf dich loslasse.", raunt sie mit zusammengekniffenen Augen und schnippt, wodurch sie ihre Bodyguards zurückpfeift.
„Genügt ein einfaches Danke oder soll ich auch auf die Knie fallen und dich anbeten?", spottet Harry laut und deutlich hörbar für jeden in diesem Raum. Dieses Mal wendet sich die Frau nicht mehr wieder zu ihm, sondern ruft ihm lediglich noch zu: „Du kannst mir gerne ein anderes Mal den Arsch lecken."
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Prison / h.s
FanfictionHarry hat sie seit drei Jahren nicht mehr gesehen. In dieser Zeit war er auf der Flucht vor dem Rechtsstaat, den illegalen Geschäften, in die er von ihr hineingezogen wurde, und vor allem vor seiner Vergangenheit mit ihr. Nach all er der Zeit hat e...