26-Damals

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Hustend bläst Harry den Rauch aus seinen Lungen, beinahe fällt ihm die Zigarette aus der Hand. Maya streicht ihm beruhigend durch die Haare und raunt: „Ignoriere das Kratzen in deiner Luftröhre, es wird nach ein paar Zügen verschwinden."

„Wieso muss ich rauchen?", fragt er und sieht auf den glimmernden Stängel, eingeklemmt zwischen seinem rechten Zeigefinger und Ringfinger. Anstatt zu antworten, umfasst sie sein Handgelenk und hebt dieses vor sein Gesicht.

Mit einem auffordernden Blick deutet sie dem Mann, erneut die Zigarette in den Mund zu nehmen, erneut den schädlichen Rauch einzuatmen. „Weil Dimitrij Wesselow ebenfalls geraucht hat", erklärt Maya ihm schließlich, bevor sie ihm die kleine Stange abnimmt.

Verwirrt sieht Harry ihr zu, wie sie einen Zug nimmt und entspannt durch die Nase ausatmet, eine kleine, graue Wolke bildet sich vor ihrem Gesicht. Er forscht vorsichtig nach: „Wieso redest du von ihm in der Vergangenheit?" „Weil der gute, alte Dimitrij vor zwei Tagen mit seiner Frau, Irina, einen tragischen Unfall hatte und in seinem eigentlichen Körper nicht mehr unter uns weilt. Wir können von Glück reden, dass erstens unsere Leute die Ausweise der Leichen aus dem brennenden Auto holen konnten und Dimitrij zweitens beinahe so gut ausgesehen hat wie du", antwortet Maya, mit jedem Wort scheinen sich seine Augen mehr zu weiten.

„Ich habe die Identität eines Toten?", haucht Harry entrüstet und fährt sich nervös durch die Haare. Er wirft einen Blick auf das Casino, das sich auf der anderen Seite der Straße befindet und das den dunklen Nachthimmel mit zahlreichen Scheinwerfern erhellt.

Sanft platziert die Frau einen Kuss auf seiner rechten Wange, der Geruch von Rauch dringt ihm sofort in die Nase. „Es wäre ja peinlich, wenn sich plötzlich zwei Ehepaare namens Wesselow im Casino Barrière le Touquet befinden", kichert sie leise, hofft, dass sie so die Stimmung lockern kann.

Doch Harry starrt weiterhin auf das prachtvolle Gebäude und bleibt stumm. „Ach komm' schon, Baby. Er wäre so oder so gestorben, daran können wir nichts mehr ändern", redet sie ruhig auf ihn ein, der Kosename lässt sein Herz für einen Moment aussetzen.

Endlich löst er sich aus seiner Starre und studiert den Anblick der Frau links neben sich genau ein. Ihr dunkelblaues Kleid reicht beinahe bis auf den Boden und besitzt einen klassischen Ausschnitt entlang ihres rechten Beins. Allein zwei dünne Schnüre halten es an den Schultern, der Ausschnitt ist reichlich tief. Zahlreiche Glitzersteine schmücken den Stoff, der gerade an ihrem Körper herabhängt und dennoch ihre Kurven betont.

Die mittlerweile blond gefärbten Haare sind zu einem lockeren Dutt in ihrem Nacken zusammengefasst, einzelne Strähnen umrahmen das Gesicht. Großzügig hat Maya dieses mit einem langen, spitzen Eyeliner sowie grauem, glitzerndem Lidschatten geschmückt, ihre Lippen sind blutrot gefärbt.

„Du siehst wunderschön aus", platzt es aus Harry heraus, bevor er sich davon abhalten kann. Augenblicklich färben sich ihre Wangen zartrosa und sie sieht peinlich berührt zu Boden. Um nichts sagen zu müssen, nimmt sie einen weiteren Zug der Zigarette und schnippt anschließend den bereits verbrannten Teil des Stängels auf den Boden.

Er fährt sich durch seine Haare und streicht die Falten aus seinem schwarzen, klassisch gehaltenen Anzug. Die Fliege, farblich zu ihrem Kleid passend, sitzt schief an seinem Hals, bis Maya sie einhändig richtet.

„Was genau müssen wir jetzt machen, sobald wir im Casino sind? Abgesehen von pokern und Roulette spielen", will Harry wissen und greift nach der Zigarette. Auf der anderen Straßenseite erkennt er, wie ein schwarzes, poliertes Auto direkt vor dem Eingang haltet und ein älterer Mann mit grauem Haar, begleitet von einem jungen Mädchen aussteigt. Er legt eine Hand auf ihren Rücken und führt sie mit schnellen Schritten, schon fast gehetzt, in das Gebäude.

Prison / h.sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt