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Harry sieht sich in dem Gemeinschaftsraum um, auf der Suche nach seinen Zellengenossen. Als er vor einigen Minuten zu seinem Schlafplatz gesehen hat, waren ihre Betten leer und wenn man Mayas Aussagen glauben kann, befinden sich die meisten Insassen nachmittags in dem großen Raum.

Tatsächlich sitzen einige Personen an mehreren Tischen. Manche haben Karten in ihren Händen und spielen miteinander, manche halten ein Buch oder eine Zeitschrift und meiden Konversationen mit den anderen. Von allen Seiten dringen Stimmen in Harrys Ohr, die sich allesamt über die verschiedensten Themen unterhalten.

„Hast du schon gehört, dass Maya wieder ihren Loverboy unter ihrem Befehl hat?", hört er eine Frau mittleren Alters, die mit fünf Gleichaltrigen an einem Tisch sitzt. Sie wirft ihm einen vielsagenden Blick zu, als er sich ihnen nähert und setzt fort: „Kein Wunder, dass sie ihm nicht widerstehen kann. Ich würde den Jungen gerne einmal in unsere Zelle einladen."

Räuspernd geht Harry an den sechs Damen vorbei, woraufhin sie sich erschrocken zu ihm umdrehen. Er zwinkert derjenigen, die vorher über ihn geredet hat, zu und raunt: „Ich fühle mich geehrt, der Mittelpunkt der Fantasien von euch reizenden Frauen zu sein."

Eine Mischung aus Kichern und Gackern ertönt und eine von ihnen pfeift ihm nach. Unwillkürlich schleicht sich dadurch ein breites Grinsen auf seine Lippen und er schüttelt belustigt den Kopf. In der hintersten Ecke entdeckt der Lockenkopf endlich orange, kurz rasierte Haare, die zu Ian gehören. Rechts neben diesem besetzt Niall einen Stuhl, links von ihm eine für ihn noch immer namenlose Frau. Erst einmal hat Harry sie gesehen, als sich die Gruppe, die sich gegen Maya verschworen hat, in der Kantine vor dem Frühstück getroffen hat.

Sie alle starren gebannt auf einen kleinen, würfelförmigen Fernseher, vertieft in eine Serie, die Harrys Mutter früher immer angesehen hat und bemerken gar nicht, dass er sich ihnen nähert. Knarzend zieht er einen weiteren Sessel heran und stellt ihn neben den Blonden. Er lässt sich auf den Stuhl fallen und begrüßt die drei Personen: „Schön, euch zu sehen!"

„Bist du schon zurück von deinem Abenteuer mit der Hexe?", begrüßt Ian ihn und reißt seinen Blick von dem flimmernden Bildschirm los. Er schenkt Harry ein sympathisches Lächeln und bittet ihn witzelnd: „Erspare uns die Details, außer du willst von deinem guten Stück zwischen den Beinen erzählen. Da wäre ich ganz Ohr."

Die Frau links von dem Orangehaarigen lacht kurz humorlos auf und raunt: „Ian, deine Homosexualität übernimmt schon wieder dein Gehirn." „Soll es mir etwa leidtun, dass mein Sexualtrieb noch nicht verkümmert ist, im Gegensatz zu deinem?", fordert er sie heraus, woraufhin sie ihm stumm gegen die Schläfe schnippt.

Während der Mann ein leises „Aua" hervorbringt und sich an die schmerzende Haut fasst, räuspert Harry sich und nimmt all seinen Mut zusammen. „Könnt ihr mir erzählen, was mit Maya passiert ist, als sie neu hier war?", forscht er unsicher nach, woraufhin die Frau den Kopf abrupt ihm zuwendet.

Sie kneift die Augen zusammen und verschränkt die Arme. „Was hat sie dir denn gesagt über diese Zeit?", raunt sie misstrauisch, bevor sie von Ian angestoßen wird.

„Sei doch nicht gleich so aggressiv, wenn nur ihr Name fällt. Das lässt dich wie eine verbittertes Weib in ihrer Midlife-Crisis wirken", scherzt er und erntet von Niall zustimmendes, lautes Lachen. Doch die Frau verdreht lediglich ihre Augen und schlägt dem Orangehaarigen mit der flachen Hand auf den Hinterkopf. Zornig fährt die Namenlose ihn an: „Ich habe allen Grund, so auf diese Bitch zu reagieren."

„Wieso genau?", fragt Harry vorsichtig, ihre dunkelbraunen Augen starren ihn erneut an, als würde sie ihm Angst machen wollen, sodass sie ihm nicht antworten muss. Doch er erwidert ihren Blick ohne zu zögern und wartet, bis sie ihren Mund öffnet.

Prison / h.sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt