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Durch das kleine, schmale Fenster am oberen Ende der Wand gegenüber den Gitterstäben fallen die letzten Strahlen der inzwischen untergehenden Sonne. Die einzelne Leuchtröhre in dem kleinen Raum sowie die im Gang platzierten tauchen die ganze Einrichtung in künstliches, grell weißes Licht. Harry hat sich vor einigen Minuten auf seinem Bett auf der rechten Seite der Zelle niedergelassen und versucht, den widerwärtigen Geruch der nackten Füße direkt über seinem Kopf zu ignorieren.

Die klobigen, schwarzen Schuhe an seinen eigenen werden soeben von ihm sorgfältig geöffnet, indem er an den zwei Enden des Schnürsenkels zieht und somit die Schleife verschwinden lässt. „Hey, Harry. Hast du Lust, eine Runde Mau-Mau mit uns zu spielen?", bietet Niall ihm plötzlich an und als der Lockenkopf seinen Blick hebt, erkennt er wieder das sympathische Lächeln auf den Lippen seines Gegenübers.

Dennoch skeptisch sieht Harry zu dem Insassen liegend in dem Bett über dem Blonden sowie auf die Füße des Mannes direkt über ihm. Der Fragende scheint dies zu bemerken und verteidigt sich leise lachend: „Nur, weil die meisten hier in diesem Knast Vergewaltiger oder Mörder sind, heißt es noch lange nicht, dass wir drei hier auch so schlimm waren."

„Was habt ihr sonst angestellt, dass ihr hier sitzen müsst?", will Harry wissen durch die in ihm geweckte Neugierde. Er kickt die Schuhe von seinen Füßen, um sie anschließend sorgfältig unter sein Bett zu stellen. Während er beide Ellbögen auf jeweils einem Knie abstützt und seinen Kopf in den Händen ablegt, antwortet Niall: „Wir werden es dir erzählen, wenn du mit uns Mau-Mau spielst."

Eine Minute später sitzen alle vier Männer, die die Zelle bewohnen, in der Mitte dieser auf dem Boden, so dass sich immer zwei von ihnen gegenübersitzen. Ein Insasse mit dunkelorangenen, rasierten Haaren sowie blasser Haut links von Harry mischt soeben die Karten und erzählt währenddessen: „Ich bin Ian, du Arschloch wolltest dich anfangs ja nicht vorstellen, Mr. Ich-vögel-die-Anführerin-des-Gefängnisses."

„Sei ein wenig netter, Ian. Harry hatte einen schweren Start, hast du nicht von der toten Ratte beim Abendessen gehört?", tadelt Niall ihn wie eine Mutter ihr pubertäres Kind. Der Angesprochene verdreht lediglich die Augen und mischt weiterhin die Karten, während der Blonde sich bei Harry für sein Verhalten entschuldigt.

„Aber es tut jetzt ja nichts zur Sache, wohin du deinen Schwanz steckst, beziehungsweise gesteckt hast. Du willst wissen, weshalb wir hier gelandet sind, oder?", setzt Ian unbeirrt fort und hebt seinen Blick von den Karten in seiner rechten Hand. Seine grauen Augen blicken direkt in Harrys grüne, für einige Sekunden starren sie einander an. Bis der Mann mit den orangenen Haaren beginnt, den Stapel gleichmäßig auf vier Spieler aufzuteilen.

Ein Schmunzeln ziert seine Lippen, als er erzählt: „Ich bin, oh Wunder, nicht wegen Mordes oder wegen Drogen hier im Dreckloch. Bis vor zwei Jahren war ich im Militär, bei der Army in Hurghada. Aber irgendwann habe ich beschlossen, dass anderen Männern eine Kugel in die Köpfe zu ballern nicht das Wahre ist und wollte mich verpissen. Da ich nicht einfach gehen konnte, wann ich wollte, habe ich einen Hubschrauber gestohlen und bin nach Italien geflohen. Dort haben mich die Arschköpfe schließlich erwischt und haben mich etwas unsanft vom Himmel geholt, indem sie die Drehscheiben im Flug zerstört haben."

„Wie lange musst du hier deine Zeit absitzen?", fragt Harry nach und beginnt, die Karten in seinen Händen zu sortieren. Ein humorloses Lachen ertönt in der Zelle, bevor Ian antwortet: „Lebenslänglich."

Überrascht reißt der Lockenkopf die Augen weiter auf und sieht zu dem Mann links von ihm. Dieser zuckt lediglich mit der Schulter und murmelt: „Wenigstens habe ich eine spannende Geschichte zu erzählen, ganz im Gegensatz zu dem Weichei Carl." Mit dem Daumen deutet Ian auf den Insassen gegenüber von Harry.

Prison / h.sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt