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Inmitten der Schicht in der Reinigung betreten drei Personen den Raum, der lediglich von dem Surren der Waschmaschinen erfüllt wird. Harry legt soeben die trockenen T-Shirts zusammen, sortiert nach Größen, Maya beschäftigt sich mit den Hosen. Wortlos stehen sie nebeneinander, haben sich offensichtlich nichts zu sagen, obwohl beide die Stimme des jeweils anderen hören wollen.

Die drei Insassen, die in ihre Sichtfelder treten, legen kleine Becher, deren Öffnung mit einer silbernen Folie überzogen ist, auf den Tisch vor ihnen. „Wir müssen reden", kommt Frau Tarassow direkt zur Sache, ohne die zwei zu begrüßen. Sie zieht aus ihrer grauen Westentasche zwei Plastiklöffel hervor und streckt diese Maya und Harry entgegen. Mit hochgezogenen Augenbrauen fordert sie auf: „Na los, esst diesen Schokopudding. Ich stehle nicht oft aus meiner Küche, also solltet ihr diese Geste zu schätzen wissen."

„Ich möchte aber nicht darüber sprechen. Es wurde bereits alles gesagt, ihr könnt mich wieder in Ruhe lassen", weicht Maya sofort auf und setzt ihre Tätigkeit fort, ohne die drei Personen eines Blickes zu würdigen. Nickend deutet sie auf das Dessert und raunt: „Wenn dieser Scheiß die Kleidung wieder verschmutzt, erwürge ich mit einem der mit Sperma beschmutzten Bettlaken."

„Freundlich wie eh und je", murmelt Tessa missmutig und entfernt die Becher von dem Tisch. Sie steckt sich das Essen in ihre Taschen und schließt den Reißverschluss ihrer Weste. Abwehrend verschränkt sie die Arme, als die Rothaarige genervt die Augen verdreht.

Maya stößt den Mann links neben sich sanft am Arm an und weist ihn an: „Sprich doch du mit ihnen, ich habe, wie gesagt, keine Lust darauf." „Und ich habe keine Lust auf dein kindisches Verhalten", kontert Harry wütender als geplant, woraufhin sie überrascht die Augen weit aufreißt. Er räuspert sich und fügt, dieses Mal mit ruhigerer Stimme, hinzu: „Also los, rede mit ihnen und bekräftige sie nicht noch in der Annahme, dass du eine böse Hexe bist."

„Von diesem Image wegzukommen wird eine lange Zeit dauern. Vielleicht so lange, bis du aus dem Gefängnis entlassen wirst, falls das jemals passiert", spottet Tessa, wird jedoch sofort von Samira auf der Schulter geschlagen. Auch Frau Tarassow wirft ihr vielsagende, böse Blicke zu, die ihr signalisieren, dass sie ruhig sein soll.

Gleichgültig zuckt Maya mit der Schulter und wendet sich an Harry: „So etwas muss ich mir bieten lassen?" „Natürlich nicht, deswegen wird Tessa mir das Reden überlassen", mischt die ältere Dame sich ein und stützt sich mit den Händen auf der Tischkante ab.

„Du hast Cher also nie etwas getan, obwohl sie dich foltern wollte", stellt Samira fest, so unsicher, dass der Satz wie eine Frage klingt. Zuerst antwortet die Rothaarige lediglich mit einem stummen Nicken, doch als die Personen um sie sie abwartend ansehen, spricht sie: „Wieso sollte ich eine Frau verletzen, die wegen eines falschen Grundes wütend auf mich ist? Ich wusste ja, dass meine gelogene Aussage Konsequenzen haben würde."

„Trotzdem hast du Anita ein L auf ihrem Unterarm eingebrannt", zischt Tessa zwischen zusammengepressten Zähnen.

Schuld spiegelt sich für einige Momente in Mayas Augen, was jedoch nur Harry erkennt. Denn allein er war bei ihr, als die Last, die sie trägt, auf sie niedergebrochen ist und die Farbe von Bernstein genau dieses Gefühl dargestellt hat. Doch schnell blinzelt sie einige Male und erklärt: „Nicht zu vergessen, dass dieser Psycho mir meinen kleinen Zeh abhaken wollte, weil sie Spaß daran hat, anderen Menschen Leid zuzufügen. Ich wollte ihr eine kleine Lektion erteilen, dass sie sich nie wieder an mir vergreifen soll."

„Tessa, halte jetzt deinen Mund. Du warst dabei, als Anita das getan hat, weshalb du auch nicht unschuldig bist", warnt Tarassow die Orangehaarige mit bedrohlicher Stimme. Als Reaktion erntet sie lediglich Augenverdrehen von ihr.

Prison / h.sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt