14-Damals

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Zwei Schüsse, gerichtet gegen die Decke, lassen die wenigen Menschen, die sich noch in der Bank befinden, erschrecken und zu der breiten, gläsernen Eingangstür drehen. Die kleinere, vermummte Person richtet ihre Waffe auf den linken der zwei Bankangestellten, die sich so kurz vor dem Abschließen noch an ihrem Arbeitsplatz befinden.

„Wenn einer von euch auf die Idee kommt, die Polizei oder ihre Familie anzurufen, ist der oder diejenige dafür verantwortlich, dass der süße, kleine Tom bald keine Eingeweide mehr hat.", ertönt Mayas Stimme, höher als normalerweise sowie mit osteuropäischem Akzent.

Sie marschiert, gefolgt von Harry, auf den Schalter zu, hinter dem sich ein schlanker, dunkelhäutiger Mann mittleren Alters befindet. Dieser hat seine Hände über den Kopf erhoben und ruft panisch: „Woher wissen Sie von meinem Sohn?"

„Alle auf den Boden legen!", schreit Harry mit zitternder, Stimme und feuert einen Schuss auf die Pflanzenvase einige Meter rechts neben sich. Ein Gefühl der Macht breitet sich in ihm aus, als er zusieht, wie alle Personen, außer den zwei Angestellten, seinem Befehl gehorchen. Das Adrenalin in seinen Adern lässt ihn nicht mehr klar denken, wodurch er seine Waffe im Gehen in die Höhe wirft und sie anschließend wieder auffängt, bevor er sie auf den Mitarbeiter mit scheinbar asiatischer Herkunft richtet.

Stumm deutet Maya ihm, stehenzubleiben und wendet sich anschließend wieder an den um seinen Sohn fürchtenden Vater: „Ich weiß nicht nur von Tom, sondern auch von deiner Frau Jessica, die sich beide soeben in eurem Haus in 3949 Clover Drive, Colorado Springs befinden. Es wäre doch eine Tragödie, wenn der geliebte Ehemann und Vater Steven Sierra verantwortlich für zwei Todesfälle wäre."

„Bitte tun Sie meiner Familie nichts an, ich gebe Ihnen all das Geld, das sich hier befindet.", fleht der Mann sie an und dreht sein Gesicht zu seinem Mitarbeiter. Mit einer Handbewegung unterstrichen fordert Steven ihn auf: „Hol die Banknoten. Jetzt sofort."

„Falls Satomi Oohara jetzt die Polizei ruft, ist auch seine Mutter Ochiai, die mit ihm in 4176 Summit Avenue, Colorado Springs wohnt, bald von ihrem schwerwiegenden Asthma erlöst", droht Harry, erneut ist sein gespielter, osteuropäischer Akzent zu hören.

Er legt die Sporttasche auf den Tresen, während Maya sich umdreht, um einen Blick auf die verängstigten Personen, die wahrscheinlich nur die letzten Dollar von ihren Konten abheben wollten, zu werfen. Sie sieht zu einem kleinen Mädchen, nicht älter als sechs, das sich stumm weinend an eine Frau, ihre Mutter, schmiegt. „Hey, Kleine", ruft die Vermummte und zieht somit die Aufmerksamkeit des Kindes auf sich.

„Wie heißt du?", fragt Maya und blickt kurz zu Harry, der die Sporttasche weiterhin in seinen mit Handschuhen bedeckten Händen hält und wartet, bis genügend Geldscheine hineingegeben worden sind. Anschließend sieht die Frau zu dem Mädchen, dem soeben seine Mutter aufmunternd zunickt, woraufhin es sich nuschelnd vorstellt: „Ich bin Rosie. Wie heißt du?"

Amüsiert lacht Maya auf und tippt sich mit dem Lauf der Waffe gegen die Schläfe. „Wenn ich das sagen würde, wäre ich doch keine professionelle Bankräuberin, kleine, unschuldige Rosie", lässt sie das Kind wissen, bevor sie von ihrem Begleiter angetippt wird.

„Wir haben das Geld.", flüstert Harry und hält ihr einen Arm hin, in den sie sich ohne zu zögern einhakt. Schnell setzen sich die beiden in Bewegung und durchqueren die große Halle der Bank, direkt auf die Eingangstür zu.

Noch ein letztes Mal dreht Maya sich zu den Angestellten um, zeitgleich beginnt, eine Sirene zu heulen. Ohne, dass der Mann rechts neben ihr realisieren kann, was geschieht, zielt sie mit ihrer Waffe auf Steven Sierra. Ein Schuss, gefolgt von einem markerschütternden Schrei, übertönen für einen Moment das schrille Horn.

Prison / h.sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt