21-Damals

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Harrys Blick liegt starr auf ihrem Körper, der von den wild umher tanzenden Lichtern beleuchtet wird. Gekonnt bewegt Maya sich auf der Tanzfläche, als wäre sie dazu geboren worden. Ihre Hüften schwingen im Takt der lauten Musik hin und her, ihre Haare, die in großen Locken über ihren Rücken fallen, wippen mit ihren Bewegungen mit. Der violette Lippenstift wirkt durch die spärliche Beleuchtung noch dunkler und auch ihre funkelnden Augen sind von schwarzem Lidschatten sowie scharfem Eyeliner umrundet.

Zwei große Hände sind auf ihrer Taille platziert und schieben beinahe unmerklich das schwarzes, langärmeliges Shirt weiter hinauf, um ihren Bauch zu entblößen. In purer Ekstase, die durch die Musik, deren Bass sie in ihrem Herz spürt, entstanden ist, schmiegt sie sich mit dem Rücken an die Brust des unbekannten Mannes. Sie spürt seinen kleinen Bierbauch sowie die haarigen Arme, riecht seinen nach Bier stinkenden Atem und würde es nicht um ihren Job gehen, hätte sie den Fremden schon längst angewidert von sich weggestoßen

„Ist das deine Freundin?", zieht eine tiefe Frauenstimme Harrys Aufmerksamkeit auf sich und er wendet den Blick von Maya ab. Rechts neben ihm nimmt eine Gleichaltrige Platz, ihre Haare sind türkis gefärbt und reichen ihr geglättet fast bis zu ihrem Po. Er sieht in dunkelbraune Augen, die durch helles Make-Up noch mehr herausstechen und nickt langsam, schüttelt jedoch darauf den Kopf.

Verwirrt runzelt die Unbekannte ihre Stirn und bestellt bei dem Barkeeper einen Cocktail. „Wir sind eigentlich zusammen, aber sie hat Angst, ihre Gefühle zuzulassen und sich zu binden", gibt Harry zu, woher der Drang, der Frau über seine Beziehung mit Maya zu erzählen, kommt, weiß er nicht. Er nimmt einen Schluck von seinem Bier und sieht zu, wie sie verbittert auflacht.

„Und ich dachte, dass nur Männer Bindungsprobleme haben", murmelt sie und wirft einen Blick auf Maya. Diese hat sich mittlerweile in den Armen des Fremden umgedreht und ihre Hände hinter seinem Nacken ineinander verschränkt. Die Unbekannte neben Harry stellt sich diesem vor: „Ich heiße übrigens Hannah. Außerdem hat deine Nicht-Freundin eine Begabung, Männer in ihren Bann zu ziehen. Wirklich bewundernswert."

„Mike und das ist Elouise. Manchmal wünsche ich mir, dass sie keine Sirene der Neuzeit ist", ruft er über die laute Musik und lockt mit seinem Kommentar ein schallendes Lachen aus Hannahs Mund. Sein falscher Name rollt ihm mittlerweile ohne Probleme über die Lippen und er richtet seine Brillen-Attrappe. Der Barkeeper stellt ein Glas auf den Tresen neben ihr, woraufhin sie den Cocktail zu ihren dunkelrot gefärbten Lippen führt und einige gierige Schlucke macht.

Nachdem sie das Getränk wieder auf das Holz gestellt hat, fasst sie ihre langen Haare zusammen und macht einen hohen Zopf. Die Frau zieht einige, lockere Strähnen heraus, die ihr Gesicht umrunden, und erzählt: „Ich weiß, wie es sich anfühlt, mit einer Person zusammen sein zu wollen, die das nicht zulässt. Aber im Gegensatz zu dir starre ich diesen Menschen nicht an, als würde ich ihn lieben und gleichzeitig hassen wollen. Bei mir war es zum Schluss nur mehr Hass, deswegen habe ich Schluss gemacht."

„Wie lange hast du gebraucht, um dich gegen ihn zu entscheiden?", will Harry neugierig wissen und dreht sich auf dem Hocker zu ihr. Mit dem rechten Ellbogen stützt er sich auf dem Tresen ab und legt das Kinn in seine Handfläche. In ihrem Gesicht kann er sehen, wie sie überlegt und sich mit dem Zeigefinger auf die Unterlippe tippt.

„Ich bin ihm ein ganzes Jahr lang nachgerannt. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie oft ich mit eine Familienpackung Eis und eine Flasche Wein bei dem Supermarkt um die Ecke gekauft habe, weil er mich verletzt hat", gibt sie ihm als Antwort und kichert gegen Ende. Sie nimmt einen weiteren Schluck ihres Cocktails und fügt hinzu: „Der Kassierer hat mich schon beim Namen gekannt und hat mir einige Male eine Schachtel Pralinen spendiert."

Hannahs Blick gleitet über ihr Gegenüber während sie sich über die Lippen leckt. „Irgendwann wirst du bemerken, dass es mit dieser Elouise keinen Sinn mehr macht und wirst eine Bessere finden", teilt sie ihm mit und lehnt sich zu ihm, sodass ihre Nasenspitzen nur mehr weniger Zentimeter von einander entfernt sind. Sie sieht ihm tief in die Augen, als sie haucht: „Ich hoffe, dass dieser Zeitpunkt bald kommt."

Prison / h.sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt