Gerade lief schon das vierte Lied als Harry ein weiteres Mal zu Ana schaute, die mit angewinkelten Beinen auf seinem Sofa saß, dabei vollkommen vertieft in die aus den Lautsprechern gelangende Musik war. Anhand ihres Schweigens konnte man wohl erkennen, dass das, was sie hörte, ihr gefiel.
Als das nächste Lied anfing, griff sie erneut nach der CD-Hülle, um zu schauen, wie der Name des Liedes lautete. Kurz runzelte sie die Stirn, löste die Anspannung aber sofort wieder und legte das Stück Plastik neben sich auf das Sofa.
Der Mann neben ihr genoss das Schweigen; die leise Musik hatte eine beruhigende Wirkung auf sein sowieso schon positiv gestimmtes Gemüt, wodurch er sich glücklich wie schon lange nicht mehr fühlte. Natürlich lag es nicht nur an der Musik, die Rothaarige neben ihm hatte auch so ihre Wirkung auf ihn, die nicht zu bestreiten war.
Die ganze Szenerie wurde - zumindest für ihn - durch das Aufleuchten eines Handydisplays innerhalb seines Augenwinkels gestört.
Während Ana umgeben von der Musik nicht mitbekam, dass sie eine Nachricht bekommen hatte, immer noch an die Wand gegenüber des Sofas schaute, erlaubte Harry es sich, kurz auf den Bildschirm zu schauen. Ohne etwas Übles im Sinn zu haben, las er wie mechanisch die Nachricht im Mittelpunkt des Glases.
Neil: Hallo Schönheit
Zeitgleich zudem der Bildschirm sich wieder von selbst ausschaltete, realisierte der immer blasser werdende Harry was er dort gelesen hatte. All die innerliche Ruhe, die er fast schon Ausgeglichenheit genannt hätte, wich mit einem Mal einem durch und durch negativem Gefühl. Eifersucht.
An sich vielleicht kein gefährliches Gefühl, doch sobald jemand wie er es hatte, konnte es unberechenbare Auswirkungen zur Folge haben.
Ana drehte sich zufrieden schmunzelnd zu dem Braunhaarigen, erschrak aber fast bei dem Anblick des tyrannisiert wirkenden Mannes; er atmete schwer, sein leerer Blick huschte durch das Zimmer, von den geballten Fäusten ganz zu schweigen.
»Ist etwas passiert Harry?«, fragte sie besorgt und fummelte sich zur Ablenkung am Ärmel ihres Pullovers herum.
Sie wartete gespannt auf eine Antwort, die sie aber nicht bekommen sollte. Selbst dann nicht, als der Mann sich zu ihr drehte und sie mit offenem Mund anstarrte. Anhand der Öffnung hätte er einen lauten Schrei herauslassen können, doch es geschah nichts. Rein gar nichts. Nur sein schwerfälliger Atem war zu hören.
Vollkommen überfordert von der ganzen Situation eines in Gedanken gefangenen Harrys rückte sie behutsam ein Stück näher an den Mann neben sich.
Harry kämpfte derweil ohne Hilfsmittel gegen alles in seinem Kopf an; gegen all die Dinge, die ihn auslachten, da er so an dieses Mädchen geglaubt hatte, gegen alles, was dafür sprach diesen Neil zu finden, und blau und grün zu schlagen.
Erst als das Polster neben ihm ein gutes Stück einsank, bemerkte er, dass Ana näher an ihm saß. Immer noch mit angewinkelten Beinen saß sie nun so nah an ihm, dass die Arme der beiden sich streiften. Der Pullover-Stoff schmiegte sich an die muskulösen, in Farbe getauchten Arme, genügte aber nicht, um den Körper des Mannes aus seiner Starre zu lösen.
Einen kurzen Moment dachte Ana an die Situation in der Gasse, als Harry sie gerettet hatte. Sie ließ dieses Gefühl von Glück und Erleichterung durch ihre Gedanken fließen, um sich selbst den Mut dazu zu geben, langsam den Kopf nach rechts zu lehnen; auf seine Schulter.
Sie atmete hörbar aus, als ihre Wange sich an die warme Haut drückte, sich zeitgleich ein Geruch von Sicherheit und Geborgenheit in ihre Nase schlich; nach so kurzer Zeit bei einem Fremden diese Gefühle zu bekommen war vielleicht ziemlich naiv, aber sie konnte es einfach nicht ändern.