Eine Woche später...
Trotz der Dunkelheit außerhalb des Hauses waren die blonden Haare nicht zu übersehen. Die blonden Haare, die einfach nur Unglück verhießen, nichts Gutes bringen konnten, waren nicht einmal ansatzweise von etwas verdeckt. Aber warum sollten sie auch?
Außer ihm befand niemand sich auf der eher schlecht beleuchteten Straße, die halb im Hang lag und die er schon lange Zeit regelmäßig aufsuchte. Fast jeden Abend um genau zu sein.
Selbst an Tagen, an denen sie nicht hier war, ging er sicherheitshalber doch an diesem Haus vorbei. Immerhin bestände die Möglichkeit, dass sie ein Treffen oder eine Schicht im Restaurant abgesagt hatte, er sie also doch sehen konnte. Und das war ja schließlich das, was er so oft wie möglich tun wollte; sie einfach nur sehen. Wenn er sie schon nicht anfassen konnte, wollte er wenigstens das tun können, es sich manchmal vorstellen.
Woher dieses kranke Interesse an ihr kam wusste er nicht. Es war da, seitdem sie ihn abgewiesen hatte. Vielleicht wollte er sich zu Beginn beweisen, dass er sie doch haben konnte, aber als es jedes Mal scheiterte, steigerte er sich allmählich immer mehr hinein, bis hin zu dem Punkt, dass er abends hier stand.
Nicht lange, gerade mal eine halbe Stunde oder etwas mehr, aber doch genug, um einiges mitzubekommen. Zu wissen, wann sie hier war und wann nicht. Wann er hier war und wann nicht.
Heute war einer dieser Tage, an denen sie zu Hause war, mit eingeschaltetem Licht Fernsehen schaute, meist mit ihm.
Mit einer Note von Erwartungsfreude rieb er seine klammen Hände aneinander, um sie ein wenig zu wärmen.
Da er auf der anderen Seite des Hauses stand, sah er nicht, wann sie die Haustür betrat. Täte er dies, hätte sie ihn bestimmt schon einmal entdeckt.
Die blauen Augen blitzten auf, als die Tür zu ihrem Zimmer sich öffnete, ein wenig Licht aus dem Flur die Umrisse der Tür hervorhob, ebenso die groben Züge der Rothaarigen, die sofort den Lichtschalter betätigte. Das leichte Schmunzeln auf ihren Lippen ließ auch ihn schmunzeln.
Als dann aber eine zweite Person halbwegs unerwartet das Zimmer betrat, ballte er nur fest seine Fäuste, vergrub seine Fingernägel in seinen Handflächen, bis diese wieder anfingen zu bluten. Der Schmerz gelangte nicht einmal bis zu seinem Nervensystem, er ging einfach nur unter in dem tiefen Hass, den er diesem Mann gegenüber verspürte.
Doch sofort fing er sich wieder, schließlich war er hier, um sich zu überzeugen, dass sein Plan aufging. Für den war es ursprünglich sogar notwendig, dass der Braunhaarige ebenfalls hier war, seinen Teil dazu tat. Nur wusste er jetzt, dass der Plan früher funktionieren konnte; gut also, dass er heute alles Notwendige erledigt hatte.
Sein Ziel war es schließlich ihr Leben zu zerstören, das von beiden. Wenn er sie schon nicht haben konnte, wenn sie nicht einmal auf seine letzte Nachricht antwortete, dann sollte es so sein. Dann sollte sie dafür büßen und eine zerstörte Zukunft haben. Das war ja anscheinend der Weg, den sie in ihrem Leben einschlagen wollte.
Dann konnte sie ihre zerstörte Zukunft mit ihrem Liebsten teilen, der sie unter kommenden Umständen jedoch sicher ziemlich schnell verlassen würde, da sein Leben ebenso damit zerstört werden würde.
Das war es wert heute eingebrochen zu sein und ihre Sachen nach etwas ganz bestimmten durchsucht zu haben.
„Komm her Ana." Harry breitete demonstrativ seine langen Arme aus, so wie kleine Kinder es taten, wenn sie von ihren Eltern hochgehoben werden wollten.
„Warum?" Sie zog ihre Jacke aus und hängte diese über ihren Schreibtischstuhl, tat so als legte sie sie nur dort ab, obwohl sie es eigentlich nur tat, um schnellst möglich in seine Arme zu hüpfen.