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Nach dem Abend von Janes Geburtstag hatte sich so einiges geändert.

Zum einen, dass Harry auf der Arbeit allen gegenüber noch misstrauischer wurde und sich den Kopf an Blake zerbrach, und zum anderen, dass Ana sich immer noch jeden Tag Sorgen um Evan machte. Sie wusste ziemlich sicher, dass etwas geschehen war und konnte nicht aufhören sich Vorwürfe zu machen, ihn nicht schon am nächsten Tag gesucht zu haben, sondern einfach ruhig geblieben zu sein und so getan zu haben, als wäre nichts passiert. Als hätte er sie nicht sogar wegschicken müssen, da irgendjemand zu ihm kam.

Natürlich hätte sie ihn jetzt noch suchen können doch sie wusste am besten, dass Evan nicht zu finden war. Ihr Bruder war über die Jahre fast zu einem Phantom geworden, das man nur antraf, wenn er es ausdrücklich wollte; gefunden wurde er schon zu Recht nicht. Der Gedanke, dass ihm etwas zugestoßen sein könnte, drückte so sehr auf ihr Gemüt, dass sie nach dem Aufwachen, der Realisation der Situation, eine unglaubliche Übelkeit empfand und fast nichts herunterbekam. Einen anderen Grund konnte es dafür nicht geben, so sehr wie das an ihr nagte.

Nachdem Harry einmal mitbekommen hatte, wie sie plötzlich ins Badezimmer gesprintet war, hatte er darauf beharrt, mehr zu erfahren. Doch natürlich kam sie mit irgendeiner Ausrede, die er sofort als eine erkannte. Er wusste nicht, ob es ein Fehler war, sie nicht dazu zu bringen, es ihm zu erzählen.
Dich einmal war er egoistisch genug, um nicht nachzuhaken und stattdessen als Antwort zu nicken und ihr einen liebevollen Kuss auf die Lippen zu setzen. Einfach zu akzeptieren, dass sie es ihm vorerst nicht sagen wollte.

Als er dann aber öfter davon mitbekommen hatte, hatte er sie letzten Endes doch dazu gezwungen, ihm zu verraten, was los mit ihr war, woraufhin sie es wiederwillig erzählt hatte.

Genau deswegen streifte wieder mitten in der Nacht, ziemlich genau zwei Wochen nach Janes Geburtstag, durch diese Gegend. So wie damals trug er seinen schwarzen Kapuzenpullover, der ihn beinahe in der Dunkelheit verschwinden ließ. Der einzige Unterschied zu damals war nur, dass der Mann im Pullover ein komplett anderer Mensch war.

Vielleicht war er immer noch nicht einmal ansatzweise perfekt, konnte nicht wie Ana freundlich zu allem und jedem sein, doch war das, was ihn zu all dem getrieben hatte, scheinbar vollkommen aus ihm vertrieben worden. Er hatte nicht mehr den Drang den Menschen hier zu „helfen", stattdessen wollte er ihnen einfach aus dem Weg gehen.
Der Ekel diesen Menschen gegenüber hatte fortan Bestand, doch es war eben nur noch dieser, nicht der Drang ihnen etwas anzutun.

Natürlich würde er diese eine Nacht und alles damit verbundene niemals vergessen können, doch er konnte seine Dämonen begraben und sein Leben jetzt auf die hellere Seite lenken; mit Ana. Um das zu können, durfte er nicht an Altes denken.

Als er so mit gesenktem Kopf umherging, um seine Züge zu verbergen, spürte er bald, dass das nicht mehr der einzige Grund war. Er neigte sein Haupt vor Scham, da er diese Backsteinwände nicht mehr ansehen konnte, ohne die daran wiederhallenden Schreie wieder hören zu können. Ohne daran erinnert zu werden, wie verzwickt sein Leben zu dieser Zeit war.

In diesen Gassen hatte stets seine schlechte Seite diese Taten begangen. Mit Ana war er auch einmal hier gewesen, doch mit ihr hätte er überall hingehen können, ohne sich nur annähernd schlecht zu fühlen. Jetzt alleine hier zu sein war unfassbar schwer. Er konnte förmlich spüren, wie die Dämonen von damals ihn wieder zu sich winken wollten, ihn in die Versuchung bringen wollten, zu alten Mustern zurückzukehren.

Wäre Ana nicht, hätte er das auch bestimmt getan. Jedoch im Wissen, dass dieses wunderschöne Mädchen Zuhause auf ihn wartete, für die Nacht eines seiner T-Shirts trug, konnte er nicht so handeln. So lange sie da war, könnte er wohl nie wieder so handeln. Ana war in diesem Moment das einzige, das ihn dazu antrieb, weiterhin durch die Gassen zu gehen, aber zeitgleich auch davon abhielt.

His Dark Soul (h.s.)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt