26.Kapitel (Chris)

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Ich war nicht gut genug für ihn und würde es niemals sein. Dieser Gedanke setzte sich in meinem Kopf wie Gift fest und ließ sich nicht mehr wegwischen.

Ash war so... Perfekt, so einzigartig, so besonders. Es war als wäre er der Mittelpunkt meiner Welt, es gab niemanden der besser war als er, der mich so sehr zum lachen brachte und veränderte.

Und ich? Ich konnte absolut gar nichts, ich hatte keine Talente oder Stärken, ich sah nicht einmal wirklich gut aus. Wie konnte er nur jemanden wie mich lieben? Es gab doch so viele, die um ihn herum waren, so viele die einfach viel besser waren als ich. Wieso sollte ich etwas Besonderes sein?

Ich machte alles nur falsch. Seit zwei Wochen hatte ich nicht mehr als ein paar Sätze mit ihm gesprochen, und das nur weil ich Hausarrest hatte und meine Mutter mir gesagt hatte ich soll nicht mit solchen Leuten rumhängen. Natürlich hatte ich nicht vor mich daran zu halten, aber ich hielt es für besser die Sache erst einmal ruhen zu lassen, in der Hoffnung das sie es vergaß oder dachte, ich würde ihren Ratschlag ernst nehmen.

Trotzdem war ich ein verdammt schlechter Freund. Vielleicht liebte Ash mich auch gar nicht mehr? Ich würde es ihm nicht verübeln, nachdem ich ihn zwei Wochen lang beinahe ignoriert hatte. In letzter Zeit hing er auch so oft mit diesem Shane rum, der ziemlich gut aussah...

Seufzend lehnte ich meinen Kopf gegen die Tür meines Spindes und atmete aus. Ich wusste einfach nicht was ich tun sollte.

»Hey Chris.« Ich zuckte zusammen als jemand seine Hand auf meine Schulter legte und drehte mich erschrocken um. Vor mir stand Ash, der mich mit einer hochgezogenen Augenbraue musterte und seine Hand sofort zurück zog.

»Hey!«, stammelte ich und würde am liebsten wieder fliehen, doch bevor ich ein „Ich muss los" murmeln konnte, hatte Ash schon einen Arm auf meine Schulter gelegt und schaute mich an, als würde er keine Flucht gelten lassen.

»Können wir reden? Bitte? Ich möchte dich nicht drängen oder so, aber ich vermisse dich.« Seine Stimme klang flehend und er schaute mich eindringlich an. Mein Herz machte einen Sprung, als er mir sagte das er mich vermisste. Konnte das wirklich sein, dass ich ihm gefehlt hatte und es nicht nur von meiner Seite aus so war?

»Okay... Nach der Schule?« Er nickte und ließ mich los, dann lächelte er mich an und verschwand im Gedränge der Schüler, während er mich zurück ließ.

Ich machte mich auf den Weg zu meinem Kurs, ließ mich auf meinen Platz fallen und versuchte die erste Hälfte des Unterrichts mitzubekommen, aber ich hatte das Gefühl das nichts in meinem Kopf blieb. Meine Gedanken schweiften immer wieder ab, zurück zu Ash und der Frage, ob ich ihn wirklich liebte.

Ich war mir nicht mehr wirklich sicher darüber, auch wenn ich die ganze Zeit dachte wie großartig er eigentlich war. Vor ihm hatte es nie jemanden gegeben den ich geliebt hatte und ich war mir auch ziemlich sicher gewesen, dass so jemand nie kommen würde. Ich sah nicht gut aus, war eher im Durchschnitt, ich war nicht sehr intelligent und baute eine Distanz zu jedem auf, der mir nahe kommen wollte. Auch wenn ich noch jung war, ging ich immer davon aus das ich nicht wirklich für eine Beziehung gemacht war. Der Gedanke neben jemandem jeden Tag im selben Bett zu schlafen und zu kuscheln hatte in mir immer eher ein ablehnendes Gefühl ausgelöst, doch wenn ich an Ash dachte...

Als ich ihn getroffen hatte, hatte sich meine Denkweise geändert. Plötzlich fand ich den Gedanken wenn mich jemand berührte nicht mehr unangenehm, suchte seine Nähe weil sie mich beruhigte und wünschte mir im Moment nichts mehr, als dass er neben mir liegen würde und mich in den Arm nehmen würde.

Aber war das alles echt? Liebte ich ihn wirklich? Oder war das nur eine kurze Phase, die sich in einigen Wochen wieder legte und dann stellte ich fest, dass ich ihm gegenüber doch nicht die Gefühle entgegen brachte die er verdiente? Vielleicht war ich auch nur in ihn verliebt, weil er mir die Aufmerksamkeit und Liebe gab, die ich mir so sehr wünschte. Oder es reizte mich, weil er genau so war wie ich gerne sein würde. Oder es lag daran dass er diesen Stil hatte den meine Eltern abschreckend fanden...

Es könnte so viele Gründe haben, aber egal wie oft ich darüber nachdachte, ich würde keine Antwort darauf bekommen. Ab wann ist man wirklich verliebt? Wann schwärmt man einfach nur für jemanden? Wo ist die Grenze? Wie erkennt man ob seine Gefühle echt sind?

Die Gedanken kreisten nur so in meinem Kopf und ich wiederholte alles immer und immer wieder. Auf der einen Seite fragte ich mich, ob ich ihn wirklich liebte, aber auf der anderen Seite hatte ich das Gefühl das es nichts liebenswertes an mir gab, nichts was es für Ash lohnen würde bei mir zu bleiben.

Ehe ich es wirklich mitbekam war die Schule auf einmal vorbei und ich sah Ash an meinen Spind gelehnt warten, vermutlich weil er damit rechnete dass ich verschwinden würde. Einen kleinen Moment hatte ich auch tatsächlich daran gedacht, doch mir blieben nicht gerade viele Fluchtmöglichkeiten, also stellte ich mich ihm.

»Hey«, sagte ich und er trat zur Seite, damit ich an meinen Spind konnte.

»Hey. Wie lange hast du noch Hausarrest?« Ich hielt kurz inne und sah ihn an.

»Woher weißt du davon?« Er zuckte mit der Schulter.

»Daniel hat es mir erzählt...« Ich seufzte. Ich hätte wissen müssen, dass Dan sich Sorgen machte und Ash davon erzählte...

»Ich habe keinen Hausarrest mehr... Meine Eltern kommen heute beide später nach Hause, willst du mit zu mir kommen?« Innerlich gab ich mir selbst eine Ohrfeige dafür. Hatte ich das alles nicht durchgemacht, eben un Ash von meinem Haus fern zu halten? Und was tat ich? Richtig, ich lud ihn noch dazu ein. Super gemacht Chris, du bist ein Genie.

Wenn meine Eltern ihn sehen würden... Dann wäre meine Zeit als freier Mensch vorbei und ich könnte Ash lange nicht mehr wirklich sehen...

»Klar gerne, wenn das keine Umstände macht.«

»Gut.«

Was hatte ich da nur wieder getan?




Broken Mirrors (BoyxBoy/Yaoi)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt