Ich wachte schweißgebadet auf, mein T-Shirt klebte am Rücken und mein Atem ging schnell und stoßweise. Deswegen hasste ich diesen Albtraum, er nahm mir jedes Mal die Luft zu atmen und danach konnte ich nicht mehr einschlafen, weil meine Gedanken nicht mehr still stehen wollten.
Es dauerte eine ganze Weile, bis ich mich wieder so weit gefangen hatte, dass ich es schaffte aufzustehen und auf Toilette zu gehen, wobei ich mir Mühe gab leise zu sein um niemanden aufzuwecken.
Ich ging ins Bad, betrachtete mein Gesicht skeptisch im Spiegel. Ich hatte Augenringe, wirkte übermüdet und sah blass aus. Wann würde mich dieser Albtraum nur in Ruhe lassen? Wann würde ich endlich aufhören daran zu denken?
»Geht es dir gut?« Ich zuckte kurz zusammen, als ich das Gesicht meiner älteren Schwester Sandy im Spiegel sehen konnte.
»Wie bist du hier rein gekommen? Hau ab!«, knurrte ich sie an, doch sie zuckte nur unbeindruckt mit der Schulter.
»Die Tür war nicht abgeschlossen.«
»Oh und damit hast du dann die Erlaubnis einfach so reinzukommen?« Meine Stimme hörte sich zornig an und um ehrlich zu sein, tat es mir sogar ein wenig leid das ich sie so anfuhr obwohl sie meine Schwester war und sich vermutlich einfach nur Sorgen machte.
Das Verhältnis zu meiner Schwester war ungewöhnlich – wir konnten uns absolut nicht ausstehen, aber in den schlimmsten Fällen waren wir trotzdem für einander da und würden den anderen niemals verraten oder in Schwierigkeiten bringen. Wie oft hatte ich schon für sie gelogen und umgekehrt? Ich wusste das ich auf sie zählen konnte, auch wenn sie eine dumme, eingebildete Zicke war.
»Ich mache mir Sorgen um meinen kleinen Bruder. Ist das falsch?«
»Was ist daran so schwer zu verstehen, wenn ich sage das du gehen sollst?«
»Es wundert mich das du Freunde hast.« Damit schaute sie mich nur mit hochgezogener Augenbraue an, schloss aber tatsächlich die Tür hinter sich.
Vielleicht sollte ich nicht immer so gemein zu ihr sein, obwohl sie sich nur aufrichtige Sorgen um mich machte, allerdings wollte ich im Moment nichts lieber als allein zu sein.
Ich seufzte, dann spritzte ich mir etwas kaltes Wasser ins Gesicht und ging dann wieder in mein Bett, wo ich wach liegen blieb. Mir war klar, dass ich heute nicht noch einmal einschlafen könnte, dafür ließen mich meine Gedanken nicht in Ruhe. Wie lange würde es noch dauern, ehe ich damit abgeschlossen hatte?
Egal wie viele Freunde ich auch hatte – niemand schaffte es, mir darüber hinweg zu helfen. Ich hörte immer nur das Gleiche: »Dich trifft keine Schuld.« (Erzählt mir mal was Neues, als wüsste ich das nicht.) »Unfälle passieren, das Leben geht weiter.« (Herzlichen Glückwunsch, auch das habe ich festgestellt.) Und ähnliches. Dabe iverstand niemand, wie ich mich wirklich fühlte.
Ich gab mir nicht die Schuld daran oder hörte auf zu leben – letzteres tat ich zumindest körperlich noch. Aber nichts konnte meine Gedanken verhindern, konnte die Einsamkeit vertreiben, konnte mir helfen wieder normal zu sein. Wie ich es vorher gewesen war, wie ich e simmer hatte sein wollen. Um ehrlich zu sein, war ich schon vorher nicht sonderlich „normal" gewesen, ich hatte auch da Freunde gehabt, beinahe die gleichen Freunde wie jetzt, aber trotzdem hatte ich nie dazu gehört und war einsam, egal wie viele auch um mich herum waren und mich versuchten aufzubauen. Und mein verzweifelter Versuch normal zu wirkten erreichte jedes Mal aufs Neue nur das Gegenteil.
Ich blieb so liegen, bis mein Wecker klingelte und ich einen Grund hatte, aufzuhören darüber nachzudenken. Seit vier Stunden war ich wach ,aber ich fühlte mich irgendwie nicht müde, aber auch nich tausgeschlafen. Eher fühlte ich mich kraftlos.
Ich stand auf, führte meine Morgenroutine durch, ging heute einmal zu Fuß zur Schule. Auf dem Weg sah ich wie immer andere Schüler, doch ich schenkte ihnen keinerlei Beachtung, genauso wenig wie sie es bei mir taten.
»Du siehst scheiße aus«, begrüßte mich Dan, als ich bei meinem Schließfach stand und ich zuckte nur desinteressiert mit der Schulter. Nicht einmal Daniel wusste von meinen Albträumen und ich hoffte auch, dass es so bleiben würde. Er würde mich nur noch mehr beobachten, versuchen mir zu helfen und auf mich einreden. Vermutlich würde er auch vorschlagen das ich eine Therapie besuchen sollte, die mir helfen würde damit umzugehen.
Aber das wollte ich nicht. Ich hatte Angst, dass ich es lernen würde zu verdrängen, aber ich wollte es nicht vergessen. Denn dann würde ich wahrscheinlich auch einen Teil von mir selbst vergessen und davor hatte ich Angst.
»Welchen Tag haben wir heute?«, fragte ich und Dan sah mich nachdenklich an, als zweifelte er an meiner geistigen Zurechnungsfähigkeit.
»Dienstag. Heute steht unser Kunstprojekt auf dem Programm wo du sicherlich keine Probleme haben wirst, dazu kommt eine Doppelstunde bei unserem Lieblingslehrer und jede Menge Spanisch.« Achja. Dienstage waren diese schrecklichen Tage, die ich am liebsten jede Woche aufs neue Überspringen würde, aber natürlich nicht konnte.
»Oh richtig. Kunst wird schön. Der Rest nicht.«
Wir machten uns aufdem Weg zum Keller, wo sich das Kunstzimmer befand und ließen uns auf unseren Platz fallen. Natürlich saß ich in beinahe allen Kursen, die ich gemeinsam mit Dan belegte – und das waren eine Menge – neben ihm und er war genau genommen auch der Einzige, der verhinderte das ich zu sehr Tagträumte und mich desöfteren wieder in die Gegenwart des Unterrichts zurück beförderte, obwohl meine Gedanken eigentlich Meilen weit weg waren.
Wie immer wurde die Klasse erst still, als unser Kunstlehrer das Zimmer betrat. Er sagte nicht viel nur, dass wir mit unserem Projekt anfangen konnten und er für Fragen zur Verfügung stand, das Zimmer in dem die ganzen Materialien waren hatte er uns aufgeschlossen.
Beinahe die gesamte Klasse sprang auf um in das Nebenzimmer zu gehen und sich ihr Zeug zuholen, während ich noch einen Moment sitzen blieb und wartete bis der Ansturm vorbei war. Mein Blick fiel auf Mike, der gerade mit einer Packung Ölkreide und einem großen Blatt Papier zu seinem Platz ging, alles dort auf den Tisch fallen ließ und sich dann an die Arbeit machte. Er gehörte zu den Naturtalenten, die einfach ein Bild malten was so wunderschön war, dass man es nicht nach machen konnte und vor allem mit einer einzigartigen Idee, während ich zwar gut in Kunst war, aber mir das nötige Talent fehlte. Es reichte füreine gute zwei und Lob von unserem Lehrer, aber an Mike würde niemand aus dem Kurs herankommen.
Und die Art und Weise wie er Ash in ein Skelett hatte verwandeln können, bewies nur einmal mehr was für Talent er hatte. Zum ersten Mal seit langer Zeit merkte ich, wie sich meine Mundwinkel hoben als ich an Ash dachte und nicht nur mir schien es aufgefallen zu sein.
»Es ist selten dich Lächeln zu sehen«, meinte Dan und betrachtete mich aufmerksam, als fragte er sich was wohl so in meinem Kopf vorging.
»Ach, ich habe nur an etwas schönes gedacht.«
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Broken Mirrors (BoyxBoy/Yaoi)
Teen FictionPhoenix - genannt Ash - ist ein ganz normaler Junge. In seinem Leben ist nicht alles perfekt, aber er hat gelernt die meisten Dinge hinzunehmen und damit umzugehen. Anders ist Chris. Obwohl er nach Außen hin selbstbewusst und stark wirkt und man nic...