Kapitel 24

18.6K 837 55
                                    

Ein komisches Gefühl stieg in mir hoch, als Jeremy mich küsste. Es fühlte sich vollkommen falsch an. Fast alles in mir sträubte sich gegen diesen Kuss, doch es gab auch einen kleinen, verabscheuungswürdigen Teil in mir, den man auch Rachgefühl nannte.

Harry sollte sich genauso fühlen wie ich, verletzt und mickrig, wenn er bemerkte, dass er mich verloren hatte. Doch um diese Sachen zu fühlen, müsste er erstmal Gefühle für mich haben, und daran zweifelte ich stark. Auch wenn er mir wenige Male gesagt hatte, dass ich ihm etwas bedeutete, war das eh eine Masche, damit er seine Wette gewann.

Zu spät bemerkte ich, dass der Kuss immer noch anhielt. Schnell schob ich Jeremy von mir, der mich angrinste. "Was sagte ich? Du willst mich küssen."

"Ew." Ich konnte nichts dagegen tun, dass ich eine Grimasse schnitt, als ich an den Kuss dachte. "Jeremy, ich mag dich als Freund, aber mehr ist da wirklich nicht drin. Es tut mir wirklich Leid, wenn ich falsche Signale ausgesendet hab."

"Aber du hast mich nicht gestoppt." Er bliebt stur.

"Ich habe den Kuss aber auch nicht erwidert, oder? Ich war einfach in Gedanken versunken," murmelte ich entschuldigend. Es war gut vorstellbar wie schlecht er sich jetzt fühlen musste. Schließlich hatte er mich geküsst, und ich war vollkommen weggetreten. Aber nicht im 'Hach, der Kuss ist so himmlisch, ich vergesse die Welt um mich herum'  - Sinne.

"Also bin ich ein so schlechter Küsser, dass du fast eingeschlafen bist?", scherzte Jeremy. Aus Freunde fiel ich ihm um den Hals. Er hatte die Situation mit Humor gesehen, und der unangenehme Part war beendet.

*****

Jeremy brachte mich schließlich noch bis zur Haustür, und wir brachten den Abschied schnell hinter uns. Eine komische Spannung blieb, und würde sich wahrscheinlich in Zukunft auch nicht vermeiden lassen.

Als ich die Tür hinter mir schloss, massierte ich meine Schläfen.

"Probleme mit Jungs?" Die Stimme meiner Mutter ertönte vor mir.

"Was denn sonst?", stöhnte ich.

Mum setzte sich auf die unterste Treppenstufe und klopfte neben sich. Ich ließ mich neben mir nieder. "Bei dir passiert in letzter Zeit viel, oder? Deine Gedanken sind immer an einem anderen Ort."

Sie tippte auf meine Schläfen. "Früher hast du mit mir über deine Probleme gesprochen."

Ich hörte Bedauern in ihrem Ton, doch als ich sie ansah, schaute sie eher besorgt aus.

"Ich habe mit niemandem so richtig über meine Situation gesprochen, weil ich euch nicht belasten will. Ich kriege das schon allein auf die Reihe. Es ist nur momentan ein wenig verzwickt."

"Du warst schon immer die Person, die alles in sich rein brütet," seufzte sie. "Irgendwann könnte dich das auffressen, Mäuschen. Und deswegen," sie klatschte in die Hände, "gehen wir jetzt aus und du erzählst mir was dich fertigmacht."

Entsetzt und mit offenem Mund starrte ich sie an. "Ich trinke keinen Alkohol, das weißt du doch."

"Quatsch," lachte sie und hielt mir meine Jacke hin. "Wir setzen uns nur in eine Bar, weil das die perfekte Umgebung ist. Überall sind Menschen, die ihre Sorgen wegsaufen. Und wir sitzen ganz obligatorisch daneben."

"Du bist bescheuert," murmelte ich, folgte ihr aber zum Auto.

*****

"Bist du dir ganz sicher, dass das eine gute Idee ist? Ich könnte dir auch zuhause von allem erzählen," hakte ich zum tausendsten Male nach.

Mum antwortete mittlerweile nicht mehr, und parkte das Auto. "Hör auf immer alles auszuwerten. Du musst auch mal was tun, ohne nachzudenken."

"Aber ich bin gar nicht volljährig!"

Unmistakable || h.sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt