48.Kapitel - Seattle

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Zayns P.o.V.

Ich setzte mich auf den gemütlichen Beifahrersitz des schwarzen Audis, hinter dessen Steuer Louise bereits saß. Ihre Haare fielen  in sanften rotbraunen Wellen über ihre Schultern.  Die blauen hübschen Augen waren klein und rot, sie hatte anscheinend viel geweint und das meinetwegen.
Ich fühlte mich so schlecht und schuldig. Am liebsten wollte ich die Zeit nochmal zurückdrehen und diesen dussligen Fehler ausradieren. Aber leider war das nicht möglich. Sie würdigte mich keines Blickes. Sollte ich nochmal einen Anlauf nehmen und versuchen mit ihr zu reden? Aber ich wusste nicht, was ich dann sagen sollte. Noch einmal erklären, wie schrecklich leid mir alles tat? Sie würde mir in diesem Moment sowieso nicht verzeihen können. Aber einen Versuch war es wert. Ich öffnete gerade den Mund um etwas zu sagen, da flog die Hintertür auf und Harry setzte sich mit einem leisen Seufzen zu uns.
"Gut, wir sind alle startbereit." verkündete er und machte sich hinten breit. Er streckte seine endlos langen Beine aus und legte den linken Arm um eine der Kopflehen. Harry nutze jeden Zentimeter Platz im geräumigen Wagen aus.
Ohne zu antworten drehte Louise den Schlüssel im Zündschloss um und der Wagen fuhr mit einem leisen Aufbrummen des Motors los. Sie schien dabei völlig abwesend zu sein. Wahrscheinlich ging sie all die Sachen, die ich zu ihr gesagt hatte wieder und wieder durch.  Ich schüttelte leicht den Kopf. Jetzt konnte ich erst recht nicht mehr mit ihr reden, in Harrys Anwesenheit. Nachdenklich schaute ich aus dem Fenster, doch es war nicht viel mehr zu erkennen, als einer ermüdenden Schwärze. Schon nach wenigen Minuten war hinter uns ein leises Schnarchen zu hören. Jetzt waren nur noch Louise und ich wach. Ich wusste nicht wie ich mich zu verhalten hatte. Diese ganze Situation belastete mich wirklich sehr. Ich war mir nicht sicher, ob ich doch noch einen Anlauf nehmen sollte, um Louise mein Herz auszuschütten oder ob Schweigen gerade das beste war.
Vorsichtig schielte ich zur Seite und betrachtete sie unauffällig. Sie starrte wortlos auf die dunkle Straße. In ihrem Blick erkannte ich aber trotzdem, dass sie in Gedanken versunken war. Ganz ehrlich, ich hatte ihre Nicht-Beachtung verdient. Mir war klar, dass ich in so einen Moment an ihrer Stelle  nicht anders reagiert hätte. Aber trotzdem raubte es mir jeden Nerv.

Ich musste für eine Weile eingeschlafen sein, denn als ich erwachte war der tiefschwarze Himmel, bereits ozeanblau. Ich rieb mir müde die Augen und schaute  über meine Schulter. Harry schlief noch immer fest wie ein Stein, sein Kopf war gegen die Fensterscheibe gelehnt. Als ich nach links sah, erblickte ich sie, meine Freundin,  wach und munter, als wäre es Nachmittags und nicht Frühmorgens in der Dämmerung. Ich starrte sie an,  konnte meinen Blick einfach nicht von ihr wenden. Ich wollte, dass alles wieder so war wie vorher, bevor sie hinter meine Vergangenheit gekommen war. Ich schien sie nervös zu machen, denn völlig unerwartet wandte sie sich zu mir um und schaute mir direkt in die Augen. Sie sah wunderschön aus, wie immer. Einzelne Haarsträhnen fielen ihr ins Gesicht und umrundeten ihre wunderhübschen rosigen Wangen. Am liebsten hätte ich sie auf ihre vollen zart rosanen Lippen geküsst, aber dafür war jetzt wohl nicht der richtige Zeitpunkt. Doch auch die Müdigkeit zeichnete sich unter ihren Augen in Form dunkelblauer Ringe ab. Ihre Miene war ausdruckslos. In ihren Augen lag so viel Schmerz, dass sich mein Herz zusammen zog. Und daran warst du Schuld, Malik! Es waren nur ein paar Sekunden in denen wir einen so intensiven Blick tauschten, dann sah sie wieder nach vorne. Ich zögerte, enttäuscht darüber, dass unser erster Annäherungsversuch schon vorüber war.
"Soll ich vielleicht mal das Fahren übernehmen?" Als ich dachte, ich würde keine Antwort mehr bekommen, nickte sie schließlich und am nächsten Rastplatz wechselten wir die Plätze. Auf der restlichen Fahrt schwiegen wir. Schließlich konnte auch Louise nicht mehr die Augen offen halten und schlief ein.

Es war etwa 16.00 Uhr als wir Seattle erreichten.   Eine graue trübe Wolkendecke hatte sich über die Stadt gelegt und ließ keinen einzigen warmen Sonnenstrahl hindurchdringen. Sie machte den sonst so beeindruckenden Ort zu einem einzigen trostlosen Fleck. Feiner Nieselregen fiel vom Himmel und kühlte die warme Sommerluft ab. Dieses nasskalte Wetter, war ich einfach nicht gewohnt. Zu Hause in Kalifornien regnete es so gut wie nie.   Ich setzte die weite Kapuze meines dunkelgrauen Pullovers auf und vergrub die Hände in den Taschen. Wie passend, alles grau in grau.   Dieses Wetter machte meine Laune noch schlechter, als sie jetzt schon war. Obwohl ein kühler Tag nach all den heißen Wochen auch ziemlich befreite. Es roch angenehm nach einer Mischung aus Sommerregen und salziger Meeresluft. Ich und Niall machten uns beide allein auf dem Weg zum Polizeirevier. Die anderen waren in dem kleinen dürftigen  Hotel geblieben, um sich etwas auszuschlafen.  Es war sicherlich auch besser, nur zu zweit bei Stan aufzukreuzen, als mit sieben Leuten. Neben uns auf der Hauptstraße herrschte gerade dichter Nachmittagsverkehr. Taxis drängten sich dicht an dicht, wie Schafe in einer Herde. Die meisten Menschen, waren zu dieser Uhrzeit mit ihrer Arbeit fertig und machten sich jetzt auf den Weg nach Hause. Hohe weiße Gebäude türmten sich neben uns auf. An deren Wänden wehten amerikanische Flaggen im Wind. Wir bogen rechts rein und gingen direkt durch die sich automatisch öffnenden Türen in das Revier. Eine stickige Luft stieg uns entgegen. Wir steuerten geradeaus auf die kleine Frau in dunkelblauer Uniform hinter dem Tresen zu. Sie schaute uns erwartungsvoll durch die dicke Glasscheibe hindurch an und zupfte ihren schwarzen Zopf zurecht.
"Guten Tag, wir müssen dringend mit Lieutenant Colonel sprechen." erklärte ich mit fester Stimme.
Sie zögerte einen Moment und schien etwas misstrauisch zu sein. Diese Frau kannte uns doch wohl nicht? "Nun, er ist im Moment ziemlich beschäftigt."

Roadtrip with MalikWo Geschichten leben. Entdecke jetzt