Beyond all reason - Gegen jede Vernunft

7. Ungewolltes Wiedersehen

Argwöhnisch betrachtete ich die Schachtel Cupcakes vor mir und blickte dann in das gespannte Gesicht meiner besten Freundin.
"Jetzt probier schon!", forderte mich diese ungeduldig auf. Ich aber musterte die vermeintlichen Kostbarkeiten weiterhin skeptisch. Ich traute der Sache nicht ganz. Brianna und backen?!
Keine gute Kombination!
Meine Freundin hatte das Talent jedes noch so einfache Rezept zu verhauen. Ihr schien dieses Wochenende wirklich langweilig gewesen zu sein...
Die letzten CupCakes zum Beispiel, die sie an meinem 17. Geburtstag , kurz vor meiner Abreise, gemacht hatte, waren zu salzig und glichen irgendwie eher einem Kuhfladen als Schokoladen CupCakes. Und von den anderen Versuchen will ich erst gar nicht anfangen. Also man konnte es mir nicht verübeln, dass ich etwas misstrauisch war. Denn auch wenn sie optisch nicht schlecht aussahen, sagte mir mein gesunder Menschenverstand, ich sollte lieber darauf verzichten. Deswegen lächelte ich entschuldigend zu Anna und schob die Schachtel wieder zurück.
Dafür bekam ich einen Schmollmund,"Du wirst sehen, du verpasst was!"
Nicht wenn meine Geschmacksnerven ein Trauma erleiden! Bevor ich darauf aber etwas erwidern konnte, was vielleicht nicht ganz so beleidigend klang, gongte es und die restlichen Schüler kamen in den Klassenraum. Kurz darauf kam auch unser Lehrer reinspaziert, dicht gefolgt von Jackson und...Jaron.
Ich konnte meinen Blick einfach nicht von ihm abwenden.
Zwar war sein Gesicht wie immer verdeckt, doch trotzdem war er wie ein Magnet für meine Augen.
Ich konnte es immer noch nicht fassen, Jaron Doe war wirklich der arrogante Arsch vom Flughafen. Jackson zwinkerte mir zur Begrüssung zu, was ich mit einem Nicken in Kenntnis nahm und liess sich zwei Reihen vor uns auf einen der beiden freien Plätze fallen. 
Sein Bruder würdigte uns alle keines Blickes und nahm neben seinem Bruder platz.
Der Unterricht startete, doch ich war eher damit beschäftigt weiter auf den muskulösen Rücken meines 'Retters' zu starren. So als könnte ich die Kapuze beschwören sich aufzulösen.
So viele Fragen schwirrten mir schon das ganze Wochenende über in meinem Kopf umher. Obwohl ich mir vorgenommen hatte, mich von den Doe-Zwillingen fernzuhalten, wollte mir das irgendwie nicht so recht gelingen. Meine Neugier machte einfach all meine Vorsätze zunichte.
Wieder stellte sich mir die Frage, für was diese Kapuze gut sein sollte...?!
Um sein Gesicht zu verdecken auf Grund mangelnder Attraktivität, war es jedenfalls schon mal nicht.
Denn auch wenn ich ihn nicht sonderlich leiden konnte, da er meine Erdbeeren auf dem Gewissen hatte und mir irgendwie unheimlich war, musste ich mir eingestehen, dass er keineswegs hässlich war.
Allein seine Augen nahmen einen total in Beschlag. Wenn man dann mal direkten Kontakt zu ihnen hat... Und das war bei simplen braunen Augen schwer, glaubt mir ich spreche aus Erfahrung.
Und schüchtern wirkte er ebenfalls nicht auf mich. Seine sicheren und kraftvollen Schritte sagten da etwas ganz anderes über ihn aus.
Als könnte er alles und jeden unschädlich machen, wenn er nur wollte.
Was mich nicht verwundern würde. Allein die Schlägerei, die ich ungewollt mit angesehen hatte, zeigte mir wie gefährlich dieser Mann war.
Doch somit würden wir auch schon zu einem weiteren möglichen Grund kommen, wieso er sich versteckte. Sein blaues Auge und die Wunde am Kinn sahen nicht ohne aus, vielleicht hatte er öfters solche Verletzungen und will sie mit der Kapuze von der Aussenwelt verstecken...?
Doch dann stellte sich wieder die Frage: Wieso das Ganze?
Was wollte er verstecken?
Was auch immer es sein mag.
Im Moment wird irgendwas verstecken zu wollen, wohl etwas schwieriger ausfallen als üblich.
Die kleine Aktion am Freitag war leider nicht gerade ungesehen von statten gegangen.
Irgendwie hatte es die halbe Schule live miterlebt und natürlich hat es sich irgendein Spast nicht nehmen lassen, das ganze Drama aufzunehmen.
Hatten die alle denn kein eigenes Leben?!
Da sieht man mal wieder, wie kaputt die heutige Menschheit doch war. Anstatt sich nützlich zu machen oder zu helfen, gaffte man lieber blöd oder nahm das Spektakel auf.
Einfach nur krank!
Das beschissene Video verfolgte mich nun schon das ganze Wochenende über auf allen möglichen Socialmedias.
Mit Kommentaren wie: Kalter Badboy hat doch ein Herz oder Hollywoodreife Rettungsaktion und noch ein paar andere geschmacksvolle Bemerkungen, bei denen ich mir nicht mal die Mühe gemacht hatte, sie mir zu merken..
Natürlich wünschte man sich nichts sehnlicheres, als dass sein Gesicht nun jedermann kannte.
Doch ich war, im Gegensatz zu Jaron, noch recht glimpflich davon gekommen.
Die Kommentare, die ich gelesen hatte, waren meistens über ihn und diese waren nicht immer nett.
Doch es wird nicht lange dauern bis wieder etwas anderes passiert und meine Panne gerät dann wieder in Vergessenheit.
Das hoffte ich zumindest.
Meine Eltern hatten davon zum Glück nicht Wind bekommen. Unvorstellbar was mich dann erwartet hätte. Wahrscheinlich ein vollständiger Bodycheck im nächstbesten Krankenhaus.
Kurz gesagt; auf Überfürsorge konnte ich gerne verzichten.
Ein Ellbogen, welcher sich auf schmerzhafte Art und Weise in meine Seite bohrte, schreckte mich auf.
Ich schenkte Anna einen genervten und zugleich fragenden Blick.
Augenrollend deutete sie unmerklich nach vorne,"Hör auf ihn so anzustarren, als würdest du ihm jeden Moment die Kapuze von Kopf reißen!"
Ich schmunzelte leicht.
Die Idee war mir tatsächlich schon durch den Kopf gegangen.
Doch einer der Konsequenzen war sicherlich, dass ich mich in einer Irrenanstalt in einer von diesen Zwangsjacken wiederfand.
Weswegen ich es dann doch lieber liess. Mit einem leisen Seufzen über meine eigenen absurden Gedanken, versuchte ich mich zwanghaft wieder dem Unterricht zu widmen.