23. Erdbeerkampf & verflixte Elektronik

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Genussvoll liess ich die Erdbeeren mit dem Vanilleeis in meinem Mund zergehen. Einfach herrlich.
Zufrieden fiel ich in den weichen Korbsessel in unserem Garten und hiess die Sonne auf meinem Körper wohlig willkommen.
Ich war definitiv zu wenig hier draussen, was eine Schande war. Mum hatte nicht nur ein Talent als Köchin, sie war auch mit einem äusserst grünen Daumen gesegnet worden.
Dementsprechend sah unser Garten auch aus. Überall blühten Blumen in ihrer vollen Pracht.
Vor allem Rosen in jeden erdenklichen Farben dominierten unser Grundstück.
Das leise konstante Plätschern unseres kleinen Steinbrunnens im hinteren Teil des Gartens hatte etwas beruhigendes und tauchte die Atmosphäre in eine entspannende Oase. Der Sessel in dem ich mich gekuschelt hatte, stand unter einem grossen stämmigen Baum der schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel hatte, und dem Garten etwas verwegenes verlieh.
Die Schüssel Vanilleeis mit Erdbeeren in meinen Händen rundeten den Ausblick perfekt ab. Früher war ich in dieser Jahreszeit so gut wie immer hier.
Es wurde langsam Zeit, dass ich wieder damit anfing.
Viel zu lange schon musste ich meine Gewohnheiten zurückstecken.
Mit einem weiteren Löffel Eis konzentrierte ich mich wieder auf das Leben der Protagonisten in meinem momentanen Buch.
Wenn es aber so weiter ging, wird es bald nicht mehr mein Buch sein. Diese Protagonistin war ja naiver als ein Hundewelpe. Dieser Typ hatte sie jetzt sicherlich schon um die 4 Mal betrogen und trotzdem lief sie ihm immer wieder wie ein treuer Dackel hinterher. Und jedes Mal hatte sie einen erneuten, für sie plausiblen, Grund dafür. Auf diesen Seiten fand man eine weit gefächerte Auswahl an den üblichen klischeehaften Erklärungen wie: Menschen machen Fehler, er war betrunken, jeder hat eine zweite Chance verdient - was in seinem Fall dann eher der Mehrzahl entsprechen würde-, oder so etwas unbefangenes wie er wollte es nicht. Tss! Dass ich nicht lache.
Alles nur lehre Worte um der Tatsache nicht ins Gesicht sehen zu müssen.
Ich für meinen Teil fand es einfach nur traurig, dass man sich das freiwillig antut, sich so wenig selbst wertschätzt.
Betrogen ist betrogen, Punkt!
Dafür gab es keine Entschuldigung. Ich war zwar nicht gänzlich gegen Vergebung, doch irgendwo gab es eine klare Grenze und spätestens bei Betrug war diese meiner Ansicht nach überschritten. Ich meine wo blieb dann da die Selbstachtung?! Verzeihen war bis zu einem gewissen Grad etwas starkes, doch irgendwann war es schlicht weg nur noch Dummheit. War man sich selbst so wenig wert, dass man immer wieder darüber hinweg sah, dass sein Partner sich mit jemand anderen vergnügte?
Allein diese Tat zeigte doch schon, wie einseitig das Ganze in Wirklichkeit war.
Auch wenn ich noch nie in solch einer Situation war, und es hoffentlich auch nie sein werde, bin ich davon überzeugt, dass wenn man sich wirklich liebt,  man auch nicht fremdgehen würde.
Denn das war ja genau ein Zeichen dafür, dass die Person etwas suchte was ihre jetzige Beziehung ihr nicht bieten konnte. Anders hätte sie ja gar keinen Grund, seinen Partner zu hintergehen.
Also wieso sich weiterhin etwas vorlügen und wieder die Gefahr eingehen übergangen und verletzt zu werden?
Jeder Mensch sollte sich bis zu einem gewissen Punkt eingestehen können, bei welchen Situationen zweite Chancen angebracht sind und ab wann sie einem nur noch mehr Leid zu fügen.
Ich persönlich tendiere ja eher mit vergraben und verwesen lassen, als mit vergeben und vergessen.
Auch wenn es hart klingen mag. Andere würden wahrscheinlich sagen ich sollte nicht über etwas reden, was ich nicht selbst am eigenen Leid erfahren hatte.
Und ja es stimmte, ich hatte es noch nie erlebt. Doch wenn ich mal an diesem Punkt sein sollte wie dieses Mädchen in diesem Buch und genauso mit solch leichtgläubigen Chancen um mich werfen werde, dann bitte knallt mich einer ab.
Denn ab diesem Moment hätte ich meine Ehre bis zum kleinsten Funken verloren. 
Jedenfalls sollte diese Frau in dem Buch viellicht mal etwas in meine Richtung denken.
Der Typ musste nicht mal den kleinen Finger rühren und sie gab ihm Chancen wie am laufenden Band. Er wusste einfach, wann welche Worte am effektivsten waren. Wütend, dass sie sich schon wieder einlullen liess, stöhnte ich genervt auf und klappte das Buch, mit dem Vorhaben es morgen gleich wieder zurück in die Bibliothek zu bringen, energisch zu.
"Wieso so wütend?
Dieses Mal bin ich aber wirklich unschuldig.", Jaron stand wie aus dem Nichts vor mir.
Wenn ich ihn nicht schon etwas besser kennen würde, hätte ich in seinem ernsten Gesicht das amüsierte Aufblitzen in seinen Augen nicht entziffern können, welches verriet wie belustigt er in Wahrheit über meinen kleinen Wutausbruch war.
Ich schmunzelte leicht über seine Aussage,"Nein, ausnahmsweise bist du tatsächlich unschuldig.
Was machst du überhaupt schon hier? Wolltest du nicht erst-", einen Blick auf mein Handy liess mich weiterfahren,"-in 2 Stunden hier sein?"
Jaron setzte sich mir gegenüber auf die Kante des grossen Korbsessels und zuckte mit den Schultern,"Hatte doch nicht so viel zu erledigen, wie angenommen."
Mit hochgezogenen Augenbrauen musterte ich ihn.
Ich denke ich wollte gar nicht wissen, was er mit "erledigen" meinte.
"Also, warum so wütend?", wiederholte er seine Frage und betrachtete mich aufmerksam. Misstrauisch musterte ich dein Gesicht.
Sollte ich ihn fragen?
Naja einen Versuch war es wert.
"Warum verzeihen wir Jaron?", fragte ich gerade heraus und schaute ehrlich fragend zu ihm auf.
Jaron schien erst etwas überrascht über diese Frage und sein Blick auf mir wurde nachdenklich," Ich schätzte mal das ist nicht auf eine rapide Alltagssituation bezogen, sondern eher auf etwas schwerwiegenderes...?"
Als ich auf seine mit bedacht gewählte Frage nur leicht genickt hatte, seufzte er leise und überlegt kurz, während er sich mit den Händen durch seine verstrubbelten Haaren fuhr,"Weil die naive Hoffnung, dass es nicht wieder vorkommt, diese Naivität, Menschlich ist. Wir Menschen haben Angst vor Veränderungen, wir sind Gewohnheitstiere. Es fällt uns schwer loszulassen und weiterzugehen.
Wir leben lieber in dem Glauben alles sei gut, anstatt der Wahrheit ins Auge zu blicken. Wir leben in unserer eigenen kleinen Lüge."
Baff von seinen tiefgründigen und wahren Worten, war ich zu nichts anderem im Stande als ihn verblüfft und auch mit einem Hauch von Akzeptanz anzustarren.
Dieser gutaussehende Idiot überraschte mich doch tatsächlich immer wieder aufs Neue.
Völlig fasziniert wiederholte ich seine Worte gedanklich nochmal und musste mir eingestehen, wie wahr sie waren. Wir lügten uns lieber etwas vor, da es einfach einfacher war.
Auch wenn wir uns damit auf längere Zeit mehr schadeten.
Jaron beugte sich etwas zu mir vor und sagte leise,"Ausserdem sind verzeihen und vertrauen zwei verschiedene Dinge."
Bevor ich überhaupt richtig verstanden hatte, was er da gerade von sich gegeben hat, schnappte er sich eine Erdbeere aus meiner Schüssel, lehnte sich wieder zurück und liess sie schnell in seinem Mund verschwinden.
"Hey! Das sind meine!", empörte ich mich und brachte die Schüssel mit den Erdbeeren und dem Eis in Sicherheit, ehe ich ihn eingeschnappt anfunkelte.
Jaron liess sich davon aber wenig beeindrucken und lachte nur leise, während er genüsslich seine Errungenschaft auf der Zunge zergehen liess.
Diese Situation erinnerte mich stark an unser erstes Zusammentreffen am Flughafen. Schon wieder hatte ich es zugelassen, dass er sich über meine Erdbeeren hermachte.
Das wir zuvor noch über ein sehr ernstes Thema gesprochen hatten, war passé.
Das Einzige wofür ich mich noch interessierte, waren meine kleinen roten Lieblinge vor diesem Schwachmat in Sicherheit zu bringen.
"Ich warne dich! Noch einmal und deine Fleischwurst wird eine unförmige!"

Beyond all reason - Gegen jede VernunftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt