Jaron
Meine Augen brannten und mein Hintern schmerzte wie die Hölle.
Ich musste mich zusammenreissen, um nicht gleich einzunicken, wobei die Dunkelheit um mich herum auch nicht sonderlich viel dazu beitrug.
In der Hoffnung durch Musik wieder etwas wacher zu werden, schaltete ich das Radio ein. Doch ausser ein Rauschen war nichts zu hören.
Leise fluchend stellte ich das Teil wieder aus.
Wiedermal kam ich nicht drum herum zu sagen, wie sehr ich meinen Dodge vermisste. Dieser Toyota hier war der letzte Schrott.
Seit geschlagenen 9 Stunden fuhr ich jetzt schon durch die endlos langen Landstrassen Südamerikas, Staat für Staat. Neben mir schnarchte Carlos vor sich hin und hatte sich wie ein Embryo auf dem Sitz zusammengerollt, was mir, mit seiner Grösse von 1.90, immer noch ein Rätsel war.
In den letzten beiden Wochen hatte der Typ klar gemacht, dass er in jeder erdenklichen Situation ein Nickerchen halten konnte, worüber man wirklich grün vor Neid werden konnte. Denn ich hatte in den 14 Tagen vieles abbekommen, nur keinen Schlaf.
Naja, wenigstens habe ich so meine Ruhe. Ich war alles andere als begeistert gewesen, als mir Jimmy dieses halbstarke Lockenköpfchen angedreht hatte. Wenn er mich schon quer durch Amerika schickte um seine Geschäfte in Mexiko abzuwickeln, dann brauchte ich nicht auch noch ein Klotz am Bein.
Aber eins musste man dem Schwarzschopf lassen, ohne seine Muttersprache wäre das alles nie so schnell von Dannen gegangen. Spanisch war nicht gerade meine Sprache.
Genau wie für viele Spanier in Mexiko Englisch nichts war.
Also hatte Carlos seinen Job als Übersetzter zugebener Massen mit Bravour gemeistert.
Aber das war dann auch schon alles. Jedoch beklagen konnte ich mich nicht wirklich.
Der Spanier hatte schnell kapiert, dass ich kein Mensch der vielen Worte bin und erst recht nicht auf neue Freundschaften aus war.
Dafür war ich ohnehin zu sehr mit mir selbst beschäftigt.
Die ganzen 14 Tage über begleitete mich das schlechte Gewissen, Jackson einfach ohne eine grosse Erklärung bei Léon gelassen zu haben, auch wenn dieser mir versprochen hatte, an meiner Stelle ein Auge auf ihn zu haben.
Jedoch hatte mich der Zustand meines Bruders erst hier her verschlagen.
Es war die einzige Möglichkeit, die uns beiden noch etwas Hoffnung gab. Er hatte nicht mehr lange und das wussten er genauso gut wie ich.
Ich will später nicht sagen, ich hätte nicht genug getan.
Jedenfalls hätte dieser Deal nicht besser für Jimmy und sein immer mehr wachsendes Kartell laufen können. Nun konnte er auch ein Drogenring in Mexiko zu seinen Verbündeten und neu dazu gewonnen Geschäftspartnern zählen.
Langsam ist es beängstigend, wie seine Macht sich immer mehr ausbreitete.
Jimmy' Ruf war längst über New Jersey hinausgewachsen und wenn das so weiter ging, würde er bald einer der einflussreichsten Männer in ganz Amerika sein.
Auch wenn ich diesem Mistkerl wirklich nichts gönnte, kam ich nicht drumherum sein Talent für Strategien lobend anzuerkennen. Dieser Mann ist um einiges schlauer, als er auf den ersten Blick den Anschein machte und genau das machte ihn so verflucht unberechenbar.
Ihn als Feind zu haben, war kein Zuckerschlecken.
Jimmy hatte ein Händchen dafür, zur richtigen Zeit am richtigen Ort die richtigen Leute anzutreffen und sie zu umgarnen. Etwas was nicht jedem in die Wiege gelegt wurde.
Diesem Drecksack leider schon.Mein Körper protestierte von der langen Fahrt und der immer stärker werdenden Müdigkeit.
Wenn ich nicht die Gefahr eingehen wollte, einen Unfall zu bauen, sollte ich lieber eine Pause einlegen und das Koffein in meinem Blutkreislauf auffrischen. Der Wagen musste ohnehin getankt werden.
Keine vier Meilen später war auch schon die nächste Tankstelle am Strassenrand zusehen und das genau richtig.
Carlos hatte zwar schon angeboten zu fahren, doch die halbe Stunde auf unserer Hinreise hatte mir schon gereicht. Der Spanier mag viellicht viele Talente haben, jedoch gehören seine Fahrkünste ganz sicher nicht dazu.
Der Toyota kam ruckelnd vor einer Tankstation zum Stehen und ich lehnte mich für einen Moment erschöpft im Sitz zurück.
Seufzend kramte ich in der Seitentür nach meinem Handy und Brieftasche und ging sicher, dass ich auch noch genug Geld hatte.
Neben mir regte sich was.
Carlos schreckte hoch und seine Hand schnellte wie automatisch zu seinem Hosenbund wo seine Waffe hing. Als er begriff wo wir waren und keine Gefahr drohte, liess er sich immer noch schlaftrunken wieder zurück sinken und drehte den Kopf in meine Richtung.
"Ich hol mir einen Kaffee, willst du auch was?", fragte ich während ich den Gurt löste und Anstalten machte auszusteigen.
"Das Gleiche wie du und eine Packung Chips.", murmelte er gähnend und mit leichtem Akzent.
Mit steifen Knochen schwang ich mich aus dem Wagen und schlenderte in den kleinen Laden der Bankstelle. Wie nicht anders zu erwarten zu dieser Zeit, war alles still. Sogar der Kassierer Mitte vierzig schien Mühe zu haben, nicht der Müdigkeit nachzugehen.
Zielstrebig ging ich auf die kleine Kaffeemaschine zu und besorgte mir, während das Teil vor sich hin brummte, die Packung Chips, die sich Carlos gewünscht hatte.
Ich verspürte keinen grossen Hunger und beliess es bei zwei Kaffees.
Carlos machte sich gleich über die Packung Chips her, kaum war ich wieder am Auto angelangt, was mich nur angewidert das Gesicht verziehen liess. Ich hätte zuerst verlangen sollen dass er diese Dinger draussen ass. Jetzt würde der Geruch von fettigem Paprikagewürz die ganze restliche Fahrt im Wagen zu riechen sein.
Gereizt und total übermüdet machte ich mich daran das Auto aufzutanken.
Denn mit dem was es jetzt noch im Tank hatte, würden wir keine Stunde mehr weit kommen.
Während das Benzin in den Tank schoss, schaute ich heute zum ersten Mal auf mein Telefon und stellte fest, dass mich Jackson angerufen hatte.
Seufzend drückte ich auf Rückruf und ignorierte die Tatsache, welche Uhrzeit die Uhr gerade schlug.
"Hast du mal auf die Uhr geschaut?", grummelte da auch schon die verschlafene Stimme meines Bruders.
"Du hast angerufen.", meinte ich unbekümmert. Das Jackson noch motzen konnte, liess die Sorge die die ganze Reise über an mir nagte, für einen Moment ein wenig schwinden.
"Und du hast Scheisse gebaut.", konterte er, wenn auch völlig zusammenhangslos.
"Ist das etwas Neues?", erwiderte ich trocken. Ich wollte nicht mal wissen was ich dieses Mal wieder ausgefressen haben sollte.
"Clea ist stinksauer."
Bei der Erwähnung ihres Namens, schloss ich kurz die Augen, wobei unweigerlich ihr Gesicht vor mir schwebte. Ihre braune Mähne, die sich an ihren schlechten Tagen kaum bändigen liess umrahmt ihr hübsches Gesicht und ihre braunen Augen strahlten nur so vor purer Starrköpfigkeit, die mir so Konkurrenz machte und dann wäre da noch dieses süsse Lächeln...
"Du hast mit ihr gesprochen?
Wie geht es ihr?"
"Ja habe ich und ausser dass sie überhaupt nicht gut auf dich zu sprechen ist, scheint ihr nichts zu fehlen.", berichtete Jackson mir breitwillig. Jedoch entging mir der Unterton in seiner Stimme nicht.
"Sie weiss ,dass ich manchmal einfach für ein paar Tage verschwinde.", versuchte ich mein Handeln zu rechtfertigen.
Auch wenn ich eigentlich wusste, dass es zwecklos war.
Bestimmt war Clea sauer.
Wäre ich an ihrer Stelle auch.
"Ein paar Tage sind nicht zwei Wochen, Bruderherz. Vor allem nachdem ihr im Streit auseinander gegangen wart.", der Versuch meines Bruders mir ein schlechtes Gewissen zu machen war nicht gänzlich ohne Erfolg. Auch wenn ich mich zähneknirschend dagegen zu wehren versuchte.
"Du weisst das ich keine Wahl habe."
Mein Bruder lachte spöttisch auf,"Wird es dir nicht langsam leid, dich immer hinter derselben Ausrede zu verstecken?"
Mittlerweile war der Tank des Wagens wieder bis obenhin gefüllt und ich verschloss die Klappe rasch.
"Ich verstecke mich nicht.", stellte ich mit Nachdruck klar.
"Und wie du das tust. Du hast Angst, dass du schlussendlich alleine da stehst. Und damit machst du dir etwas kaputt, was du später bereuen wirst. Akzeptiere, dass du auch nur ein Mensch mit Gefühlen bist."
"Du hast eindeutig zu viel Zeit mit Ben verbracht.", meine Stimme klang spöttisch und herablassend. Er klang wirklich fast schon wie der Möchtegern Psychologe, der mit damit ebenfalls schon in den Ohren lag.
Es war nicht richtig mich jetzt so zu verhalten. Jackson wollte nur helfen und hatte wahrscheinlich sogar Recht. Allein bei dem Gedanken, Clea an dem Teil meines Lebens teilhaben zu lassen, wurde mir schon ganz anderes. Nicht nur wegen der Gefahr, die dann Bestandteil ihres Leben wurde, sondern auch was ihre Reaktion angeht.
Auch wenn ich es nie vor Jackson oder Ben zugeben würde, mir war in den letzten Tagen durchaus bewusst geworden, dass Clea nicht nur irgendeine für mich war.
Sie brachte Gefühle in mir hoch, die ich sie letzten Jahre bemüht unterdrückt und nicht für notwendig angesehen habe. Doch genau diese Tatsache hinderte mich daran mich bei ihr zu melden oder überhaupt das zu tun, was ich so gern tun würde. Hatte ich das Recht ein unschuldiges Mädchen wie Clea in solche Sachen reinzuziehen? -Eindeutig nicht.
Aber ich konnte auch nicht die Finger von ihr lassen.
Wie oft war ich in den letzten Tagen schon nah dran gewesen sie anzurufen?
Einzig allein der dunkle Hintergedanke der Vernunft hinderte mich daran. Mexiko war bekannt dafür, dass es dort schmutzig zu und herging.
Erpressung und Einschüchterung war dort das alltägliche Geschäft.
Und vor allem Fremden gebührte eine saftige Portion Misstrauen. Macht bedeutet für diese Männer dort etwas gegen dich in der Hand zu haben. Würde also nur jemand ein Gespräch von mir mithören oder gar das Handy unter seinen Nagel reissen, wäre das alles andere als gut. Aus diesem Grund hatte ich auch Jackson nur 2 mal angerufen und dass auch nur aus abgelegenen Telefonzellen, was mich nebenbei bemerket, ein halbes Vermögen gekostet hatte.
"Ben ist unschuldig. Der ist im Moment selber ganz im stress.
Er konnte die letzten beiden Wochen nur wenig vorbei kommen und dann auch nur für wenige Stunden."
Das war nicht weiter verwunderlich. Jimmy' Strassenrennen war diese Woche, das war auch der Grund weshalb wir jetzt so zügig zurück reisten. Jimmy bestand auf meine Anwesenheit, worüber ich ausnahmsweise sogar erleichtert war. Mexiko war nicht gerade mein Lieblingsort.
Ben hatte die grosse Bürde alle Kontakte von Jimmy zu spinnen und zu pflegen. Das Strassenrennen war nur ein Vorwand, eine Ablenkung. Denn äussert wichtige Leute kommen dort zusammen und hielten dort ihr Geschäfte. Genaueres wusste ich auch nicht. Jimmy war, was das anging, immer sehr vorsichtig und schweigsam.
Das Einzige was er wollte war, dass alles ohne Probleme ablief und er einen guten Eindruck hinterliess."Denkst wenigstens darüber nach was ich dir gesagt habe?", versuchte mein Bruder mir ins Gewissen zu reden.
Wenn er wüsste, dass ich schon länger an nichts anderes mehr dachte.
"Ich bin in spätestens zwei Tagen zurück. Schau bis dahin, dass du dich von Schwierigkeiten fernhälst.", damit war das Gespräch für mich beendet.
Ich verstaute das Handy in meiner Hosentasche, nahm den letzten Schluck von meinem Café und gesellte mich dann wieder zu Carlos in den Wagen.
Dieser schnarchte schon wieder friedlich vor sich hin, was mich wieder Mal mit leichtem Neid erfüllte.
Naserümpfend über den würzig, fettigen Geschmack der nun im Innenraum des Wagens zu riechen war, drehte ich den Zündschlüssel und fuhr der Dunkelheit entgegen.Auf nach Hause!
Dieses Kapitel ist nichts besonderes, nur mal einen kleinen Einblick in die Gefühle von Jaron.
Ich hoffe es hat euch trotzdem gefallen!
Ich wünsche euch allen frohe Ostern!🐣🌷
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Beyond all reason - Gegen jede Vernunft
Storie d'amore-Reason is powerless in the expression of love- Wenn Jaron und Clea aufeinander treffen, prahlen zwei Welten zusammen für die es tausend Gründe gibt es nicht zu tun. Kein schwarz oder weiss, kein Gut oder Böse nur zwei Menschen die versuchen, ihr G...