61. Kälte

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Kaum schloss ich die Haustür hinter mir, wurde ich im Gang von Mum begrüsst, während ich mich aus meiner verschneiten Jacke kämpfte. Draussen stürmte es und es machte keinen Anschein, dass es in nächster Zeit damit aufhören wird.
Es war überhaupt ein Wunder, dass es der Streifenwagen bis hier hin geschafft hatte.
Ja, zu den beiden Polizisten als Aufpasser, gehörte auch noch ein persönlicher Fahrdienst.

"Du kommst genau richtig. Das Essen ist gleich fertig."

"Ich zieh mir nur schnell was bequemeres an.", meinte ich, während ich ihr ein Kuss auf die Wange drückte und an ihr vorbei die Treppe hoch eilte.
Ich wollte auch nochmal einen Versuch starten Jaron anzurufen. Ausserdem wollte ich mich kurz sammeln, bevor ich mit meinen Eltern sprach.
Ich hatte beim nach Hause fahren einen Entschluss gefasst, von dem ich wusste, dass es kein Leichtes werden wird, sie davon zu überzeugen.
Doch so konnte es auf keinem Fall weitergehen.
In Jogginhosen und Trägerhemd wählte ich keine zwei Minuten später die im Moment meist gewählte Nummer auf meiner Kontaktliste. Doch wieder tutete es einfach nur, bis sich dann die, leider langsam allzu vertraute, Combox Stimme meldete und mich bat eine Nachricht zu hinerlassen.
Was ich aber nicht tat.
Ich schätze, ich hatte ohnehin schon den Speicherplatz seines Anrufbeantworters gesprengt.
Enttäuscht und frustriert warf ich das Handy auf mein Bett und raufte mir die Haare.
Leise Wut brodelte in mir auf.
Wut auf mich aber auch auf Jaron.
Übertrieb er es nicht ein wenig?
Es waren verdammt nochmal 7 Tage her, seit wir kein Wort mehr miteinander gewechselt haben.
Irgendwann musste er ja wieder mit mir reden!

Bevor ich mir noch weiter Gedanken darüber machen konnte, wie ich weiter in der Sache Jaron vorgehen wollte, rief mich Mum zum Essen.
Mein Magen knurrte verlangend, während ich ihrem Ruf Folge leistete.
Es roch wiedermal fantastisch.
Doch ich wusste, dass das Essen gleich in den Hintergrund rücken würde.
Dad und Mum saßen bereits am Tisch und Mum schöpfte gerade, als ich das Esszimmer betrat.

"Clea, wie war dein Tag?", fragte Dad, sobald ich mich zu ihnen gesetzt hatte.

"Darüber wollte ich mit euch sprechen.", fing ich vorsichtig an, froh das Dad den Anfang machte.

Besagter hielt beim Essen inne und bedachte mich augenblicklich misstrauisch.
Unter diesem Blick fühlte mich gleich um ein Vielfaches kleiner.
Es war kein Wunder, dass Dad solch eine hohe Aufklärungsrate hatte.
Ich zweifelte keine Sekunde daran, dass jedermann fast in die Hose machte, würde Dad sich richtig ins Zeug legen.
Bei ihm braucht es nicht sonderlich viele Worte, seine Körperhaltung und sein Gesicht sagten meistens genug.

"Ist etwas passiert? Meine Männer haben in ihrem Bericht nichts erwähnt."

Ich musste an mich halten, um nicht die Augen zu verdrehen.
Wie lange war ich jetzt schon zu Hause? Knapp eine halbe Stunde?
Und Dad hatte bereits einen Bericht erhalten, wenn wahrscheinlich auch nur per Telefon.

"Nein, nein es ist nichts passiert.",-Dad entspannte sich sichtlich-"Es geht um deine Männer."

Sofort war Dad wieder in Alarmbereitschaft und auch Mum, die bis dato noch nichts von sich hören liess, stoppte in ihrer Bewegung.
"Mcneel und Appell sind zwei meiner besten Männer."

"Das bezweifle ich nicht. Ich denke nur, dass sie überflüssig sind."

Dad hustete überrascht.
Nun meldete sich auch Mum zu Wort. Sie lächelte vorsichtig, sie wusste das Dad gleich laut werden würde und versuchte dies mit ihrem sachlichen Tonfall zu vermeiden.
"Sie sorgen für deine Sicherheit, Schatz. Daran ist nichts überflüssig."

Der Appetit verging mir immer mehr und ich legte die Gabel ab.
Wenn es um mein Wohlergehen ging, war es schon immer äusserst schwer gewesen, zu ihnen durchzudringen.

Beyond all reason - Gegen jede VernunftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt