25. Begleitung gesucht & schlechte Nachrichten

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Konzentriert starte ich auf den unverkennbaren grauen Fliesenboden der Schule.
Meine Gedanken waren überall nur nicht hier. Kurz gesagt, ich war überhaupt nicht für die kurz bevorstehende Geschichtsstunde beim Hausdrachen höchstpersönlich gewappnet.
Ich wusste, dass sie hören wollte wie weit wir im Projekt schon gekommen waren und ich wusste auch, dass ihr meine Antwort nicht gefallen wird. Der Vortrag war zwar nicht in Vergessenheit geraten, jedoch kam ich kaum voran. Wie auch, alleine ohne Hilfe. Denn Jaron hatte sich seit dem Vorfall in meinem Garten weder bei mir, noch in der Schule blicken lassen. Was mir eigentlich gar nicht so unrecht war. Ich wusste wirklich nicht, wie ich ihm entgegen treten sollte. Aber ich hatte mich entscheiden diesen Kuss vorerst in die hinterste Ecke meines Unterbewusstseins zu verbannen und mich auf das Wichtige zu konzentrieren, nämlich der Strafarbeit.
Ende diese Woche schon mussten wir dieses blöde Referat vor der Klasse halten und Jaron' Teil war nicht mal annähernd so weit wie er eigentlich sein sollte.   Mir grauste jetzt schon davor. Aber ich kam wohl kaum drum herum.
Wieso musste auch immer alles so kompliziert sein?!
Oder besser gefragt, wieso musste Jaron immer alles so kompliziert machen?!
Ein Japser neben mir liess mich meinen Blick von meinen Füssen heben und zum ersten Mal seit ein paar Minuten nahm ich meine Umgebung wieder wahr.
Fragend sah ich zu meiner Freundin neben mir, welcher der Japser entflohen war. Brianna starrte wie gebannt auf einen Punkt in unserem Klassenzimmer, ehe sie sich mir zuwandte und mich mitleidig ansah. Verwirrt und neugierig zugleich, was sie dazu veranlasste so zu reagieren, folgte ich ihrem Blick.
Ich musste nicht lange suchen, da hatten mich ein ganz bestimmtes Augenpaar in ihren Bann gezogen. Automatisch hielt ich die Luft an und spürte wie mein Puls rasant in die Höhe stieg. Mein Hals wurde staubtrocken und meine Lippen kribbelten automatisch, dass ich gegen den Zwang ankämpfen musste sie zu berühren.
Die Kapuze hatte Jaron heute ausnahmsweise nicht so tief ins Gesicht gezogen, so dass jedermann freien Blick auf seine maskuline Züge hatte. Meiner Wenigkeit wäre es lieber gewesen, wenn er so verhüllt wäre wie immer.
Allein seine verdammten Augen brachten mich schon ins schwitzen und zeigte mir, dass mein Vorsatz, mich nur aufs Wichtigste zu konzentrieren, doch schwerer zu bewerkstelligen war als gedacht.
Ich atmete kontrolliert ein und aus und zwang mich den Blickkontakt zu unterbrechen. Ich umklammerte die Träger meiner Schultasche während ich auf einen der freien Plätze zulief. Leider war nur noch ein zweier Platz in der dritten Reihe frei, eine Reihe vor ihm.
Mein Glück heute war unglaublich.
Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen, setzte mich schnell auf den schon etwas älteren Stuhl und packte meine Sachen aus. Brianna war mir gefolgt und warf mir immer wieder besorgte Blicke zu, die mich nur noch mehr auf die Palme brachten.
Es gab keinen Grund mich zu bemitleiden.
Wir haben uns geküsst na und?
Das macht man heute ja andauernd. Nichts besonders also.
Genervt über mich selbst, über meine Freundin neben mir und vor allem wegen dem Idioten hinter mir, der mir ein Loch in den Rücken zu starren schien, liess ich die letzte und gleichzeitig schlimmste Stunde der Woche über mich ergehen und versuchte so gut wie möglich unauffällig zu sein.
Heute noch eine Auseinandersetzung mit der Flemmings war das Letzte auf was ich scharf war.

***

"Bin wieder da!", ich liess die Tür hinter mir ins Schloss fallen und kickte mir achtlos die Schuhe von den Füssen. "In der Küche!", kam es zurück.
Mit einer schnellen Bewegung schob ich mir meine nasse Mähne nach hinten und hing meine Turntasche an die Garderobe. Meine Beine brannten angenehm und ich war seit langem wieder mal gut gelaunt. Diese zwei Stunden tanzen und die anschliessende heisse Dusche hatten mir wirklich gut getan.
Ich machte das definitiv zu wenig. Vor mich hinsummend checkte ich mein Handy, während ich in Richtung der Küche lief. "Hey Mum. Riecht lecker! Was gi- Jaron?!", abrupt hielt ich in meinem Satz inne und glotzte den Tätowierten verblüfft an. Dieser lehnte völlig tiefenentspannt an der Küchentheke neben meiner kochenden Mutter und musterte mich ausdruckslos.
Seine Arme hatte er abwehrend verschränkt, wobei sich sein Shirt beachtlich um seine Muskeln spannte. Ich schüttelte kaum merklich den Kopf.
Diese schwärmerischen Gedanken mussten ein für alle mal eine Ende nehmen!
"Was machst du hier?", fragte ich nicht gerade freundlich, was mir von meiner Mutter einen ermahnenden Blick einbrachte.
"Clea! Begrüsst man so seinen Gast?", rügte sie mich auch so gleich.
Ich wollte gerade erwidern, dass er kein Gast war, da man einen Gast schließlich zuerst einladen musste, was ich ganz bestimmt nicht getan hatte. Doch ich wusste, so kam ich nicht weiter. Deswegen schluckte ich meinen Ärger herunter und zwang mich zu einem Lächeln,"Entschuldige. Also Jaron was führt dich zu mir nach Hause?"
Würde ich ihn nicht besser kennen, hätte die das leichte Zucken um seine Mundwinkel und das belustigte Funkeln in seinen braunen Augen nicht wahrgenommen.
Jaron hatte meine gespielte Freundlichkeit natürlich durchschaut und fand das Ganze sichtlich erheiternd.
Was für ein Idiot!
Der kann froh sein das Mum so begeistert von ihm war. Anders hätte er jetzt ein grosses Problem.
"Wir müssen unser Projekt abschliessen.", riss mich seine dunkle Stimme aus meinen Mordgedanken. Ich könnte an die Decke gehen!
Das fiel ihm erst jetzt ein?
Eine Woche hatte ich nichts mehr von ihm gehört und dann steht der einfach unangekündigt in meinem Haus und erwartet dass ich alles stehen und liegen lasse um mit ihm diese verdammte Strafarbeit abzuschliessen?!
Abgesehen davon hatte er aber leider recht. Wir mussten das Projekt wirklich beenden. Und wann nicht besser als jetzt?
Je schneller das Ganze vorbei ist, desto eher kann die Mission Jaron Doe aus dem Weg zugehen in die Welt gerufen werden.
Denn zu diesem Entschluss war ich heute Nachmittag während des Tanzens gekommen.
Unser Kuss bestärkte mich in meinem Vorhaben nur noch mehr. Denn auch wenn ich leider zugeben musste, dass dieser mehr in mir ausgelöst hatte als er sollte, sagte mir etwas, dass die Nähe zu Jaron auch automatisch Schwierigkeiten mit sich ziehen wird. Und auf diese war ich nun wirklich nicht angewiesen.
"Ich hol meine Sachen.", murrte ich grimmig und drehte mich mit einem letzten erdolchenden Blick in seine Richtung um und verliess die Küche um hoch in mein Zimmer zu sprinteten. Dort schnappte ich mir den Stapel und begab mich wieder nach unten. Wir hätten die Arbeit wie auch zuvor immer in meinem Zimmer machen können, doch ich wollte es nicht riskieren mit Jaron wieder allein zu sein.
Aus dem einfachen Grund, weil ich weder ihm noch mir vertraute.
Ich erwischte mich manchmal dabei, wie ich mich in den Erinnerungen an seine Berührungen und vor allem an seine Lippen verlor. Und das öfter als gut war. Ich verstand es einfach nicht. Wir hatten uns nur ein einziges Mal geküsst und trotzdem ging mir dieser Kuss mehr unter die Haut als jeder bisherige zuvor. Und das machte mir Angst. Grosse Angst.
Ich meine wieso ausgerechnet bei Jaron, der mehr Geheimnisse hatte als jeder andere?
Wieder in der Küche dirigierte ich Jaron zum Esstisch wurde dann aber nochmal von Mum aufgehalten,"Dein Vater hat gerade angerufen. Eine Festnahme ist ihm dazwischen gekommen. Jaron isst mit. Für zwei Personen habe ich eindeutig zu viel gekocht."
Wenig begeistert nickte ich stumm und begab mich zu Jaron, der schon ganz vertieft in der Arbeit zu sein schien. Ich blieb kurz im Türrahmen stehen und beobachtete den leider überdurchschnittliche attraktive Typ an unserem Tisch.
Seufzend verwarf ich dann aber die lästigen Gedanken und gesellte mich zu ihm. Er verhielt sich wie immer und das sollte ich auch tun.

***

"Der Braten ist wirklich sensationell, Mrs. Davies.", schleimte der Schleimbolzen gegenüber von mir genüsslich, während er von Mum nochmal Nachschlag geschöpft bekam.
"Corine.", korrigierte Mum ihn streng, ehe sie leicht lächelte und sich für das Lob bedankte. Ich seufzte nur und verdrehte die Augen. So ging es jetzt schon das ganze Essen über. Mum schwafelte Jaron voll und löcherte ihn nur so mit Fragen, die Jaron zwar bemüht freundlich beantwortete, wenn auch eher ungenau. Doch meine Mutter schien das nicht zu stören.
Das ich jedoch das ganze Essen über kaum etwas gesagt und das Essen nur auf dem Teller rum geschoben habe wiederum schon. Immer wieder spürte ich ihren auffordernden Blick auf mir, welchen ich habe geflissentlich ignorierte.
"Clea hast jetzt eigentlich schon eine Begleitung für die Gala nächste Woche?", erkundigte sich meine Mutter dann fast schon unschuldig beiläufig. Etwas verirrt blickte ich von meinem Teller auf. Dieses Thema hatten wir doch schon.
Ich wollte weder mit dem Sohn ihrer besten Freundin dort hin, noch suchte ich mir einfach irgendeinen für einen Abend. Was Dad übrigens völlig befürwortete.
Doch Mama wollte weder mir noch ihrem Mann zuhören.
Ich hatte vorgeschlagen Brianna mitzunehmen. Die fuhr total auf solche Abende ab. Dieses ganze glamouröse war eher ihr Ding als meins. Doch es war das hundertjährige Jubiläum des örtlichen Polizeidepartments und ich, als Tochter des Chiefs, hatte dort ungeschriebene Anwesenheitspflicht.
"Mum das hatten wir doch schon.", erinnerte ich sie genervt und verdrehte die Augen.
Sie schenkte mir einen Blick den ich nicht ganz zu deuten wusste und mich nervös schlucken liess.
Die heckte doch irgendwas aus...
"Wie wärs denn wenn du mit Jaron da hin gehst? Du besitzt doch einen Anzug oder Jaron?", allein dieser Satz veranlasste mich zu einem Hustenanfall. Mein Essen blieb mir vor Schock im Hals stecken und ich spürte wie mir die Hitze ins Gesicht stieg. Jaron entglitten nur für einen kurzen Moment die Gesichtszüge, ehe ein für ihn sehr ungewöhnlich breites Grinsen auf seinen Zügen erschien. Das war jetzt nicht sein ernst!
"Mum!", rief ich aufgebracht und funkelte sie wütend an, während ich nach meinem Glas Wasser griff.
Jaron hatte sich zurück gelehnt und sah so aus, als müsse er sich das Lachen verkneifen. Was mich ehrlich gesagt gleichermassen verwirrte und auf 180 brachte.
Meine Mutter liess sich durch mich nicht beirren und blickte ganz begeistert von der Idee zu Jaron, welcher jedoch mich beobachtete. Immer noch mit dem leichten Lächeln auf den Lippen was mein verräterisches Herz ins stolpert brachte und zu meinem missfallen meine Wut etwas linderte.
Aber allein diese Tatsache liess mich wieder wütend werden.
Wobei sich die Wut eher gegen mich selbst als gegen ihn und meine Mutter richtete.
Mum schien aber noch nicht fertig zu sein. Im Gegenteil sie legte sogar noch einen drauf,"Ihr würdet bestimmt ein entzückendes Paar abgeben!"
Ich stöhnte fassungslos und völlig beschämt auf und schlug mir die Hände vors Gesicht.
Das durfte doch alles nicht wahr sein! Wieso mussten mich meine Eltern immer ausgerechnet in Jaron' Anwesenheit blamieren?!
Letztens war es mein Vater, der meine Jungfräulichkeit heraus posaunte und nun meine Mutter, die mich sichtlich versuchte zu verkuppeln.
Ich wünschte Dad wäre hier.
Er wäre bestimmt auf meiner Seite. Wo blieb denn mal sein zwanghafter Beschützerinstinkt wenn man ihn brauchte?!
"Ich hoffe das war nur ein Scherz! Bevor ich mit dem da dort hin gehe, geh ich doch lieber mit dem alten Albert eine Strasse weiter!", stellte ich ungehalten klar.
"Clea!", Mum schaute mich ganz geschockt an. Verständlich. Denn um den alten Albert handelte es sich um einen 85 Jährigem Griesgram mit Hasenzähnen, einer Nase die jeder Hexe in den Kinderbüchern Konkurrenz gemacht hätte und der eine beachtliche weisse Mähne besaß. Sein Grundstück war weit und breit das isolierteste. Denn sein Besitzer litt unter sehr starker Paranoia.
Alles und jeder wollte ihm was böses und war gegen ihn.
Ehrlich gesagt hatte ich Mitleid mit ihm. Wenn ich so alleine in solch einem grossen Haus wohnen würde, wäre mein psychischer Zustand auch nicht viel anders.
Jaron, der sichtlich nicht wusste wenn ich meinte, beobachtete uns nur ruhig aber dennoch belustigt.
Mum wollte gerade ansetzten ihre Schimpftriade weiterzuführen, als das Telefon sie unterbrach. Sie warf mir noch einen letzten warnenden Blick zu den Bogen nicht zu überspannen und lächelte dann Jaron nochmal kurz entschuldigend zu,"Vergiss nicht wo wir waren. Ich komme gleich darauf zurück."
Kaum war Mum aus dem Raum, bombardierte  ich Jaron mit mordlustigen Blicken.
"Denk nicht mal dran! Und hör auf so blöd zu grinsen!!", drohte ich ihm zischend. Doch Jaron schien das wenig zu stören. Er nahm mich wieder einmal nicht ernst.
Er hob nur schmunzelnd die Hände,"Hey, kein Grund die Krallen auszufahren! Ich hab ja noch gar nichts gesagt."
Ich schnaubte nur und wollte gerade ansetzten etwas darauf zu erwidern, als Mum wieder ins Zimmer trat. Jedoch war ihr Lächeln verschwunden. Stattdessen sah sie aus, als hätte sie einen Geist gesehen. Ihr Gesicht weiss wie die Wand hinter hier und ihre Lippen, sowie ihre Hände zitterten unkontrolliert.
Sofort war meine Wut verschwunden und in meinem Bauch bildetet sich ein grosses schweres Etwas.
Besorgt schaute ich sie an und machte mich gleichzeitig aufs Schlimmste gefasst.

"Wir müssen los, sofort!"

Beyond all reason - Gegen jede VernunftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt