Prolog

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"Clea, Schatz, kommst du bitte mal runter?!", rief meine Mutter durch das Haus.
Seufzend erhob ich mich von meinem  Bett, in das ich mich nicht mal 10 Minuten zuvor reingeworfen hatte und trampelte lautstark die Treppe runter. Mit dem Wissen, dass meine Mutter das gar nicht leiden konnte.
Doch dieses Mal blieb zu meiner Verwunderung der anklagende Blick und der übliche Kommentar aus, als ich die Küche betrat.
Stattdessen war das attraktive Gesicht meiner Mutter ernst und traurig gestimmt.
Ihre sonst so strahlend grauen Augen, blickten mir matt entgegen, wobei mir die leichte Rötung in ihnen nicht verborgen blieb. Sie hatte geweint. Wieder einmal.
Auch mein Vater, welcher am Küchentisch saß, sah mitgenommen aus. Tiefe Augenringe zeichneten sich auf seinen Gesicht ab, das in letzter Zeit stark an Farbe abgenommen hatte. Seine sonst so autoritäre, selbstbewusste Ausstrahlung war verschwunden.
So kannte man ihn vor ein paar Wochen nicht. So kannte man meine  beide nicht.
Doch es hatte sich einiges geändert in letzter Zeit und ich wusste, dass ich der Grund dafür war. Und es tat mir weh, meine Eltern so zu sehen.
Es schien, als litten sie noch mehr unter der Situation als ich.
"Was ist denn?", fragte ich so unbeschwert wie möglich, obwohl diese Frage völlig überflüssig war.
Mein Vater deutete stumm auf die beiden Briefe, die in der Mitte des Tisches lagen.
Ich schluckte hörbar.
Meine erzwungenes unbeschwerte Auftreten verabschiedete sich nun endgültig.
Ohne auch nur den Brief geöffnet zu haben, wusste ich von wem er stammte. Wusste was drin stand.
Und doch ging ich zögerlich auf den Tisch zu und entfaltete ihn.
Ein ekelhafter und leider mir nur allzu bekannter Geruch stieg mir in die Nase. Das allein bewirkte bei mir einen Würgereiz. Mein Herz raste unnatürlich schnell und mich überkam ein unangenehmer Kälteschauer.
Obwohl auf dem Papier nichts neues stand, fühlte es sich so an, als würde ich diese Worte zum ersten Mal lesen. Jetzt wird wohl ein weiterer Umschlag zu meiner Sammlung dazu kommen.
"Wann..-Wann ist der Brief angekommen?", wollte ich stockend wissen.
"Heute früh.", erwiderte Mum heißer.
Mein Vater starrte die ganze Zeit über nur auf die Tischplatte, nicht fähig mir in die Augen zu sehen.
Er gab sich an allem die Schuld. Wie immer. Doch das war schon immer so.
Er übernahm immer für alles die Verantwortung.
Als wäre sein Beruf nicht schon Verantwortung genug.
Ich blickte auf und betrachtete meine Eltern. Meine Mutter war hinter Dad getreten und hatte ihm eine Hand auf die Schulter gelegt.

Es war nicht das erste Mal, dass wir hier sassen, doch die Stimmung war noch bedrückter als sonst. Das musste noch nicht alles gewesen sein.
Etwas kam da noch und ich hatte den straken Verdacht, dass dieses Etwas mir gar nicht gefallen wird.
"Clea wir-..", fing meine Mum auch schon an, stoppte dann aber wieder und blickte hilfesuchend zu ihrem Mann, der ihrem Blick aber erfolgreich auswich.
In seinen, mir so ähnlich braunen Augen, spiegelte sich Trauer und Wut wieder. Als Mum bemerkte, dass Dad keine Anzeichen machte, ihr zur Hilfe zu kommen, seufzte sie frustriert auf,"Clea so kann es nicht weiter gehen! Wir können dich nicht mal aus dem Haus lassen, ohne vor Sorge und Angst fast umzukommen.
Deshalb halten dein Vater und ich es für das Beste, wenn....wenn du weggehst..."
"Weggehen?!", wiederholte ich aufgebracht und verwirrt zugleich. Was sollte das heißen?
Zuerst wollten sie mich nie unbeaufsichtigt lassen und jetzt sollte ich gehen?!
Ich soll weg von meiner Schule?
Von meinen Freunden? Von New Jersey?!
Allein dieser Gedanke trieb mir die Tränen in die Augen.
Das musste doch ein schlechter Witz sein!
"Schatz versteh uns doch! Wir wollen nur dein Bestes.", versuchte mich Mum zu beruhigen.
"Aber wohin und für wie lange?", fragte ich völlig aufgelöst.
"Adrian jetzt sag doch auch mal was!", meinte meine Mutter verzweifelt zu meinem, immer noch stillen, Vater. Dieser raufte sich die Haare und schaute dann endlich auf.
"Eine gute Freundin von mir in Australien hat sich bereit erklärt, dich für eine unbestimmte Zeit bei sich aufzunehmen. Sie ist ebenfalls Polizistin. Bei ihr bist du in guten Händen.", klärte er mich leise auf.

"Für unbestimmte Zeit?
Australien?!", ich konnte nicht fassen was ich da hörte. Und ich dachte vor ein paar Minuten schon, mein Leben sei am Tiefpunkt angelangt, doch da hatte ich mich wohl gewaltig geirrt.
Gerade dann wenn man dachte, es könnte nicht mehr schlimmer kommen, passierte wieder etwas, was einem das Gegenteil bewies.

Man sah meinem Dad an, dass es ihm schwer fiel, mich wegzuschicken.
Genauso wie Mum, doch sie sahen es als die einzige Lösung an.
Und vielleicht hatten sie Recht. Vielleicht könnten sie wieder glücklich werden, wenn ich eine Zeit lang wegginge. Auch wenn der Gedanke schmerzte, dass sie das momentan nur ohne mich sein konnte, war es das Beste. Sie haben genug gelitten.
"Wann?", fragte ich also nur. Fest entschlossen ihnen es nicht noch schwieriger zu machen.
"In drei Stunden geht dein Flug.", antwortete mir Mum leise, mit Tränen in den Augen.

In drei Stunden.
In drei Stunden werde ich im Flieger nach Australien sitzen.

Unwissend wann ich wieder zurück kommen werde.


Hey ;-)
Willkommen bei meiner neuen Geschichte!
Ich freue mich auf eure Meinungen, ob jetzt positiv oder negativ:-)

Stracatella

Beyond all reason - Gegen jede VernunftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt