10. Ich mag sie...

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Jaron

Augen verdrehend knallte ich meinen Spind zu. Das ohrenbetäubende Geräusch, welches dabei entstand, hallte lautstark durch den ganzen Gang.
Dementsprechend zog ich auch mehr als genug verstörende Blicke auf mich und sorgte dafür, dass manche sogar ihre Gespräche unterbrachen.
Doch das war mir herzlichst egal.
Ich hatte mein Ziel erreicht.
Nämlich dass diese zwei blöden Schnäpfen neben mir, endlich die Klappe hielten.
Lydia und Lindsay wollten einfach nicht akzeptieren, dass ich kein Interesse hatte.
Und das hatte ich nun schon genug oft deutlich gemacht.
Doch die beiden wollten es einfach nicht wahrhaben.
Ihr andauerndes Gekicher und ihre piepsigen Stimmen waren einfach unerträglich! Und von ihren kläglichen Versuchen an mich ranzukommen will ich erst gar nicht anfangen.
Mit einem letzten erdolchenden Blick in ihre Richtung, der zwar völlig überflüssig war, da sie ihn wegen meiner Kapuze sowieso nicht sehen konnten, drehte ich mich um und lief in Richtung Unterrichtsraum.
Keine Ahnung wie ich diesen Tag hinter mich bringen soll.
Jackson hatte das Glück heute einen Arztbesuch zu haben.
Wobei er sehr wahrscheinlich alles dafür geben würde, mit mir zu tauschen.
Meine Mundwinkel hoben sich leicht, als ich beobachtete wie die Schüler hier mir augenblicklich Platz machten, wenn ich kam und mich nur flüchtig anschauten und sofort wieder den Blick senkten.
Ich hatte nie wirklich was gemacht, dass alle so Angst vor mir hatten. Zumindest nicht hier in der Schule.
In meiner 'Freizeit', wenn man das denn so nennen konnte, sah das dann schon wieder anders aus.
Leider.
Im Raum lief ich sofort auf meinen Stammplatz zu und liess mich auf dem Stuhl nieder.
Wie immer gab er dabei ein knarrendes Geräusch von sich.
Es würde sicherlich nicht Schaden hier und da ein paar Möbelstücke der Schule zu erneuern. Doch dieser Schule schien es im allgemeinen nicht besonders wichtig zu sein, einladend zu wirken.
Mit einem Blick auf die kleine Uhr über der Tür stellte ich fest, dass der Unterricht erst in ein paar Minuten anfangen würde und nahm mein Handy hervor.
Doch ich blickte sogleich wieder auf, als eine bekannte angenehm sanfte Stimme im Raum ertönte.
Clea kam mit ihrer Freundin durch die Tür. Sie schienen angeregt zu diskutieren oder eher gesagt Clea schien ihren Frust rauszulassen und das andere Mädchen nickte nur immer wieder verständnisvoll.
Clea' Wangen waren leicht gerötet und eine kleine Falte zierte ihr Stirn.
Die schien immer aufzutauchen, wenn sie aufgebracht war.
Ihre wilde Mähne hatte sie heute wohl nicht zähmen können, denn ihre dunkelbraunen leichten Locken fielen
ihr unkontrolliert ins Gesicht.
Doch ihr Erscheinungsbild wurde dadurch keineswegs in den Schatten gestellt. Ihr ausdrucksstarken braunen Augen schienen etwas gerötet zu sein, doch dass könnte ich mir auch nur einbilden...
Bevor ich beim Starren noch erwischt wurde, senkte ich lieber wieder meinen Blick auf mein Telefon, lauschte aber trotzdem ihrem Gespräch.
Ich wollte wissen was der Grund für Clea' Aufregung war.
Auch wenn ich es ungern zugab, dieses Mädchen faszinierte mich.
Sie hatte mein Interesse geweckt, schon am Flughafen.
Als ich sie dann einen Tag später hier im Gang entdeckt hatte und Zeuge ihrer Abfuhr an den schmierigen Lackaffen Dean war, traute ich meinen Augen kaum.
Einerseits war es ein Schock sie zu sehen anderseits war es auch sehr amüsant das Schauspiel  mitzuverfolgen.
Die Kleine hatte ne ganz schön grosse Klappe!
Auch gestern war ich überrascht, eine verschwitzte und verletzte Clea in meiner Küche vorzufinden.
Noch nie war jemand in unserer Wohnung, ausser unser Onkel oder einer unserer engsten Freunde.
Es war eine unausgesprochene Regel zwischen Jackson und mir.
Unsere Wohnung war unser Rückziehort.
Was auch der Grund war, dass ich den kleinen Überraschungsbesuch gestern nicht wirklich gut hiess.
Doch einfach sich selbst überlassen hätte mein Bruder Clea auch nicht können.
Mir passte es einfach nicht, dass die Kleine einen Einblick in mein, in unser Leben, gekriegt hatte.
Nicht nur unserer Willen, sondern auch für sie wäre es sicherer, so wenig wie möglich mit uns zutun zuhaben.
Schon allein die Gegend in der sie wohnte, zeigte nur allzu deutlich, dass sie unser Leben nie verstehen würde.
Ihr Haus war nicht von schlechten Eltern, soweit ich das im Dunkeln erkennen konnte...
Mein Leben und ihr Leben könnten nicht unterschiedlicher sein.
Und das sollte auch so bleiben.
Mein Leben wünschte ich niemandem.
"....-so überfürsorglich. Ich bin keine 5 mehr!", endete Clea mit ihrer Erzählung, wenn man das denn so nennen konnte.
Die Kleine sprach ohne Punkt und Komma. Respekt an die Freundin, die sie doch tatsächlich zu verstehen schien. Meine Wenigkeit musste sich schon nach ein paar Sekunden eingestehen ihrem Wortschwall nicht folgen zu können.
Kopfschüttelnd über mich und meine unerklärliche Neugier was dieses Mädchen anbelangte, versuchte ich die Existenz der Beiden auszublenden.
Mich gingen ihre Worte nichts an.
Ausnahmsweise freute ich mich, als die schrille Klingel aus den alten Lautsprechern ertönte und wie immer dafür sorgte, dass meine Ohren bei dem hohen Ton protestierten.
Daran wird man sich wohl nie gewöhnen können.
Wenig später kam dann auch schon Mrs. Flemmings in den Raum gestöckelt und fing mit ihrem eintönigen Unterricht an.
Doch lange konnte ich ihrem Unterricht nicht die Aufmerksamkeit schenken, die sie eigentlich von jedem einzelnen von uns erwartete, da mein Handy in meiner Jackentasche vibrierte.
'10 Minuten im Quartier', Zeigte mir mein Bildschirm an.
4 Wörter. Mehr stand da nicht.
Nicht wieso und nicht von wem.
Wobei Letzteres war überflüssig.
Diese Nachricht war allzu typisch für eine ganz bestimmte Person.
Und diese Person mochte es gar nicht, wenn man nicht das tat, was er verlangte.
Doch ich war es langsam leid immer nach seiner Pfeife zu tanzen.
Doch ich hatte keine Wahl.
Jedenfalls im Moment nicht.
Grimmig packte ich meine wenigen Sachen zusammen, stand auf und schulterte meine Tasche.
Ohne die alte Flemmings auch nur auf geringster Weise zu beachten, schlenderte durch den schmalen Gang der Schultische und steuerte auf die Tür zu, welche ich ohne ein Wort der Erklärung oder Entschuldigung öffnete und das Zimmer verliess.
Ich hörte nur noch die schrille Stimme der Flemmings, die mir durch den Gang hinterherrief und das nicht gerade freundlich gestimmt.
Ich konnte mich sicherlich auf eine extra Stunde Nachsitzen gefasst machen. Zwar schien mir das für ihre Verhältnisse auch wieder eine zu nette Bestrafung zu sein.
Aber jetzt war die Konsequenz für mein Handeln unwichtig.
Die Folgen, wenn ich nicht in ein paar Minuten in diesem verschissenen Quartier eintrudelte, würden hundertmal schlimmer für mich ausfallen...!

Beyond all reason - Gegen jede VernunftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt