16. Midnight Snack

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Skeptisch betrachtete ich mein Spiegelbild. Der weisse kurze Einteiler mit freiem Rücken sah gar nicht mal so schlecht an mir aus.
Er war schlicht aber dennoch elegant und sexy. Den werde ich nehmen. Auch wenn er etwas mehr kostete, als ich normalerweise gedenke für ein einziges Kleidungsstück auszugeben. Gerade als mich daran machte den kleinen Reissverschluss an der Seite zu öffnen, wurde meine Kabinentür ohne Vorwarnung aufgerissen und Brianna quetschte sich zu mir hinein.
"Anna? Willst du mich umbringen?!", quietschte ich und versuchte meinen Puls wieder auf die gesunden Zahlen zurückzubringen.
"Den musst du nehmen!", meinte meine Freundin begeistert und nickte eifrig, während ihre Augen meinen Körper abcheckten. Sie überging meinen Kommentar einfach.
Das war typisch für sie. Brianna hörte nur das, was sie hören wollte.
"Das hatte ich auch vor...", grummelte ich trocken und schlüpfte aus dem Einteiler. Freudig klatschte sie in die Hände. Doch bevor sie noch etwas sagen konnte, wurde an die Kabinentür geklopft. Eine Angestellte wies uns darauf hin, dass nur eine Person pro Umkleide erlaubt war und bat Anna heraus. Die der Bitte mit einem genervten Stöhnen und einem schnippischen Kommentar zu der Armen Frau folge leistete.
Vor sich hin summend, begab sie sich dann wieder in ihre Kabine neben mir. Kopfschüttelnd und leicht schmunzelnd über ihre Energie, die sie wie immer während unseren Shoppingtouren zu Tage legte, zwängte ich mich wieder in meine engen dunkelblauen Jeans und zog mir mein graues Shirt über.
Brianna und ich hatten es gerade mal geschafft etwas mehr als einen halben Tag Funkstille zuhalten.
Auch nachdem Jaron letzten Freitag gegangen war, konnte ich mich nicht dazu aufraffen ihr zurückzurufen.
Ich war zu gekränkt und wütend. Wobei im Nachhinein wusste ich, dass ich eher davon gelaufen war. Denn Anna hatte mit ihren Worten wiedermal recht gehabt, wie schon so oft. Auf alle Fälle war sie es dann, die am Samstagabend im grössten Regen mit einer Packung Vanilleeis vor meiner Tür stand. Dabei wusste sie nur zu gut, dass ich bei Vanilleeis nur schwer nein sagen konnte.
So kam es, dass wir uns bereits wieder innerhalb weniger Sekunden in den Armen lagen und dem jeweils anderen zum wiederholten Mal  beteuerten, wie leid es einem doch tat. Mein Dad hatte uns nur kopfschüttelnd betrachtet und war mit der Begründung, zufiel Emotionen ausgesetzt zu sein, wieder in seinem Arbeitszimmer verschwunden. Den Rest des Abends verbrachten wir beide dann bewaffnet mit Eis, Popcorn und Keksen auf der Couch und schauten mindestens 3 Filme. Also war wieder alles beim Alten. Auch den heutigen ersten Schultag nachdem Wochenende hatten wir gemeinsam erfolgreich gemeistert. Anschliessend haben wir uns dann noch dazu entschieden, eine kleine Runde in der örtlichen Shopping-Mall zu drehen.
Und hier waren wir nun.
Während ich langsam Müdigkeit verspürte, schien Anna erst so richtig in Fahrt zu kommen.
Doch wenigstens war sie so beschäftigt und verhörte mich für den Moment nicht weiter.
Es wollte einfach nicht in ihr hübsches Köpfchen, dass zwischen Jaron und mir nichts, aber wirklich auch gar nichts, vorgefallen war. Wider ihren Erwartungen hatten wir uns weder gegenseitig Sachen an den Kopf geworfen, noch waren wir übereinander hergefallen und haben uns die Kleider vom Leib gerissen. Wobei ich mich ernsthaft fragte, wie sie überhaupt auf Letzteres kam.
Wenn ich schon allein daran dachte, wie Jaron und ich fleissig Speichel austauschten, überkam mich der Ekel. Aber natürlich glaubte mir meine herzallerliebste Freundin wieder mal nicht. Sie dachte nur weil dieser Idiot gut aussah, würde ich mich ihm an den Hals schmeissen als wäre er meine Luft zum Atmen.
Doch da musste ich sie wohl leider enttäuschen. Ich sah da keine Chance dass es je soweit kommen wird. Wie auch der heutige Tag wieder bewiesen hatte. Jaron hatte mich heute wie immer keines Blickes gewürdigt. Wobei ich auch nicht wirklich besser war. Wenn ich ehrlich bin, war ich einfach mit unserer jetzigen Beziehung zueinander überfordert. Ich hatte keinen blassen Schimmer wie ich mich ihm gegenüber verhalten sollte. Ich konnte Anna' Zweifel schon irgendwie nachvollziehen. Denn eigentlich hatte ich ebenfalls damit gerechnet dass wir heftig aneinander geraten und das ganze Haus zusammen schreien würden. Meine Wut hätte dafür jedenfalls allemal ausgereicht.
Ich lasse nicht mit mir spielen und erst recht nicht von so einem arroganten Arsch wie Jaron.

Beyond all reason - Gegen jede VernunftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt