37. Lückenbüsser

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Der Geruch von frischem Regen und das Laub, was unter meinen Füssen raschelte, gaben mir etwas beruhigendes. Mein schneller Herzschlag und der Beat des Songs, der durch die Ohrstöpsel in meine Ohren drang, vermischten sich und beschwingten mich weiter das Tempo zu halten. Der Herbst war nun endgültig angetreten und der Sommer mit den unmenschlich heissen Temperaturen verabschiedete sich spürbar.
Es war das perfekte Wetter für einen Samstag Morgen den man mit Joggen totschlagen wollte. Naja Morgen war es ja nicht mehr wirklich.
Die Uhr würde jeden Moment zwölf Uhr schlagen und wie auf Knopfdruck meldete sich auch mein Bauch.
Seufzend drosselte ich mein Tempo etwas und band meine Haare zu einem neuen, hohen Zopf.
Glücklicherweise stellte ich fest, dass sich nur ein paar Strassen weiter der mit Abstand beste Sandwich-Laden befand. Mir kam ein Gedanke, der mich leicht lächeln liess.
Mein Dad liebte diese Dinger mindestens genauso sehr wie ich und sein Büro wäre nur noch ein paar Minuten Fussweg von hier entfernt.
Also warum nicht mal die nette Tochter sein und ihm einen kleinen Überraschungsbesuch abstatten ?
Ich hatte ihn diese Woche ohnehin kaum zu Gesicht bekommen.
Wir mussten sogar unseren Crime Abend wiederholt verschieben, da er nicht von der Arbeit weg konnte.
Der Laden hatte sich kein Stück verändert. Immer noch wurde man, kaum betrat man ihn, von einem frischen, verlockendem Geruch gelotst, der mir jedes Mal aufs Neue das Wasser im Mund zusammen laufen liess.
Nach einem kleinen Smalltalk mit Dorin, einer Angestellten, verliess ich keine zehn Minuten später, beladen mit zwei grossen Tüten, den Laden wieder und machte mich mit wachsendem Hunger auf den Weg zum Präsidium.
"Hallo Clea.", begrüsste mich Freddie leicht lächelnd, der wie immer an seinem Schreibtisch saß und auf seine Tastatur einhämmerte.
Ich grüsste zurück, bevor ich in den Fahrstuhl stieg. Hätte ich nicht zwei leckere Sandwiches in der Tüte, die nur darauf warteten verschlungen zu werden, hätte ich bei ihm noch einen Stopp gemacht um etwas zu plaudern.
Doch später werde ich dafür bestimmt noch genügend Zeit haben.
Vor der Bürotür klopfte ich und wartete dieses Mal nicht ab, bis ich die Erlaubnis bekam einzutreten.
"Was?!...Clea!", schreckte mein Vater auf und versuchte so unauffällig wie möglich etwas auf seinem Schreibtisch zu verdecken.
"Ich hoffe du hast Hunger!", meinte ich und hob lockend die Tüte in die Höhe.
Sobald Dad das Logo auf der Papiertüte erkannte, erhellte sich sein Gesicht,"Ist es das was ich denke?"
"Ich wusste, dass du dich darüber freuen würdest.", grinste ich zufrieden und übergab ihm das für ihn bestimmte Sandwich.
"Du bist unschlagbar. Ich wollte mir schon die ganze Zeit was um die Ecke holen, nur konnte ich hier einfach nicht weg."
"So viel los?", fragte ich kauend, während ich es mir auf einem der beiden Stühle bequem machte.
Dad verzog das Gesicht, ehe er ebenfalls den ersten Biss von seinem Sandwich nahm.
"Die Straßen sind im Moment ruhig. Vielleicht schon zu ruhig.", letzteres sagte er eher zu sich selbst, doch ich hörte es trotzdem.
"Was mich eher beschäftigt ist dieser blöde Bürokratiekram.", grummelte er grimmig und deutete auf seinen Schreibtisch. Der, nun ja, etwas überfüllt von Briefen, Akten und sonstigen losen Blätter war.
"Weisst du, ich liebe meinen Job!
Das tu ich wirklich. Aber die Hälfte der Zeit am Tag verbringe ich am Schreibtisch und lasse meine Kollegen die Arbeit da draussen machen."
"Und das pass dir nicht.", schlussfolgerte ich, während ich meinen Dad prüfend beobachtete wie er gedankenverloren sein Sandwich anstarrte. Ein sehnsüchtiger Ausdruck stand in seinen Augen aber auch so etwas wie ein Verantwortungsgefühl, dass ihn hier festhielt. Doch der Ausdruck verschwand schnell wieder und er lächelte schief, wenn auch etwas gezwungen,"Und wie geht es meinem Mädchen?
"Gut. Ausser das du mich nun schon das zweite Mal hintereinander versetzt hast.", herausfordern lehnte ich mich im Sessel zurück und schenkte ihm diesen -du hasst Scheisse gebaut- Blick, denn ich mir von Mum abgeschaut hatte.
Und er schien, wie bei ihr, fabelhaft zu wirken.
Dad wusste natürlich sofort, dass ich von unseren Crime Abenden sprach. Und er wusste genauso so gut, dass ich das sehr ernst nahm.
Genauso wie er. Ich erinnerte mich noch gut daran, wie ich  mit 15 den Abend einmal vergessen hatte, weil ich mit Freuden auf meiner ersten Party war, meine Eltern natürlich unwissend. Mein Dad hatte darauf drei Tage lang kein Wort mit mit gewechselt und das musste bei uns beiden schon was heissen. Normalerweise schafften wir es nicht mal einen Tag.
"Schatz ich-..."
"Weisst du was?", unterbrach ich ihn sogleich.
"Ich verzeihe dir, wenn du heute wieder mal früher nach Hause kommst und mir sowie Mum somit eine Freude machst.
Ich habe die verpassten Folgen aufgenommen und die werden wir heute Abend gemeinsam nachholen. Zumal heute ist Samstag, Dad!
Du müsstest hier gar nicht sitzen."
"Du hast recht! Ich bin um 19:00 zu Hause.", stimmte mir Dad nach einer kurzen Denkpause zu, doch als er meinen Blick sah verbesserte er sich hastig,"Weisst du was? Ich enke ich schaffe es sogar schon etwas früher. So um 17:30?"
Ich grinste zufrieden,"Ja das hört sich gut an. Ich sag es Mum."

Beyond all reason - Gegen jede VernunftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt