Kapitel 46

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Mühsam rappelte ich mich auf und klopfte mir den Dreck von der Kleidung. Ein gequältes Stöhnen ließ mich herumfahren. Hermine saß tiefgebeugt über Ron, der das hektische Apparieren anscheinend nicht so gut weggesteckt hatte. Im Augenwinkel sah ich Harry, der nach seiner Brille tastete. Eilig griff ich nach Hermines Perlenhandtasche, "Accio Diptam!" Sofort sprang mir das kleine Fläschchen mit der gewünschten Essenz entgegen, Hermine war wirklich auf alles vorbereitet. 

Vorsichtig tropfte ich Ron den Inhalt der Flasche über den gesplinterten Arm, während Hermine ihn langsam aufrichtete. "Wir haben Yaxley mit zum Grimmauldplatz genommen, er kann jetzt rein", stellte ich nüchtern fest und sah mich um. Erleichterung machte sich in mir breit, der Ort war mir unbekannt und es schien niemand in greifbarer Nähe zu sein. Ich zog es vor, an keinem Ort zwei Mal zu rasten, zu groß war das Risiko, dass sie mich aufspürten. 

Nachdem Harry das Zelt aufgebaut und ich die Schutzzauber eingerichtet hatte, setzte ich mich zur ersten Nachtwache vor das Zelt. "Ich habe vorhin schon versucht es zu zerstören", Harry hielt mir eine Tasse Kaffee hin, "Dieses Mistding ist unzerstörbar." Ich schmunzelte, "Das glaube ich nicht." "Versuch's", forderte er mich auf und gab mir das Medaillon. "Darf ich dich was fragen, Harry?" "Klar schreibe ich dir ein Autogramm." Beinahe hätte ich ihm meinen Kaffee ins Gesicht gespuckt vor Lachen, stattdessen verdrehte ich die Augen. "Stimmt es, dass du im zweiten Jahr in der Kammer des Schreckens einen Horkrux zerstört hast?" Harry nickte schwach. "Wie genau?" "Mit dem Gryffindorschwert." "Koboldgearbeitet nehme ich an?" Wieder nickte er. "Das passt ins Bild, Horkruxe können nur durch wenige Mittel zerstört werden. Der Horkrux muss unwiderruflich zerstört sein, das geht fast nur mit schwarz-magischen Utensilien. Dämonen, Basiliskengift... koboldgearbeitete Waffen sind meistens mit diesem Gift behandelt." "Woher weiß du das alles?" "Alastor war sehr übervorsichtig, er brachte mir Dinge bei, von denen ich dachte, ich würde sie nie brauchen." "Hast du es eigentlich bemerkt? Ich meine während des Trimagischen Turniers?" "Nein und ich schäme mich bis heute dafür", ich blickte in den sternenklaren Nachthimmel, "Zu der Zeit war ich zwar noch nicht in der Ausbildung bei ihm, aber trotzdem hätte ich es merken müssen." Eine Träne floss meine Wange hinab. 

Am nächsten Morgen verabschiedete ich mich von den Dreien und machte mich erneut auf den Weg zu meinen Großeltern.

Dieses Mal verschaffte ich mir selbst Eintritt. Die Herrschaften schienen nicht schlecht zu staunen, als ich plötzlich in ihrem Salon stand. Ich deutete einen Knicks an, "Die Dame, der Herr. Sie haben doch wohl nichts dagegen, wenn ich mich setze." Mit einer eiligen Handbewegung holte ich mir einen antiken Sessel heran. 
"Du warst bei Tante...", mein Großvater kam ohne Umschweife zum Punkt. "Und ich bin in eure Bibliothek eingebrochen", fügte ich glucksend hinzu, "Ich habe übrigens gefunden, wonach ich gesucht habe." "Was willst du dann hier?" "Ich suche ein weiteres Buch. Eines noch viel wichtiger als die anderen." "Du bist hier falsch, Abigail. Wir wollen nichts mit deinen Machenschaften zu tun haben." "Nun gut, ich lasse euch raus. Im Gegenzug erzählt ihr mir von meinem Bruder." Die Miene meines Großvaters verdunkelte sich, auf seiner Stirn bildeten sich tiefe Sorgenfalten, "Komm mit."

Wir verließen zu zweit den Salon, meine Großmutter blieb zurück. Nach und nach schwante mir übles, unser Weg lief auf die Kerker unter dem Herrenhaus zu. Reflexartig tastete ich nach meinem Zauberstab, vielleicht war es eine Falle. 
Plötzlich hörte ich das Schreien eines Jungen, Carlos blieb stehen. "Du hast ein Recht darauf, die ganze Geschichte zu erfahren." 

Nachdem er gegangen war, legte ich die letzten Meter zu den Kerkern zurück. Die Schreie waren verstummt, ich konnte niemanden erkennen. "Lumos." Mit Hilfe meines Zauberstabes öffnete ich die Tür und verschloss sie sogleich wieder. Ein mulmiges Gefühl stieg in mir auf. Eine blasse Gestalt saß in sich zusammengesackt an der gegenüberliegenden Wand. War er mein Bruder? Wo war er die ganzen Jahre über? Würde er mich erkennen?

"Alexander?", meine Stimme war brüchiger, als ich erwartet hatte. 
Plötzlich sprang die Person auf und rannte auf mich zu. "Incacerus!", schrie ich panisch und die Gestalt vor mir ging gefesselt zu Boden. "Du musst Abigail sein", ich konnte das Schmunzeln in seiner rauen Stimme hören, "Hör mir zu!" "Warum sollte ich? Ich kenne dich nichtmal."

"Ich bin dein Bruder, Abigail." Mein Atem stockte, meine Befürchtung hatte sich bewahrheitet. Als ich nichts antwortete, sprach er weiter, "Ich war noch kein halbes Jahr alt, als ich von einigen Todessern verschleppt wurde. Sie glaubten, ich würde Ravan beerben. Er wollte mich als seine Waffe." Langsam ließ ich mich auf den kalten Boden sinken. "Ich wurde auf Durmstrang unterrichtet. Heute Morgen bin ich vor diesem Haus aufgewacht." "Einfach so?" "Einfach so", bestätigte er. "Und warum, bei Merlins Bart, soll ich dir diese völlig bescheuerte Geschichte glauben?" "Veritaserum, die beiden Herrschaften, die sich unsere Großeltern nennen, haben es mir eingeflößt. "Warum bist du hier?" "Wie gesagt, ich habe keine Ahnung", er stockte, "Wie du siehst, bin ich körperlich nicht grade in einem guten Zustand. Vielleicht bin ich einfach nicht mehr von großem Nutzen." 
Ich stützte meinen Kopf auf meine Hände und raufte mir die Haare. Diese ganze Sache wurde immer verrückter. "Abigail, du kannst mich testen, auf jede erdenkliche Weise. Ich habe keinerlei böse Absichten." Ich überlegte nicht lange, schnitt seine Fesseln auf und reichte ihm eine Phiole. "Veritaserum?" Ich schüttelte den Kopf, "Schlimmer, es tötet dich, solltest du lügen." Ein Lächeln glitt über sein ausgemerkeltes Gesicht. Seine Verfassung war wirklich nicht grade überragend, ich erkannte mich sofort in seinem Gesicht wieder. Wir glichen uns wie Zwillinge.

"Also, was willst du wissen?" "Wurdest du von ihm geschickt? Und was sind deine Absichten, jetzt wo du frei bist?" "Nein, er ließ mich herbringen. Vielleicht als Warnung an die Familie... ich weiß es nicht. Ich habe noch keine Pläne, aber ich will Teil der Widerstandsbewegung sein und mein Wissen bestmöglich einbringen." "Wie alt bist du?" "Zwanzig, du bist Siebzehn, richtig?" Ich nickte. "Ich weiß viel über dich. Schließlich hast du mich als die Geheimwaffe abgelöst. Ich musste alles über dich lernen, ich sollte dich verstehen und deine Schritte voraussagen." "Du scheinst nicht sehr gut darin gewesen zu sein", stellte ich nüchtern fest. "Stimmt, du bist ziemlich undurchschaubar." "Ich gebe mir größte Mühe." "Hast du das Vermächtnis schon gefunden?" Warum auch immer vertraute ich diesem wildfremden Menschen, "Nein", ich stockte, "Du hast doch hier nichts mehr zu tun oder?" Er sah sich um und grinste, "Nicht wirklich." "Dann komm", ich reichte ihm meine Hand und verließ mit ihm den Kerker. 

"Was wird das, Abigail?", der Tonfall meine Großmutter war schneidend. "Ich bringe ihn nach Hause." "Du kannst ihn doch nicht einfach so mitnehmen." "Ihr Mitgefühl war schon immer ihre Schwäche, Magret", meinte Carlos abschätzig und hielt seine Frau davon ab, uns beide direkt in Ketten zu legen. 

Vor dem Herrenhaus disapparierten wir.
"Wow, das ist ja der Wahnsinn", Alexanders sarkastischer Unterton würde selbst ein Tauber hören. Etwas ungeschickt kletterte ich über die Gartengeräte und öffnete die Tür des Schuppens. "Ich darf dich herzlich im Hause Livingston Willkommen heißen", ich deutete eine Verbeugung an und Glow kam die Treppe heraufgeeilt. "Glow, das ist Alexander. Mein Bruder." "Herzlich Willkommen, Master." Es versetzte mir ein Stich ins Herz, Lilly hätte jetzt den Kopf schief gelegt und mich gefragt, seit wann mein Bruder wieder unter den Lebenden weilt. 

Nachdem ich ihm den größten Teil des Hauses gezeigt hatte, machten wir es uns im Wohnzimmer bequem, immerhin hatten wir siebzehn Jahre gemeinsame Zeit aufzuholen.


Nach einer langen Kreativpause endlich ein neues Kapitel. 
Ich hoffe, es gefällt euch.

Genius


Die Aurorentochter ~ Draco Malfoy FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt