Max tappte genervt mit dem Fuß auf den Boden. Er hatte vorgehabt den Nachmittag und Abend damit zu verbringen, ein bisschen auf einem verlassenen Fabrikgelände zu sprayen, aber das hatte nicht so ganz geklappt.
Ungefähr bei der Hälfte des Bildes gingen seine Dosen leer und er musste mit dem Bus in die Stadt fahren, um neue zu kaufen, und jetzt stand er an der Kasse an.
Es war ein nicht sonderlich großer Laden der alle möglichen Arten von Dingen verkaufte, mit denen du möglicherweise irgendetwas Schönes herstellen könntest. Malstifte, Bleistifte, Kohlestifte, Ton, Leinwände, Pinsel, Tusche und, natürlich, Spraydosen.
Genervt seufzte der Junge und sah sich über die Schulter, dann erstarrte er und sah schnell wieder nach vorne. Hinter ihm stand Lilli. Er hoffte, dass sie ihn nicht gesehen hatte, denn was würde sie meinen, wenn sie herausfand, dass er wirklich nicht sprach?
Würde er dann viel zu langweilig sein? Oder was wenn sie die Spraydosen sah? Würde sie ausrasten? Ihn anzeigen?
"Max?", fragte eine weibliche Stimme unsicher hinter ihm. Er hielt die Luft an und ignorierte sie. Vielleicht, wenn er nicht reagierte, würde sie denken er wäre nicht Max.
"Du bist doch Max, oder?", Lilli ging einmal um ihn herum und sah ihm ins Gesicht. Erschrocken drehte er seinen Kopf in die andere Richtung, doch sie hatte ihn schon gesehen.
"Du bist Max. Hi, ich bin Lilli. Erinnerst du dich? Das Mädchen das in ihr eigenes Haus eingebrochen ist?", versuchte sie es leicht verwirrt.
Max tat so, als würde er sie jetzt erst erkennen und lächelte breit. Sein Gehirn schaltete auf Panik, besonders als sie ihn umarmte. Max umarmte keine Menschen, außer vielleicht seinen Bruder ein oder zweimal im Jahr.
Das blonde Mädchen ignorierte seine Anspannung geflissen.
"Was machst du hier?", fragte sie erfreut. Etwas hilflos hielt er die Spraydosen hoch, und sie nickte anerkennend.
"Ich habe mir Aquarellfarben gekauft, und, nein, ich kann nicht malen. Ich mag es nur. Kannst du malen? Oder eher sprayen?"
Max zuckte mit den Schultern.
"Arbeitest du gerade an etwas?"
Zögerlich nickte er.
"Könnte ich gefangen genommen werden wenn du es mir zeigst?", fragte sie mit gesenkter Stimme und leuchtenden Augen. Max sah sie misstrauisch an, und neigte seinen Kopf fragend zur Seite. Lilli schnaubte.
"Du willst wissen, warum ich frage ob ich gefangen genommen werden könnte? Naja, ich bin kein Anwalt, aber ich glaube sprayen auf Gebäuden zählt zu Vandalismus, oder? Und du sprayst. Du hast hier fast sieben verschiedene Spraydosen, also malst du etwas großes, du trägst einen schwarzen Kapuzenpullover und dunkle Jeans, eine Cap und deine Finger sind voller Sprühfarbe," zählte sie leicht grinsend auf.
Max betrachtete seine Finger überrascht, und merkte, dass sie rechte hatte. Er sah aus, als hätte er mit Fingerfarben gemalt. Lilli lachte, und warf ihren Kopf in den Nacken, dann grinste sie ihn breit an.
"Keine Sorge, ich finde es cool. Kann ich es sehen?"
Zehn Minuten später saß Max irgendwie neben Lilli im Bus zu dem alten Fabrikgelände. Er redete nicht viel, schrieb auch nicht viel auf, sondern hörte nur zu. Er wusste wirklich nicht, wie es dazu gekommen war.
"Gott, das ist ja eine halbe Weltreise," beschwerte sie sich lächelnd als sie von Stein zu Stein sprang um den Brennnesseln auszuweichen. Max grinste. Sie hatte recht. Es war wirklich schwierig hierher zu kommen.
Das Gelände war schon lange verlassen und überall wucherte Gras. Er ging voran und blieb dann vor einer der alten Backsteinwände stehen auf der man nur die Umrisse erkennen konnte bis jetzt.
Unsicher sah er sich um zu dem blonden Mädchen, doch sie betrachtete das Bild an der Wand interessiert. "Du kannst malen. Aber die Farben fehlen noch, oder?", fragte sie ohne ihre Augen von der Wand abzuwenden.
Max fing zögerlich an zu sprayen, doch schnell vergaß er Lilli und er arbeitete ohne viel nachzudenken. Er hatte keine Ahnung wie viel Zeit verstrich, doch irgendwann war es fertig. Zufrieden trat er ein paar Schritte zurück und nickte abwesend.
Als Lilli neben ihn trat zuckte er erschrocken zusammen, doch sie bemerkte es glücklicherweise nicht. "Es ist schön," meinte sie bewundernd.
Es war das Bild eines Mädchens mit geschlossenen Augen und gesenktem Kopf, deren Haare um ihren Kopf wirbelten. Es war in verschiedenen Farben gehalten, vom schlichten grau bist auffälligem hellblau.
Max holte sein Notizblock heraus und zeigte ihr ein ‚Danke'.
Da er oft zu faul war, immer dasselbe aufzuschreiben, hatte er ein paar universelle Antworten und Fragen immer parat.
"Du bist viel besser als ich," sagte Lilli und rempelte ihn leicht mit ihrer Schulter an. Max fiel auf, dass sie wirklich groß war, etwa so groß wie er selbst.
„Hast du heute noch was vor?", fragte sie ihn neugierig, und er schüttelte den Kopf.
„Cool, dann machen wir einen Filmeabend. Bei dir?"
Max sah sie etwas überrascht an, doch sein Kopf nickte schon. Als sie ihn an der Hand nahm und hinter sich her zerrte dachte er noch, dass sich diese Beziehung irgendwie verselbstständigte.
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some die looking for a hand to hold
RandomLilli, Isaac, Alex, Max und Selina sind fünf Jugendliche durch Fehler und Schicksal miteinander verbunden. Als sie eine Straftat begehen, müssen sie sich mit den blutigen Konsequenzen auseinander setzten und darauf achten, das niemand erfährt, was h...