Das Schlimme geht weg

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Zuerst legten sie die Leiche auf den Tisch in der Mitte des Raumes, und mit dem Gartenschlauch wuschen sie die Sitze, den Kofferraum, alles, von innen. Die Teppiche wurden rausgenommen und in die Waschmaschine gesteckt, zusammen mit Max und Selinas Klamotten und ihren Jacken.

Die Klamotten des Toten schnitten sie mit Scheren von ihm und warfen die Fetzen in eine Ecke.

Es wurde nicht viel geredet, eigentlich gar nicht.

Nur Anweisungen, wer was tat, wie viel Waschmittel. Etwas Salz noch dazu um das Blut zu lösen, und alle hatten frische Wäsche an, Gummihandschuhe, ein Haarnetz oder eine Badekappe und Atemschutz.

Alex hatte mal im Altenheim ausgeholfen, und seitdem hortete er diese Dinge.

Jetzt hielt er den Strahl des Schlauches auf den blassen Körper, und das Blut kam ab.

Seine Hände zitterten.

"Alex, träum nicht, ja?", sagte Isaac hinter ihm.

"Setz dich hin, ich mache hier weiter," flüsterte er ihm dann sanft zu und löste seine Hand.

Alex stolperte nach hinten und sah dem großen Blonden zu, wie er mit Hochdruck das Blut und die Gehirnmasse vom Kopf des Jungen wusch, wodurch man die Verunstaltung besonders genau zu sehen war.

"Hey Jungs," begrüßte sie Lilli, jetzt umgezogen. Sie trug eine Jogginghose und einen Pullover von Alex, in ihrem Arm ein Wäschekorb gefüllt mit unterschiedlichen Gegenständen.

"Alex ruht sich kurz aus," sagte Isaac nachdrücklich, und sie nickte.

"Okay, ich machte seine Fingernägel, Max kann gleich seine Haare machen, und du nimmst die Bleiche?", fragte sie, und ihr Bruder nickte.

Er nahm einen Lappen, tränkte ihn in der chemischen Flüssigkeit, und wischte über die Haut des Toten bis alle Spuren anderer Menschen verstört worden waren.

Bei den Füßen fing er an, und arbeitete sich gründlich nach oben vor.

Seine Schwester schnitt die Fingernägel der Leiche und entfernte alles, was darunter war, mit einer Nagelfeile und einem Wattestäbchen auch voller Bleiche.

Rechte Hand, linke Hand, auch die Füße.

Nach etwa fünf Minuten kam Max und, mit dem elektronischen Rasierer, verpasste er dem Jungen eine Glatze, nur um sicherzugehen, dass sich in dessen wirrer Behaarung kein Speichel oder Blut versteckte.

"Ich...Ich suche mal Selina. Mal gucken, ob ich ihr helfen kann," entschuldigte Alex sich leise und verließ die Garage.

Selina war im Garten, vor ihr brannte schon das Feuer.

"Wie geht's dir?", fragte er vorsichtig, und sie sah ihn an.

"Kopfschmerzen. Aber Max hat mir einen Haufen Schmerzmittel und Aspirin gegeben. Mir geht's eigentlich ganz okay, aber gerade stehen wir alle noch unter Schock. Frag mich morgen nochmal, wenn du dann nicht auch weinend in deinem Bett liegst," sagte sie bitter und rieb sich die Stirn.

"Hat der Kleine sich auch deine Wunde angesehen?"

"Ja, hat sie sogar genäht. Er meinte, ich hätte eine leichte Gehirnerschütterung, jedenfalls vermutet er das."

Sie standen schweigend nebeneinander.

"Al?", fragte sie nach einer Weile.

"Hm?"

"Danke. Du hast ihn von mir heruntergezogen. Danke.", flüsterte sie, und er küsste sie sanft auf die Wange.

"Kein Problem, Kleines. Alles wird wieder in Ordnung kommen."

"Du bist schwul," meinte sie dann. Es war keine Frage sondern eine Feststellung.

Noch vor ungefähr drei Stunden hätte er all das erschrocken abgestritten, aber wenn in der eigenen Garage gerade einer Leiche die Fingernägel geschnitten werden, wirkten viele andere Dinge so unwichtig.

"Sieht so aus," antwortete er und sah in die Flammen.

"Cool. Mein Homie."

Alex warf ihr einen scharfen Blick zu. "Übertreibe es nicht, pretty woman."

"Was machen wir mit... mit ihm?", wechselte sie das Thema.

"Max kennt viele verlassene Plätze, wir nehmen einen, zu dem wir alle den wenigsten Kontakt haben, und lassen den Körper dann da. Alle Spuren wurden entfernt, hoffentlich läuft die Polizei bei diesem Fall gegen eine Wand. Es gibt keine Verbindung zu irgendeinem von uns. Wir stehen das durch," antwortete er.

"Warum verbrennen wir die Leiche nicht? Oder lösen sie in Säure auf? Verbuddeln? Versenken?", wollte Selina verwirrt wissen.

"Zu groß zum verbrennen, zu wenig Zeit ein großes Feuer zu machen, und nichts verbrennt ganz. Säure zu kaufen ist zu auffällig, erst in über zwei Meter Tiefe können Tiere keine Leiche mehr riechen, und keiner von uns hat gerade die Kraft, ein zwei Meter tiefes Loch in den Wald zu graben, und...wir haben auch kein Meer, keine so große Seen, also versuchen wir gar nicht erst, die Leiche zu verstecken. Wir präsentieren sie ihnen und werfen nur die Mordwaffe weg."

"Du hast echt Erfahrung darin, Leichen verschwinden zu lassen," murmelte sie.

"Ich stelle mir manchmal vor, meinen Vater umzubringen. Die Theorie musste ich jetzt nur anpassen."

Selina warf ihm einen leicht besorgten Blick zu, doch er lächelte nur, was sie vermutlich nicht sehr beruhigte.

"Wir sollten reingehen, ihnen helfen," sagte sie dann nach einer Weile. Er nickte, und zusammen gingen sie rein.

some die looking for a hand to holdWo Geschichten leben. Entdecke jetzt