Fast ein zweiter 'Vorfall'

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Isaac saß auf der Kante seines Bettes, die Knie angezogen und seine Hände in seinen Haaren vergraben.

In seinem Mund schmeckte er die salzigen Tränen, die ihm über die Wangen rollten, ohne dass er sie stoppen konnte.

"Ich will nicht," flüsterte er und fing an rhythmisch gegen seinen Schädel zu schlagen.

"Ichwillnichtichwillnichtichwillnicht."

Er wusste immer noch nicht, was er nicht wollte, doch es fühlte sich an als würde sein ganzer Körper sich gegen etwas wehren.

"Fuck," hauchte er und sprang auf.

Seine Hände zitterten unkontrolliert und er schwitzte.

Sein Atem wurde schneller und er drückte seine Hände gegen seine Kehle.

Isaac stürzte zu seiner Kommode und durchwühlte seine Schubladen bis er die Socken fand, in denen er seine Klingen aufbewahrte.

Er zog seinen Ärmel hoch und zog das scharfe Metall durch sein Fleisch.

Einmal, zweimal, dreimal.

Seine Brust hob und senkte sich wieder regelmäßig, er atmete tief ein.

Es war, als wäre alles jetzt langsamer.

Er hatte die Kontrolle wieder.

Noch einmal Schnitt er sich, und wieder, und wieder, und wieder bis er aufhörte zu zählen.

Das Blut tropfte auf die Dielen, er drehte seinen Arm fasziniert und beobachtete die um die Wette rollenden Tropfen.

Seine Haut war schon immer blass gewesen, er hatte eine Sonnenallergie.

Die Adern stachen hervor und mit dem Daumen strich er über die Innenseite seines Handgelenks.

Grünlich blau, dick, und gut zu sehen.

Vorsichtig drückte er die Klinge gegen die noch unversehrte Haut.

Längs schneiden und nicht quer. Das können Sie nicht nähen.

Längs und du bist tot.

Es kommt sowieso niemand in dein Zimmer, und Lilli war kurz einkaufen.

Sie ist vermutlich schon wieder da, aber es wäre leise.

Ein Auto fuhr vorbei und Isaac zuckte zusammen.

Er sah auf die Klinge an seiner Ader und er ließ sie erschrocken fallen.

"Oh fuck. Nein,"fluchte er und zog an seinen Haaren. Er wollte keine Wiederholung von dem 'Vorfall'.

Er wollte tot sein aber nicht sterben, ergab das Sinn?

"Ich bin vollkommen abgefuckt,"  stellte Isaac laut fest und schloss seine Augen.
"Ich bin krank. Oh Gott."

Er wollte nicht sterben.

Er musste mit jemandem reden, jetzt. Isaac wollte nicht das seine Schwester seine Leiche fand mit blutigen Armen und das sie sich immer Vorwürfe-

Seine Schwester.

Lilli.

Lilli hatte immer gemeint, dass er mit ihr reden könnte. Niemand kannte ihn so gut wie sie, sie waren Zwillinge.

Sie würde es verstehen.

Isaac rannte beinahe aus seinem Zimmer heraus, den Flur entlang und riss die Tür seiner Schwester auf.

Ihr Zimmer war leer.

Also war sie vom Einkaufen noch nicht zurück.

Isaac musste nur warten, ein oder zwei Minuten warten.

Vorsichtig setzte er sich auf ihr Bett, es war schneeweiß.

Sein Arm blutete immer noch, und er zog den Ärmel herunter.

Er wollte nicht das ihr Bett dreckig wurde.

Isaac wartete.

Er wartete lange auf seine Schwester, Stunden, doch sie kam nicht.

Irgendwann wurde er müde und er legte sich in ihr Bett. Es war viel bequemer als seines. Er erinnerte an seine Zeit mit seinem Vater und er fing an zu weinen. Er wusste nicht einmal, warum.


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